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BFH 27.10.2011 - VI R 52/10
BFH 27.10.2011 - VI R 52/10 - Ausbildung zum Rettungssanitäter als Berufsausbildung
Normen
§ 10 Abs 1 Nr 7 EStG 2002, § 9 Abs 1 EStG 2002, § 12 Nr 5 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 6. Mai 2010, Az: 3 K 3347/07 F, Urteil
Leitsatz
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1. Eine erstmalige Berufsausbildung i.S. von § 12 Nr. 5 EStG setzt weder ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz noch eine bestimmte Ausbildungsdauer voraus.
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2. Die Ausbildung zum Rettungssanitäter ist eine erstmalige Berufsausbildung.
Tatbestand
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I. Streitig ist der Umfang der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung als Verkehrsflugzeugführer.
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Der 1984 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte nach dem Abitur den Zivildienst beim Deutschen Roten Kreuz in der Zeit von September 2003 bis Juni 2004 als Rettungssanitäter, nachdem er die entsprechende Ausbildung nach Maßgabe der landesrechtlichen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungssanitäter erfolgreich absolviert hatte.
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Am 3. Januar des Streitjahres (2005) begann der Kläger eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bei der W-GmbH in O. Darüber hinaus schloss er im Juni 2006 mit der W-GmbH einen Ausbildungsvertrag zum Erwerb der Berechtigung für "MCC-Boeing 737" ab, nachdem er sich bereits im Mai 2006 bei der U-GmbH beworben hatte. Seit Dezember 2006 ist er als "Flugzeugführer ARJ" bei der U-GmbH beschäftigt.
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Der Kläger, der im Streitjahr keine Einkünfte i.S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hatte, beantragte mit seiner Einkommensteuererklärung, seine Ausbildungskosten in Höhe von 31.433 € als vorweggenommene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und einen verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2005 in dieser Höhe zu berücksichtigen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 4.000 €. Das FA setzte die Einkommensteuer auf 0 € fest und lehnte mit hier streitigem Bescheid vom 20. Februar 2007 die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 2005 ab.
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Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1496 veröffentlichten Gründen abgewiesen. Nach Auffassung des FG dürfen Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung gemäß § 12 Nr. 5 EStG nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Die Ausbildung des Klägers zum Verkehrsflugzeugführer sei als erstmalige Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift zu beurteilen. Die vorgeschaltete Ausbildung zum Rettungssanitäter sei insoweit keine Berufsausbildung.
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Mit der dagegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, den Bescheid des FA vom 20. Februar 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2007 aufzuheben und das FA zu verpflichten, zum 31. Dezember 2005 einen Verlustabzug zur Einkommensteuer in Höhe von 31.417 € festzustellen.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für seine Ausbildung als Berufspilot zu Unrecht vom Abzug als (vorweggenommene) Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ausgeschlossen. Die Sache ist allerdings nicht entscheidungsreif. Denn das FG hat zur Höhe der dem Kläger im Einzelnen entstandenen Kosten keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
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1. Werbungskosten, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen. Diese Voraussetzungen können auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen erfüllt sein. Denn § 9 EStG enthält keine Sonderregelung zu Berufsausbildungskosten. Entscheidend bleibt, ob die Aufwendungen einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Berufstätigkeit aufweisen.
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2. Der Werbungskostenabzug ist gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig. Das ist ein allgemeiner, für alle Sonderausgaben durch den Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 EStG normierter Grundsatz. Deshalb steht § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dem Abzug der Berufsbildungskosten als Werbungskosten nicht entgegen. Denn Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung sind nur dann Sonderausgaben, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind" (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juli 2011 VI R 38/10, BFHE 234, 279, www.bundesfinanzhof.de, BFH/NV 2011, 1782).
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3. Entgegen der Auffassung des FG kommt § 12 Nr. 5 EStG im Streitfall schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der Kläger vor Beginn seiner Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer eine (erste) Berufsausbildung im Sinne der Vorschrift absolviert hatte.
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a) Der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung wird vom Gesetz nicht näher beschrieben (s. § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 5, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (s. etwa BFH-Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; s. auch Söhn, Steuer und Wirtschaft 2002, 97). Gegenbegriff zur Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für eine geplante Berufsausübung darstellt (BFH-Urteil vom 15. März 2007 VI R 14/04, BFHE 217, 450, BStBl II 2007, 814; Pfab, Die Behandlung von Bildungsaufwendungen im deutschen Einkommensteuerrecht, Frankfurt/Main, 2008, 246).
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Nach Auffassung des Senats liegt eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige im dualen System oder innerbetrieblich Berufsbildungsmaßnahmen durchläuft (Senatsentscheidung vom 18. Juni 2009 VI R 79/06, www.bundesfinanzhof.de). Ebenso wenig setzt der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz und eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren voraus, wie das FG meint. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen. Deshalb ist auch die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer (Pilot) eine Berufsausbildung in diesem Sinne. Dabei ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob die Ausbildung zum Erwerb einer Musterberechtigung für ein bestimmtes Verkehrsflugzeug eine zweite Ausbildung darstellt oder Teil einer einheitlichen Ausbildung ist (s. dazu BFH-Urteil vom 4. März 2010 III R 23/08, BFH/NV 2010, 1264).
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b) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger mit der Ausbildung zum Rettungssanitäter eine Berufsausbildung i.S. des § 12 Nr. 5 EStG absolviert. Der Beruf des Rettungssanitäters, der regelmäßig als Vollerwerbstätigkeit ausgeübt wird (s. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1264), setzt eine mehrmonatige, landesrechtlich geregelte Ausbildung voraus. Im Streitfall war die für das Land Nordrhein-Westfalen geltende Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter vom 25. Januar 2000 maßgeblich. Entgegen der Auffassung des FA ist es ohne Belang, dass der Kläger die Ausbildung während der Zivildienstzeit durchlaufen und auch nur in diesem Zeitraum den Beruf ausgeübt hat.
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4. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Senats auch Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbar, sofern ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der späteren auf Einkünfteerzielung gerichteten Berufstätigkeit besteht (s. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1782). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest (a.A. Reiß, Finanz-Rundschau --FR-- 2011, 863; Ismer, FR 2011, 846; s. auch Kanzler, FR 2011, 862).
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5. Die Sache ist nicht spruchreif.
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Zwar sind nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze die vom Kläger geleisteten Aufwendungen für seine (Zweit-)Ausbildung zum Berufspiloten dem Grunde nach vorweggenommene Werbungskosten. Denn es besteht ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen diesen Aufwendungen und der nachfolgenden Berufstätigkeit des Klägers als Pilot sowie den daraus erzielten Einkünften (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1782).
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Das FG hat aber zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Kosten keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
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