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BFH 04.05.2011 - VII S 61/10
BFH 04.05.2011 - VII S 61/10 - Streitwert bei Aussetzung der Vollziehung von Haftungsbescheiden und in Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Forderungspfändung
Normen
§ 52 Abs 1 GKG, § 191 AO
Tatbestand
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I. Der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) war mit einem Geschäftsanteil von 37,5 % als Kommanditist an der Firma X-GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Geschäftsführender Komplementär war die Firma X-GmbH. Die KG betrieb auf einem seit dem 2. Juli 2002 im Eigentum einer anderen GmbH & Co. KG stehenden Grundstück einen …handel. Dieses Grundstück ist mit einem Erbbaurecht mit Veräußerungsbeschränkung durch Zustimmung des Grundstückseigentümers zugunsten der Firma A-KG belastet. Der Antragsteller und Herr Z sind an der A-KG als Kommanditisten und an der Komplementär-GmbH zu je 50 % beteiligt. Die A-KG überließ das Grundstück mit Gebäude pachtweise der KG.
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Im Oktober 2001 wurde die KG zahlungsunfähig. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 1. Januar 2002 wurde über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Wegen rückständiger Umsatzsteuer der KG für das Jahr 2000 und für Dezember 2001 erließ der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) am 24. Mai 2004 zwei auf § 74 der Abgabenordnung (AO) gestützte Haftungsbescheide, in denen die Haftung gegenständlich auf das Erbbaurecht am Grundstück beschränkt wurde. In Bezug auf den Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer für das Jahr 2000 erließ das FA zugleich gemäß § 219 AO eine Zahlungsaufforderung.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Antragsteller zu Recht als Haftungsschuldner nach § 74 AO in Anspruch genommen worden sei.
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Das FG hat in seiner Entscheidung die Revision zugelassen, die der Antragsteller mit Schriftsatz vom 6. Mai 2010 eingelegt hat (beim Bundesfinanzhof --BFH-- geführt unter dem Az. VII R 29/10).
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Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 6. Dezember 2010 hat das FA den Anteil des Antragstellers als Gesellschafter an dem Gesellschaftsvermögen der A-KG unter Einschluss des Auseinandersetzungsguthabens sowie dessen Anspruch auf Auszahlung der ihm von der Gesellschaft darlehensweise oder aufgrund anderer Vereinbarung hingegebenen oder belassenen Beträge gepfändet und die Einziehung verfügt.
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Unter Bezugnahme auf die Revisionsbegründung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2010 gemäß § 69 der Finanzgerichtsordnung die Anträge gestellt, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA vom 6. Dezember 2010 aufzuheben und die Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheids vom 24. Mai 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2007 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
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Der beschließende Senat hat mit Beschluss vom 7. Januar 2011 VII S 61/10 antragsgemäß entschieden.
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Der Antragsteller begehrt die Festsetzung des Streitwerts. Er ist der Ansicht, dass die von ihm gestellten Anträge getrennt zu würdigen seien und dass der Streitwert hinsichtlich beider Anträge insgesamt 903.232,50 € betrage. Dabei sei hinsichtlich des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) von einem Streitwert in Höhe von 25 % der Haftungssumme auszugehen. Auf entsprechende Nachfrage des Berichterstatters hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. April 2011 mitgeteilt, dass wesentlicher Vermögensgegenstand der A-KG das Erbbaurecht sei, das noch 49 Jahre Bestand habe. Der jährliche Erbauzins betrage ca. 170.000 €. Bei einem Bewertungsfaktor von 17,326 ergebe sich ein rechnerischer Wertansatz für das Erbbaurecht, der die Haftungssumme bei weitem übersteige. Im Übrigen verfüge die A-KG über erhebliche Vermögenswerte. Ausweislich des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2009 habe sich das Aktivvermögen auf 666.654,13 € belaufen. Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern bestanden in Höhe von 327.861,27 €. Es bestünden daher keine Zweifel, dass die gesamte Haftungssumme aus den gepfändeten Vermögensgegenständen hätte befriedigt werden können.
