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BFH 08.08.2011 - XI B 53/11
BFH 08.08.2011 - XI B 53/11 - Nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellter Protokollergänzungsantrag unzulässig - Beschwerde gegen Ablehnung der Protokollberichtigung - Überraschungsentscheidung
Normen
§ 93 FGO, § 94 FGO, § 119 Nr 3 FGO, § 159 ZPO, § 160 Abs 1 ZPO, § 160 Abs 2 ZPO, § 160 Abs 3 ZPO, § 160 Abs 4 ZPO, § 164 ZPO
Vorinstanz
vorgehend FG München, 4. Mai 2011, Az: 3 K 1429/09, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Ein Protokollergänzungsantrag, der sich auf "Vorgänge" während der Verhandlung oder Beweisaufnahme oder bestimmte Äußerungen eines Beteiligten bezieht, ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen .
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2. NV: Der Inhalt und Umfang der tatsächlichen Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Beteiligten gehört nicht zu den in die Niederschrift aufzunehmenden Vorgängen der Verhandlung .
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3. NV: Ist eine Rechtsfrage im Verfahren bereits erörtert worden, liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor .
Tatbestand
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I. Das Finanzgericht (FG) lehnte den von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) nach Abweisung ihrer Klage erhobenen Antrag zu 2 auf Protokollberichtigung als unzulässig ab.
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Die Klägerin hatte beantragt, anstelle der Passage "Der Vertreter der Klägerin macht Ausführungen zur Sach- und Rechtslage im Wesentlichen aus seinen Schriftsätzen" folgende Formulierung in das Protokoll aufzunehmen:
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"Der Vertreter der Klägerin macht Ausführungen zur Sach- und Rechtslage. Über die Ausführungen in seinen Schriftsätzen hinaus weist er auf den Beschluss des BVerfG vom 26.02.1993 hin, wonach die Erklärung der Aufrechnung nach § 388 BGB nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum nicht die Wahl bestimmter Worte erfordere. Er stellt die Frage, ob das Gericht dies anders sehe. Ein Rechtsgespräch zu materiellen Themen findet nicht statt."
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Das FG war der Auffassung, es handele sich um einen unzulässigen Antrag auf Protokollergänzung.
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Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Sie führt aus, ihre Beschwerde sei ausnahmsweise statthaft, weil die Protokollberichtigung fälschlicherweise als unzulässig abgelehnt worden sei (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 94 Rz 21, m.w.N.). Die behauptete Verletzung der Protokollierungspflicht sei für das fehlerhafte Urteil des FG ursächlich. Im Streitfall habe tatsächlich keine Erörterung der Sach- und Rechtslage stattgefunden, weil materiell-rechtliche Fragen mit den Beteiligten überhaupt nicht besprochen worden seien. Dies habe zu einer unzulässigen Überraschungsentscheidung geführt. Denn der entscheidende Punkt, dass das FG aufgrund seiner Auslegung der getroffenen Abschlussvereinbarung zu keiner Aufrechnung komme, sei zu keiner Zeit des Verfahrens je mit ihr, der Klägerin, besprochen worden.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet, weil das FG den Antrag zu 2 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat.
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a) Das FG hat insoweit ausgeführt, der Antrag der Klägerin sei nach Abschluss der mündlichen Verhandlung unzulässig. Denn es handele sich insoweit um die nachträglich begehrte Aufnahme von Vorgängen und Äußerungen, die nicht von § 160 Abs. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) erfasst seien.
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b) Die Rechtsauffassung des FG ist zutreffend.
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Nach § 94 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gelten für die Niederschrift die §§ 159 bis 165 ZPO entsprechend. Ein Protokollergänzungsantrag, der sich --wie im Streitfall-- auf "Vorgänge" während der Verhandlung oder Beweisaufnahme oder bestimmte Äußerungen eines Beteiligten bezieht (§ 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO), ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. September 2005 VIII B 6/04, BFH/NV 2006, 109, und Gräber/ Koch, a.a.O., § 94 Rz 9, m.w.N.). Dies ist nicht geschehen.
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Der Inhalt und Umfang der tatsächlichen Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Beteiligten (vgl. § 93 Abs. 1 FGO) gehört nicht zu den Wesentlichen, in die Niederschrift aufzunehmenden Vorgänge der Verhandlung i.S. des § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO (vgl. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 94 FGO Rz 20, m.w.N.).
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c) Im Übrigen liegt auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor (vgl. dazu im Einzelnen Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10a, m.w.N.).
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Die Rechtsfrage, ob es sich bei der streitbefangenen Abschlussvereinbarung um eine Aufrechnung handelt, ist im Verfahren bereits erörtert worden. So hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) bereits in den Rechtsbehelfsverfahren betreffend frühere Festsetzungszeiträume die Auffassung vertreten, dass die streitbefangene Vereinbarung keine Aufrechnungsvereinbarung sei (vgl. z.B. die Einspruchsentscheidung des FA vom 1. Juli 2008 betreffend Umsatzsteuer 2004 und 2005 u.a.).
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Im Übrigen ist ein FG zur Gewährung rechtlichen Gehörs weder zu einem (umfassenden und ins Einzelne gehenden) Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15. September 2006 IX B 209/05, BFH/NV 2007, 80, m.w.N.).
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