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BFH 08.07.2014 - VII B 129/13
BFH 08.07.2014 - VII B 129/13 - Zulässigkeit von "Erstgutachterbesprechungen" im Rahmen der Steuerberaterprüfung
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 24 Abs 2 S 1 StBDV
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 29. April 2013, Az: 13 K 2394/11, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Der Frage, unter welchen Voraussetzungen "Erstgutachterbesprechungen" zulässig sind, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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2. NV: Aus der Nichterwähnung solcher Besprechungen in der DVStB kann nicht auf ihre Unzulässigkeit geschlossen werden.
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3. NV: Aus den Regelungen der DVStB kann kein Verbot abgeleitet werden, nach dem es den Prüfern und Dritten, wie z.B. Vertretern von Ministerien und Steuerberaterkammern, verwehrt ist, sich in allgemeiner Form über Probleme im Zusammenhang mit der Abnahme der Steuerberaterprüfung auszutauschen.
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4. NV: Die Frage, welchen Anforderungen die Einwendungen des Prüflings gegen schriftliche Bewertungen genügen müssen, ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erzielte in ihrer zweiten Wiederholungsprüfung eine Gesamtnote von 5,33 und wurde deshalb gemäß § 25 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen, so dass die Prüfung nicht bestanden war. Mit der Begründung, sämtliche Aufsichtsarbeiten seien fehlerhaft bewertet worden, leitete die Klägerin unter Vorlage eines Gutachtens ein Überdenkungsverfahren ein und erhob Klage, mit der sie sich zudem gegen die Durchführung einer "Erstgutachterbesprechung" wandte. Im Überdenkungsverfahren wurden von den Prüfern in den Aufsichtsarbeiten Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete sowie Ertragsteuern zusätzliche Punkte vergeben, die jedoch nicht zu besseren Noten führten. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die jeweiligen Prüfer hätten in den streitigen Aufsichtsarbeiten den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Fachspezifische Bewertungsfehler seien nicht ersichtlich. Auch die Durchführung einer Prüferbesprechung, bei der es sich lediglich um einen informellen Meinungsaustausch handele, sei verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die Chancengleichheit werde dadurch nicht verletzt. Schließlich sei die in der "Erstgutachterbesprechung" erzielte Übereinkunft nicht zu beanstanden, aufgrund des Schwierigkeitsgrades bei der Bewertung der Ertragsteuerklausur vier Zusatzpunkte zu vergeben.
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Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Grundsätzlich bedeutsam sei die Rechtsfrage, was im Rahmen von "Erstgutachterbesprechungen" zulässig sei. Insbesondere sei zu klären, ob "Erstgutachterbesprechungen" unter Beteiligung Dritter und mit dem Ergebnis verbindlicher Vorgaben für die Prüfer zulässig seien. Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) die Durchführung von "Erstgutachterbesprechungen" für zulässig erachtet, doch sei die Entscheidung zur Praxis in Bayern ergangen. Vorliegend sei die hessische Praxis zu beurteilen, die von dem bayerischen Verfahren insbesondere dadurch abweiche, dass an den Korrektorentreffen in Hessen verfahrensfehlerhaft auch Prüfer anderer Prüfungsausschüsse und fachfremde Dritte, wie z.B. Vertreter des Ministeriums der Finanzen und der Steuerberaterkammer, teilnähmen, die selbst keine Prüfer seien. Durch die Besprechungen finde eine rechtswidrige Ermessenslenkung der einzelnen Prüfungsausschüsse statt. Einen "Prüfungsausschuss aller Erstgutachter" mit der Befugnis, verbindliche Korrekturgrundsätze festzulegen und die Vergabe von Zusatzpunkten festzulegen, sehe die DVStB nicht vor. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ihre Prüfungsarbeiten den Besprechungsteilnehmern bekannt gewesen seien und dass diese ohne die "Erstgutachterbesprechung" besser bewertet worden wären.
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Darüber hinaus komme der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, welchen Anforderungen die substantiierten Einwendungen des Prüflings gegen schriftliche Bewertungen genügen müssten. Sie habe sich im Rahmen ihrer Klage drei Gutachten eines Professors zu eigen gemacht, der auf dem Gebiet der Steuerberaterprüfung eine Kapazität sei. Die Ausführungen des FG belegten, dass es diese Ausführungen verkannt habe. Eine Entscheidung des BFH sei insbesondere im Hinblick auf die vom Prüfling zu beachtenden Darlegungserfordernisse sowie die Prüfungskompetenz und die Grenzen der Prüfungsmöglichkeiten durch das FG geboten.
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Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen seien nicht klärungsbedürftig. Der BFH habe die Durchführung von "Erstgutachterbesprechungen" grundsätzlich für zulässig erachtet. Im Streitfall sei keine inhaltliche Auseinandersetzung mit einzelnen Klausuren der Klägerin erfolgt. Über die Besprechung, die einen allgemeinen und unverbindlichen Charakter habe, werde kein Protokoll erstellt. Der Vertreter des hessischen Ministeriums der Finanzen fungiere lediglich als Moderator der Besprechung. Dritte würden an der Besprechung teilnehmen, um organisatorische Fragen, wie z.B. die Zustellung der Klausuren durch Kurierdienste, die Heftung der Klausuren sowie die Anforderungen an die Papierqualität, zu klären.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist; das ist sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind. An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587).
