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BFH 30.01.2013 - III R 72/11
BFH 30.01.2013 - III R 72/11 - (Ausübung des Gewinnermittlungswahlrechts und Rücklagenbildung nach § 6b oder § 6c EStG)
Normen
§ 4 Abs 1 EStG 1990, § 4 Abs 3 EStG 1990, § 6b Abs 3 EStG 1990, § 6c Abs 1 EStG 1990, § 4 Abs 1 EStG 1997, § 4 Abs 3 EStG 1997, § 6b Abs 3 EStG 1997, § 6c Abs 1 EStG 1997
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 16. Dezember 2009, Az: 9 K 3626/06 E,G, Urteil
Leitsatz
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1. Die Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten ist grundsätzlich keine Einnahmenüberschussrechnung i.S. von § 4 Abs. 3 EStG.
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2. Hat ein Kläger sein Gewinnermittlungswahlrecht zugunsten der Einnahmenüberschussrechnung ausgeübt, so ist sein (Hilfs-) Antrag auf eine "Rücklage nach § 6b EStG in Höhe des Veräußerungsgewinns" dahin auszulegen, dass er eine Neutralisierung des Gewinns durch einen Abzug nach § 6c Abs. 1 EStG begehrt.
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3. Die für die § 6c-EStG- oder § 6b-EStG-Rücklage erforderliche Dokumentation kann auch noch im zweiten Rechtsgang geschaffen oder dargelegt werden.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG sowie alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH. Die Gesellschaft war Jahrzehnte zuvor von seinem Vater und dessen Ehefrau gegründet worden. Zum 1. Januar 1994 brachte der Kläger den Betrieb in eine GmbH ein. Mehrere in seinem Alleineigentum stehende Grundstücke, auf denen sich ein von der GmbH genutztes Möbelhaus sowie ein Lager befanden, wurden an die GmbH verpachtet. Ein Streit über die steuerrechtliche Behandlung der Umstrukturierung wurde vom Finanzgericht (FG) mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Oktober 2000 dahin entschieden, dass keine Einbringung i.S. des § 20 des Umwandlungssteuergesetzes stattgefunden habe und die Grundstücke nicht entnommen worden seien, sondern der Kläger eine Betriebsaufspaltung begründet habe.
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Im Herbst 1994 übertrug der Kläger einen GmbH-Geschäftsanteil von 25 % auf seine Mutter. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH wurde wenig später dahin ergänzt, dass alle über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinausgehenden Geschäfte --u.a. Verfügungen über Grundstücke und der Abschluss, die Änderung und Kündigung von Dauerschuldverhältnissen mit einer Jahresbelastung von mehr als 120.000 DM sowie Vereinbarungen mit nahen Angehörigen von Gesellschaftern oder Geschäftsführern-- der Einwilligung von mindestens 76 % der abgegebenen Stimmen der Gesellschafterversammlung bedürften und eine Änderung des Gesellschaftsvertrages die Zustimmung aller Gesellschafter erfordere.
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Mit Wirkung vom 1. Januar 1997 veräußerte der Kläger einen Teil der Geschäftsgrundstücke. Die bis dahin aus der Grundstücksüberlassung erzielten Einkünfte erklärte der Kläger als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und den Veräußerungserlös als einkommensteuerrechtlich unerhebliche private Einnahme.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gelangte nach einer Betriebsprüfung für die Streitjahre 1994 bis 1997 zu der Auffassung, dass die Betriebsaufspaltung durch die Beteiligung der Mutter und die Ergänzung des Gesellschaftsvertrages im Herbst 1994 nicht beendet worden sei. Der Kläger habe daher aus der Überlassung der Grundstücke weiterhin gewerbliche Einkünfte und aus deren Veräußerung einen Gewinn von ca. 5,5 Mio. DM erzielt.
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Einspruch und Klage gegen die auf den Feststellungen der Betriebsprüfung beruhenden Bescheide über die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge 1994 bis 1997 sowie den Einkommensteuerbescheid 1997 hatten keinen Erfolg.
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Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor, das FG-Urteil gehe zu Unrecht davon aus, dass die Betriebsaufspaltung zwischen seinem Einzelunternehmen und der GmbH auch nach der Beteiligung seiner Mutter und der damit verbundenen Ergänzung des Gesellschaftsvertrages fortbestanden habe. Das FG hätte der Klage aber jedenfalls mit dem Hilfsantrag auf Neutralisierung des Gewinns aus der Veräußerung der Grundstücke stattgeben müssen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung sowie die Gewerbesteuermessbescheide 1994 bis 1997 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1997 dahin zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn in Höhe von 5.560.846 DM nicht der Besteuerung zugrunde gelegt wird, hilfsweise, bei der Einkommensteuer 1997 die Bildung einer Rücklage nach § 6c i.V.m. § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide 1994 bis 1996 unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide 1994 bis 1996 sind rechtmäßig, denn die Verpachtung der im Alleineigentum des Klägers stehenden Grundstücke an die GmbH erfolgte im Rahmen des vom Kläger unterhaltenen gewerblichen Besitzunternehmens. Die Grundstücke gehörten auch nach der Änderung des Gesellschaftsvertrages der GmbH im Herbst 1994 weiterhin zum Betriebsvermögen des Klägers, weil die zum 1. Januar 1994 begründete Betriebsaufspaltung bis zur Veräußerung der Grundstücke andauerte.
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1. Die für die Betriebsaufspaltung erforderliche --hier unstreitige-- sachliche Verflechtung ergibt sich daraus, dass die im Alleineigentum des Klägers stehenden, an die GmbH --Betriebsgesellschaft-- verpachteten Grundstücke die räumliche und funktionale Grundlage ihrer Geschäftstätigkeit bildeten und es ihr ermöglichten, ihren Geschäftsbetrieb auszuüben (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Februar 2012 X B 99/10, BFH/NV 2012, 1110, m.w.N.).
