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BFH 19.07.2012 - XI B 26/12
BFH 19.07.2012 - XI B 26/12 - Kein Billigkeitserlass für Nachzahlungszinsen, wenn in einer Rechnung offen ausgewiesene USt nicht abgeführt wurde
Normen
§ 227 AO, § 233a AO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 14 Abs 2 S 1 UStG 1993, § 14 Abs 3 S 1 UStG 1993
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 26. Januar 2012, Az: 5 K 268/11, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Führt ein Unternehmer entgegen der gesetzlichen Verpflichtung in einer Rechnung offen ausgewiesene USt nicht an das FA ab, entspricht eine Zinsfestsetzung für den Ausgleich des Liquiditätsvorteils dem Sinn und Zweck der Regelung in § 233a AO. Daher besteht insoweit kein Anspruch auf einen Erlass der Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 227 AO .
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2. NV: Für die Zinsfestsetzung und damit auch für einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen ist es unerheblich, ob der Rechnungserteilung tatsächlich ein Leistungsaustauschverhältnis zugrunde gelegen hat, ob die Zinsvorteile gezogen wurden und ob die offen ausgewiesene USt letztlich vereinnahmt wurde .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) unterhielt bis 2003 einen Montagebaubetrieb in X.
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In den Jahren 1994 und 1995 errichtete er für die Familie seiner Tochter einen Reitstall sowie eine Reithalle und nahm Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten an deren Wohnhaus vor. Der Kläger erteilte im Juni 1995 eine Rechnung über 75.591,09 DM brutto mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer für die Stahlkonstruktion der Reithalle.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erfuhr durch eine Anzeige von dieser Bautätigkeit. Das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Y war nach einer durchgeführten Prüfung der Auffassung, dass die Umsätze des Klägers aus dieser Bautätigkeit im Jahr 1994 um 87.800 DM und im Jahr 1995 um 71.795 DM zu erhöhen seien. Das FA erließ im Juli 2005 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1994 und für 1995.
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Im Jahr 2010 berichtigte der Kläger die Rechnung vom Juni 1995, nachdem er das entsprechende Entgelt von der Familie seiner Tochter nicht vereinnahmt hatte. Das FA hatte insoweit die zuvor beantragte Änderung der Besteuerungsgrundlagen wegen Uneinbringlichkeit der Forderung abgelehnt, weil es die Auffassung vertrat, dass die nunmehr vorliegende Schenkung als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern sei.
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Das FA lehnte den im Oktober 2010 gestellten Antrag auf Erlass der Zinsen und Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1995 mit Bescheid vom Januar 2011 ab. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Im Termin zur mündlichen Verhandlung im anschließenden Klageverfahren erließ das FA die Hälfte der Säumniszuschläge in Höhe von 3.419 €, mithin 1.710 €. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
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Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet.
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
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a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln, die im Revisionsverfahren geklärt werden kann. Am Klärungsbedarf fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH beantwortet werden kann und keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. August 2008 XI B 192/07, BFH/NV 2008, 2065, und vom 6. April 2005 V B 60/04, BFH/NV 2005, 1976).
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b) Der Kläger hält folgende Rechtsfrage für klärungsbedürftig:
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"Sind festgesetzte Nachzahlungszinsen nach § 233a AO im Rahmen einer erfolgten Rechnungskorrektur im Wege des sachlichen Billigkeitserlasses in dem Fall zu erlassen, wenn bei einer Versteuerung nach vereinbarten Entgelten feststeht, dass der aus dem rein formalen Akt der Rechnungsstellung entstehenden Umsatzsteuer kein tatsächlicher Leistungsaustausch im Sinne des UStG zugrunde liegt und es zu einer tatsächlichen Zahlung der Rechnung und damit zu einem Liquiditätsvorteil bis zur Rechnungsberichtigung daher nicht gekommen ist?"
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c) Diese vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht (mehr) klärungsbedürftig.
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Das FG hat seine Entscheidung zu Recht darauf gestützt, dass der Kläger nach § 14 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) jedenfalls verpflichtet gewesen sei, die in der Rechnung vom Juni 1995 offen ausgewiesene Umsatzsteuer an das FA abzuführen. Der Liquiditätsvorteil aus der gleichwohl nicht an das FA entrichteten Umsatzsteuer bis zur Berichtigung der Rechnung in 2010 habe daher dem Sinn und Zweck der Festsetzung von Zinsen i.S. des § 233a der Abgabenordnung (AO) entsprochen, so dass kein Anspruch auf einen Erlass der Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 227 AO bestanden habe. Die Rechtsauffassung des FG steht insoweit im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1976; BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 V R 66/00, BFH/NV 2003, 591). Ferner bestimmt § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG, dass derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, jedenfalls den ausgewiesenen Betrag schuldet.
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Daraus ergibt sich, dass es entgegen der Rechtsauffassung des Klägers für die Zinsfestsetzung nach § 233a AO und damit auch für den begehrten Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nicht darauf ankommt, ob der Rechnungserteilung tatsächlich ein Leistungsaustauschverhältnis zugrunde gelegen hat. Auch ist es nach der bereits vorliegenden Rechtsprechung unmaßgeblich, ob die Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39, m.w.N.). Daher ist es entgegen der Rechtsauffassung des Klägers im Streitfall auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger die offen ausgewiesene Umsatzsteuer tatsächlich vereinnahmt hat.
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Der Kläger hat insoweit keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine erneute Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen erfordern würden.
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