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BFH 04.08.2011 - III R 22/10
BFH 04.08.2011 - III R 22/10 - (Erbschaft nach einem Elternteil kein kindergeldrechtlicher Bezug - Bezug i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG)
Normen
§ 2 Abs 2 EStG 2002, § 32 Abs 4 S 2 EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 4. März 2010, Az: 10 K 128/08, Urteil
Leitsatz
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Die Beteiligung am Nachlass nach einem verstorbenen Elternteil führt nicht zu einem Bezug des Kindes i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater von S und C, die sich im Jahr 2006 in Ausbildung befanden. Im Mai 2006 verstarb die Mutter der Söhne, die frühere Ehefrau des Klägers. Zum Nachlass der Erblasserin, an dem die Söhne zu je 3/8 beteiligt waren, gehörten zwei Eigentumswohnungen, Wertpapiere (ca. 140.000 €), Bausparguthaben (ca. 42.000 €), Lebensversicherungen sowie Guthaben bei Kreditinstituten (ca. 31.000 €).
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Der Kläger bezog bis Juli 2007 Kindergeld für S. Im Mai 2007 beantragte er auch für C Kindergeld für den Zeitraum Juni bis Dezember 2006. Bis Mai 2006 hatte die Mutter Kindergeld für C erhalten. Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Antrag für C durch Bescheid vom 2. Januar 2008 ab. Außerdem hob sie durch Bescheid vom selben Tag die Kindergeldfestsetzung für S für den Zeitraum Januar bis Dezember 2006 auf. Die Familienkasse war der Ansicht, unter Berücksichtigung der Erbschaft hätten die jeweiligen Einkünfte und Bezüge von S und C den Jahresgrenzbetrag von 7.680 € nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 2006 geltenden Fassung (EStG) überschritten. Die Einsprüche des Klägers hatten keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage statt (Urteil vom 4. März 2010 10 K 128/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1136). Es hob den S betreffenden Aufhebungsbescheid auf und verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für C für den Zeitraum Juni bis Dezember 2006 zu gewähren. Es war der Ansicht, die Mittel aus der Erbschaft seien nicht als Bezüge anzusehen. Die Familienkasse habe zu Recht die Eigentumswohnungen außer Betracht gelassen. Gleiches habe für die Wertpapiere, Lebensversicherungen und Bausparverträge zu gelten, da diese als Kapitalanlage bzw. Altersvorsorge dienten und nicht für den Lebensunterhalt bestimmt seien. Die kurzfristig verfügbaren Mittel von S und C auf Konten und Sparbüchern von jeweils mehr als 10.000 € seien zwar zur Bestreitung des Unterhalts geeignet, sie seien jedoch deshalb nicht anzusetzen, weil sie von einem grundsätzlich kindergeldberechtigten und unterhaltsverpflichteten Elternteil stammten und aus diesem Grund nicht als Bezug in Betracht kämen. Wenn freiwillige Zuwendungen von Eltern an ihre Kinder nicht zu den Bezügen zu zählen seien, so müsse dies auch für Zuwendungen von Todes wegen gelten.
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Zur Begründung der Revision trägt die Familienkasse vor, die Grundsätze über die kindergeldrechtliche Behandlung von Zuwendungen von Eltern an ihre Kinder seien auf Erbschaften nach einem Elternteil nicht anzuwenden. Der Gedanke der Praktikabilität, der dafür spreche, Zuwendungen unter Lebenden außer Betracht zu lassen, komme hier nicht zum Tragen. Da die Unterhaltsverpflichtung mit dem Tod ende, könne eine Erbschaft keine Unterhaltsleistung mehr sein.
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Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Es sei sachgerecht, Vermögensverschiebungen zwischen Eltern und Kindern in einem Raum zu belassen, der sich der staatlichen Einflussnahme entziehe. Die besondere Eltern-Kind-Beziehung bestehe über den Tod der Eltern oder eines Elternteils hinaus fort, gerade auch in seinen finanziellen Aspekten. Es wäre mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar, wenn freiwillige Zuwendungen lebender Eltern an ihre Kinder bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Kindes außer Betracht blieben, nicht aber der Vermögenszufluss aus der Erbschaft nach einem verstorbenen Elternteil.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend die Mittel, welche die Söhne des Klägers aus der Erbschaft nach ihrer Mutter erlangten, nicht als Bezüge i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG beurteilt.
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1. Für ein nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG zu berücksichtigendes Kind wird nur dann nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 EStG Kindergeld gewährt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 € (Jahr 2006) hat (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
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2. Einkünfte sind solche i.S. von § 2 Abs. 2 EStG, zu den Bezügen gehören alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden (z.B. Senatsurteile vom 29. Mai 2008 III R 33/06, BFH/NV 2008, 1664; vom 28. Mai 2009 III R 8/06, BFHE 225, 141, BStBl II 2010, 346).
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a) Nicht einzubeziehen sind Unterhaltsleistungen der Eltern an ihre Kinder (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs 63.4.2.3.1 Abs. 3 Nr. 3, BStBl I 2009, 1030; Schmidt/Loschelder, EStG, 30. Aufl., § 32 Rz 54). Ebenso wenig sind freiwillige, über die gesetzliche Unterhaltspflicht hinausgehende Leistungen eines Elternteils als Bezüge des Kindes anzusetzen. Sie beeinflussen die Kindergeldberechtigung des anderen Elternteils nicht. Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder sind bei Ermittlung der Bezüge des Kindes i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG allgemein außer Betracht zu lassen, anzusetzen sind allein Zuflüsse "von außen", sofern sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind.
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b) Ein Zufluss von Vermögenswerten, der bei einem Kind dadurch eintritt, dass er einen Elternteil beerbt, ist für Zwecke der Freibetragsgewährung nach § 32 Abs. 6 EStG und des Kindergeldes nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 EStG ebenso außer Betracht zu lassen wie Schenkungen seitens der Eltern zu deren Lebzeiten. Auch im Erbfall nach einem Elternteil liegt kein Zufluss von dritter Seite vor.
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c) Dieses Ergebnis vermeidet rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn der Nachlass keine oder nur geringe liquide Mittel enthält, die das Kind für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einsetzen könnte. Es braucht daher nicht im Einzelfall entschieden zu werden, in welchem Umfang ein Kind gehalten ist, ererbte liquide Mittel zu verbrauchen, ebenso wenig, ob es verpflichtet ist, nicht liquide Nachlassgegenstände zu verwerten. Zudem wäre es insbesondere dann, wenn der überlebende kindergeldberechtigte Elternteil mit den Kindern eine Erbengemeinschaft bildet, nicht sachgerecht, ihm die Beteiligung seiner Kinder am Nachlass entgegenzuhalten.
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3. Im Streitfall führte die Nachlassbeteiligung der Söhne des Klägers nicht zu einem Überschreiten der Einkünfte- und Bezügegrenze nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Das FG hat zu Recht der Klage stattgegeben.
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