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BFH 27.06.2012 - VII S 19/12
BFH 27.06.2012 - VII S 19/12 - Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts für eine Nichtzulassungsbeschwerde - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist - Bewilligung von Prozesskostenhilfe - Vertretungszwang - Gerichtskosten
Normen
§ 56 FGO, § 116 Abs 3 S 1 FGO, § 142 FGO, § 78b Abs 1 ZPO, § 117 Abs 2 ZPO, § 62 Abs 4 FGO, § 116 Abs 3 S 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 9. Februar 2012, Az: 3 K 3067/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: § 78b Abs. 1 ZPO (Beiordnung eines Notanwalts) ist nach § 155 FGO im Verfahren vor dem BFH sinngemäß anzuwenden .
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2.NV: Die Beiordnung eines Rechtsanwalts setzt voraus, dass sich der Antragsteller bei einer von den Umständen des Einzelfalles abhängenden Anzahl von zur Vertretung vor dem BFH befugten Personen ernsthaft und ohne Vorbedingungen um die Übernahme des Mandats bemüht hat .
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3. NV: Ist die Frist für das einzulegende Rechtsmittel verstrichen, so scheitert die Bestellung eines Notanwalts an der mangelnden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels, wenn der Antragsteller innerhalb Beschwerdebegründungsfrist nicht zumindest in laienhafter Weise einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt hat .
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4. NV: Bei dem Verfahren zur Beiordnung eines Notanwalts handelt es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren, für das Gerichtsgebühren nicht entstehen .
Gründe
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Der Senat versteht das Begehren des Antragstellers "einen Notanwalt zu stellen, der das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ... betreibt sowie dazu bereit ist, ein PKH-Verfahren aufzunehmen" als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts i.S. des § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 78b der Zivilprozessordnung (ZPO) und als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) i.S. des § 142 FGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.
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1. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts i.S. des § 78b Abs. 1 ZPO, der nach § 155 FGO auch im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) sinngemäß anzuwenden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. März 1996 VII S 5/96, BFH/NV 1996, 627; vom 5. November 2002 VII S 33/02, nicht veröffentlicht), sind nicht erfüllt. Die Beiordnung eines Notanwalts setzt danach voraus, dass die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
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a) Es kann offenbleiben, ob die vom Antragsteller vorgelegten, die Mandatsübernahme ablehnenden Schreiben geeignet sind zu belegen, dass er sich ernsthaft und ohne Vorbedingungen um die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten bemüht hat (zu dieser Voraussetzung vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 627, m.w.N.).
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b) Offenbleiben kann auch, ob sich die Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde schon daraus ergibt, dass sie bisher nicht eingelegt wurde, die Frist für ihre Einlegung (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) abgelaufen und noch kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist nach § 56 Abs. 1 FGO gestellt worden ist. Jedenfalls kommt Wiedereinsetzung nicht in Betracht, weil das Hindernis für eine wirksame Fristwahrung, das Fehlen eines zur Vertretung bereiten vertretungsbefugten Prozessbevollmächtigten, kein vom Antragsteller unverschuldetes Hindernis darstellen würde.
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Unverschuldet wäre dieses Hindernis nur dann, wenn der Antragsteller alles in seinen Kräften Stehende getan hätte, damit über seinen Antrag auf Bestellung eines Notanwalts ohne Verzögerung entschieden werden könnte. Das folgt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich der erkennende Senat anschließt, daraus, dass einer Partei, welche keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat, nach denselben Grundsätzen Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist zu gewähren ist wie einer solchen Partei, die aus finanziellen Gründen zur Fristwahrung nicht in der Lage war und deshalb PKH beantragt (BGH-Beschluss vom 19. Januar 2011 IX ZA 2/11, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 2011, 323, m.w.N.).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann PKH und damit Wiedereinsetzung in die Nichtzulassungsbeschwerde-Frist nur gewährt werden, wenn der Antragsteller innerhalb der insoweit maßgebenden Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO zumindest in laienhafter Weise einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt hat. Die für die Bewilligung von PKH erforderliche Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde besteht deshalb nicht, wenn sich aus dem PKH-Antrag keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 FGO erkennen lassen (vgl. BFH-Beschluss vom 24. November 2009 II S 21/09 (PKH), BFH/NV 2010, 455, m.w.N.).
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Im Streitfall hat sich der Antragsteller zu den Gründen für die einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde nicht geäußert. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordern könnte. Da dem Antragsteller danach Wiedereinsetzung in die versäumte Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewährt werden könnte und das Rechtsmittel deshalb keine Erfolgsaussicht hat, kann der Antrag auf Bestellung eines Notanwalts keinen Erfolg haben.
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2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, für den kein Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO besteht (BFH-Beschluss vom 16. September 2010 XI S 18/10 (PKH), BFH/NV 2010, 2295) scheitert ebenfalls an der mangelnden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 Satz 1 ZPO), weil die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) durch einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten verstrichen ist.
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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen dieser Fristversäumung kommt im Streitfall auch im Hinblick auf die beantragte PKH nicht in Betracht. Zwar ist einem nicht vertretenen Antragsteller Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn er innerhalb der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH geschaffen hat. Dazu gehört nicht nur, dass er einen fristgerechten Antrag auf Gewährung von PKH stellt, sondern auch, dass er innerhalb der Beschwerdefrist eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt vorlegt (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO; vgl. BFH-Beschluss vom 29. März 2005 VII S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 1582). Auf Unkenntnis kann sich der Antragsteller nicht berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH grundsätzlich selbst kundig machen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 17. März 2009 X S 4/09 (PKH), BFH/NV 2009, 1132, m.w.N.); die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. August 1991 2 BvR 995/91, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 426; z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1132, m.w.N.).
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Der Antragsteller hat die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingereicht. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Beschwerdefrist sind nicht erfüllt.
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3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen im PKH-Verfahren nicht (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO und § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. September 2011 II S 5/11 (PKH), BFH/NV 2012, 239). Bei dem Verfahren zur Beiordnung eines Notanwalts handelt es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren, für das Gerichtsgebühren nicht entstehen (Senatsbeschluss in BFH/NV 1996, 627).
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