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2. Eine für die Betriebsaufspaltung ebenfalls erforderliche personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchsetzen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 1. Juli 2003 VIII R 24/01, BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757; vom 30. November 2005 X R 56/04, BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415). Dies trifft auf den Kläger zu, der Alleineigentümer der Grundstücke war und über 75 % des Stammkapitals der GmbH und dementsprechend auch der Stimmrechte verfügte (§ 47 Abs. 1 und 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--).
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Der personellen Verflechtung durch Beherrschungsidentität steht nicht entgegen, dass der Kläger die die überlassenen Grundstücke betreffenden Verträge nur mit Zustimmung seiner Mutter, der Minderheitsgesellschafterin, ändern konnte und diese als sog. Nur-Betriebsgesellschafterin am Besitzunternehmen --den Grundstücken-- nicht beteiligt war. Denn für die Beherrschung einer GmbH genügt die Stimmrechtsmehrheit, die das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag für übliche Gesellschafterbeschlüsse vorschreibt. Bezüglich der Geschäfte des täglichen Lebens ist es auch unerheblich, dass ein Gesellschafter gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG bei Beschlüssen kein Stimmrecht hat, welche die Vornahme eines solchen Rechtsgeschäfts gegenüber diesem Gesellschafter betreffen (BFH-Urteil vom 26. Januar 1989 IV R 151/86, BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455).
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Der personellen Verflechtung steht auch nicht entgegen, wenn der Gesellschaftsvertrag für selten vorkommende Geschäfte, die nicht zur laufenden Geschäftsführung gehören (sog. Geschäfte außerhalb des täglichen Lebens), einstimmig zu fassende Gesellschafterbeschlüsse erfordert (BFH-Urteil vom 21. August 1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44; kritisch hierzu Söffing, Betriebs-Berater 1998, 397), sofern das Überlassungsverhältnis nicht gegen den Willen der Person, die das Besitzunternehmen beherrscht --im Streitfall der Kläger--, aufgelöst werden kann (BFH-Urteil vom 23. März 2011 X R 45/09, BFHE 233, 416, BStBl II 2011, 778, m.w.N.).
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III.
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Die Revision ist hinsichtlich der Einkommensteuer 1997 und des Gewerbesteuermessbetrags 1997 begründet, sie führt insoweit zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Erlöse aus der Veräußerung der Grundstücke als Betriebseinnahmen zu erfassen sind. Denn die Grundstücke gehörten --wie unter II. dargelegt-- auch nach der Änderung des Gesellschaftsvertrages der GmbH am 29. November 1994 weiterhin zum Betriebsvermögen des Klägers, weil die zum 1. Januar 1994 begründete Betriebsaufspaltung bis zur Veräußerung der Grundstücke andauerte.
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2. Der Senat kann aber nicht beurteilen, ob das FG zu Recht entschieden hat, dass eine Neutralisierung des aus der Veräußerung der Grundstücke entstandenen Gewinns durch Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG nicht in Betracht komme, weil keine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich vorliege, aus der die Bildung und Auflösung der Rücklage ersichtlich sei (sog. Buchnachweis, § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 EStG).
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a) Das FG-Urteil führt aus, der Kläger habe die Einkünfte bislang nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Das wird jedoch nicht durch die tatsächlichen Feststellungen des Urteils gedeckt. Denn die vom FG beschriebene Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten durch den Kläger ist grundsätzlich keine Einnahmenüberschussrechnung i.S. von § 4 Abs. 3 EStG (BFH-Urteil vom 16. September 2009 X R 48/07, BFH/NV 2010, 212, betr. gewerblicher Grundstückshandel).
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Sofern ein Gewinnermittlungswahlrecht bestand, hat sich der Kläger nicht dadurch für eine Gewinnermittlungsmethode entschieden, indem er lediglich (vermeintliche) Einnahmen und Werbungskosten seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufzeichnete. Ob das Wahlrecht auch dann zugunsten der Einnahmenüberschussrechnung ausgeübt wird, wenn dem Steuerpflichtigen das Bewusstsein fehlt, einen Gewinn zu ermitteln, er aber bei der Ermittlung (vermeintlicher) Überschusseinkünfte die Minimalanforderungen der Einnahmenüberschussrechnung erfüllt (dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 212), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn das FG hat zum Inhalt der vom Kläger geführten Aufzeichnungen keine Feststellungen getroffen (z.B.: Verzeichnis des Anlagevermögens, § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG).
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b) Sollte der Kläger das Wahlrecht dagegen bereits zugunsten der Einnahmenüberschussrechnung ausgeübt haben, kam die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragte "Rücklage nach § 6b EStG in Höhe des Veräußerungsgewinns" nicht in Betracht. Sein Antrag wäre dann aber dahin auszulegen gewesen, dass eine Neutralisierung des Gewinns aus der Veräußerung der Grundstücke durch einen Abzug nach § 6c Abs. 1 Nr. 2 EStG begehrt wurde, der (lediglich) voraussetzt, dass eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG gebildet werden kann. Die Voraussetzungen des § 6c Abs. 1 Nr. 2 EStG hat das FG nicht geprüft.
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c) Wurde das unbefristete Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung noch nicht ausgeübt, dann könnte nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFH/NV 2010, 212 auch jetzt noch der Gewinn entweder durch Einnahmenüberschussrechnung oder durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt werden. Im zweiten Rechtsgang könnte sich der Kläger dann auch bemühen, die Voraussetzungen des § 6c EStG oder des § 6b EStG zu schaffen und darzulegen.
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