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Das FA ist dagegen der Ansicht, dass nur der Antrag auf AdV zu berücksichtigen sei. Dieser betrage lediglich 10 % der Haftungssumme; folglich 60.215 €. Das Anlagevermögen der A-KG sei mit einem Buchwert von 129.569 € bilanziert worden. Zum 31. Dezember 2009 habe die Kommanditeinlage des Antragstellers 150.000 € betragen, die Forderung gegenüber der Gesellschaft sei mit 163.930 € ausgewiesen worden. Aus der Bilanz sei der aktuelle Wert des Erbbaurechts sowie der Forderung gegenüber der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Pfändung nicht ersichtlich.
Entscheidungsgründe
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II. Der Streitwert des Verfahrens war insgesamt auf 664.757 € festzusetzen.
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1. Nach § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) setzt in der Finanzgerichtsbarkeit das Prozessgericht den Wert des Streitgegenstands durch Beschluss fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet.
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2. In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG).
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a) Im Streitfall hat der Antragsteller zwei voneinander getrennt zu beurteilende Anträge gestellt. Zum einen begehrte er AdV eines Haftungsbescheids, zum anderen die Aufhebung einer bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahme. Aus der AdV des angefochtenen Haftungsbescheids folgt nicht ohne Weiteres, dass mit dieser Entscheidung auch die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung als aufgehoben zu betrachten ist. Vielmehr bedarf es zur Aufhebung dieses Verwaltungsakts einer gesonderten Anordnung des Gerichts, die der Senat auch getroffen hat. Daraus folgt, dass die beiden Anträge hinsichtlich ihres jeweiligen Streitwerts getrennt zu würdigen sind.
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b) Will ein Haftungsschuldner die Aufhebung eines Haftungsbescheids erreichen, ist für die Festsetzung des Streitwerts die im Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung festgestellte Haftungssumme maßgeblich (Senatsbeschluss vom 24. November 1994 VII E 7/94, BFH/NV 1995, 720). In Rechtsstreitigkeiten über die AdV von Steuerbescheiden beträgt der Streitwert nach ständiger Rechtsprechung des BFH regelmäßig 10 % des Betrags, für den die AdV beantragt wird (BFH-Beschluss vom 26. April 2001 V S 24/00, BFHE 194, 358, BStBl II 2001, 498, und Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Vor § 135 Streitwert-ABC Aussetzung der Vollziehung). Diese Rechtsprechung ist auf die AdV von Haftungsbescheiden zu übertragen. Im Streitfall hat das FA die Haftungssumme für Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum 2001 auf 602.155 € festgesetzt. Darüber hinaus hat es in Bezug auf die Umsatzsteuer 2000 ein Leistungsgebot über 2.170 € erlassen. Der Streitwert für den AdV-Antrag beträgt demnach 10 % von 604.325 €, also 60.432 €.
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c) In Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Forderungspfändung ist der Streitwert im Allgemeinen nach dem Betrag zu bemessen, zu dessen Beitreibung die Pfändung ausgebracht worden ist, also nach der Höhe der zu vollstreckenden Forderung (Senatsbeschluss vom 26. Januar 1998 VII B 180/96, BFH/NV 1998, 879). Etwas anderes gilt nur, wenn die Vollstreckung hinsichtlich dieser Forderung nicht zum vollen Erfolg führt und sich der Wert der gepfändeten Forderung als niedriger erweist. In diesem Fall ist der Streitwert lediglich nach dem tatsächlichen finanziellen Erfolg der Pfändungsverfügung zu bemessen (Senatsbeschluss in BFH/NV 1998, 879). Im Streitfall hat die Pfändung zum Erfolg geführt, nämlich zur Pfändung des Anteils des Antragstellers am Gesellschaftsvermögen der A-KG unter Einschluss des Auseinandersetzungsguthabens sowie des Anspruchs auf Auszahlung der von der Gesellschaft darlehensweise oder aufgrund anderer Vereinbarung hingegebenen oder belassenen Beträge. Bei einer solch umfangreichen Pfändung ist es gerechtfertigt, als Streitwert den Betrag anzunehmen, zu dessen Beitreibung die Vollstreckungsmaßnahme getroffen worden ist (im Streitfall 604.325 €), zumal die ergänzenden Ausführungen des Antragstellers zur Höhe des Erbbauzinses, zur verbleibenden Restlaufzeit und zu den Vermögensverhältnissen der A-KG die Werthaltigkeit der gepfändeten Forderungen und Rechte belegen. Deren Verwertung hätte zur vollständigen Beitreibung der sich aus dem angefochtenen Haftungsbescheid ergebenden Forderungen offensichtlich ausgereicht.
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