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a) Wie der BFH bereits entschieden hat, kann aus dem Umstand, dass "Erstgutachterbesprechungen" in der DVStB nicht erwähnt sind, nicht auf ihre Unzulässigkeit geschlossen werden (Beschluss vom 28. August 2012 VII B 15/12, BFH/NV 2013, 265). Es steht den Prüfern frei, unabhängig von der Bewertung einer bestimmten Klausur allgemeine Fragen und Probleme, die sich mit der Bewertung der Aufsichtsarbeiten stellen, mit anderen Prüfern zu besprechen. Ein Verbot, sich unter den Prüfern auszutauschen, bevor die Aufsichtsarbeiten vom jeweils zuständigen Prüfer durchgesehen und bewertet werden, enthalten die Vorschriften der DVStB nicht. Die Verpflichtung des Prüfers, die ihm zugeteilte Aufsichtsarbeit persönlich zu bewerten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 DVStB), wird durch einen solchen Meinungsaustausch über allgemeine, die Prüfungsarbeit betreffende Fragen nicht tangiert. Soweit die Beschwerde die Beteiligung fachfremder Dritter an der Besprechung beanstandet, hat das FG keine Feststellungen über eine solche Teilnahme getroffen. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung hat die Klägerin Beweisanträge nicht gestellt. Infolgedessen hat sich das FG auch nicht mit der Frage befasst, ob unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Prüferbesprechung unter diesem Gesichtspunkt gegen § 24 DVStB verstößt. Aus der maßgeblichen Sicht des FG kam es auf diesen Umstand nicht an. Im Übrigen handelt es sich bei einer "Erstgutachterbesprechung" um einen allgemeinen Meinungs- und Erfahrungsaustausch, der das Prüferermessen nicht in unzulässiger Weise einschränkt. Daran kann der Umstand nichts ändern, dass Vertreter von Ministerien oder der zuständigen Steuerberaterkammer an solchen Besprechungen teilnehmen, die nicht zu Prüfern bestellt worden sind. Denn es geht in diesen Besprechungen nicht um die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen bestimmter Kandidaten. Auch ist der DVStB kein Verbot zu entnehmen, nach dem es den für die fachliche Bewertung der Klausuren und den für die Organisation der Steuerberaterprüfung Verantwortlichen verwehrt sein soll, sich in allgemeiner Form über Probleme im Zusammenhang mit der Abnahme solcher Prüfungen auszutauschen. Auch im Interesse der Prüfungsteilnehmer erscheint es vielmehr sinnvoll, dass alle Beteiligten im Rahmen einer gemeinsamen Besprechung über organisatorische bzw. praktische Schwierigkeiten informiert werden, so dass sie gemeinsam über Maßnahmen zur Verbesserung der Prüfungsorganisation und der Verfahrensabläufe beraten können.
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b) Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist ein Revisionsverfahren auch nicht deshalb geboten, weil "Erstgutachterbesprechungen" in den einzelnen Bundesländern in unterschiedlicher Weise abgehalten werden und weil "feste Grenzen" für die Zulässigkeit solcher Besprechungen zu schaffen sind. Der BFH hat keine einheitlichen Regeln für solche Prüfertreffen aufzustellen, sondern lediglich zu entscheiden, ob derartige Treffen und Besprechungen nach den Prüfungsvorschriften unzulässig sind (BFH-Beschluss vom 14. Januar 2013 VII B 110/12, nicht veröffentlicht). Im Streitfall ist dies nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht der Fall.
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c) Der Frage, welchen Anforderungen die Einwendungen des Prüflings gegen schriftliche Bewertungen genügen müssen, kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nur aufgrund der Art und der Bewertung der jeweils betroffenen Aufsichtsarbeit beantwortet werden kann und somit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist. Soweit die Klägerin rügt, das FG habe die Ausführungen des Gutachters verkannt und die konkreten Einwendungen nicht zum Anlass genommen, jeden einzelnen der in den Gutachten gerügten Prüfungspunkte einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, greift sie mit ihrem Vorbringen die Tatsachenwürdigung des FG an und macht lediglich materielle Mängel der Entscheidung geltend. Gründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO für die Zulassung der Revision werden damit nicht dargelegt.
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2. Zu den hilfsweise geltend gemachten Zulassungsgründen der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) fehlen substantiierte Darlegungen. Der bloße Hinweis auf die als klärungsbedürftig erachteten Rechtsfragen und auf eine mögliche unterschiedliche Entscheidungspraxis der Instanzgerichte reicht zur schlüssigen Darlegung der genannten Zulassungsgründe nicht aus.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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