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BFH 01.09.2010 - V R 6/10
BFH 01.09.2010 - V R 6/10 - Umsatzsteuer: Pkw-Nutzung durch Mitglieder einer Sozietät für Fahrten zwischen Wohnung und Kanzlei - Vorliegen einer entgeltlichen Leistung - Unionsrechtlicher Grundsatz der Gleichbehandlung
Normen
§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 1999, Art 2 Nr 1 EWGRL 388/77
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 14. Januar 2010, Az: 5 K 411/05, Urteil
Leitsatz
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NV: Stellt eine Sozietät ihren Mitgliedern Pkws für Fahrten zwischen Wohnort und Kanzlei zur Verfügung und belastet sie hierfür deren Privatkonten, liegt ein steuerbarer und steuerpflichtiger Leistungsaustausch vor .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Steuerberatungssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), vermietete in den Streitjahren 2000 bis 2003 PKW, die sich in ihrem Gesamthandsvermögen befanden, an ihre Gesellschafter. Nach den Mietverträgen zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern waren letztere aufgrund der Vermietung zur Privatnutzung der PKW berechtigt. Die Gesellschafter hatten nach den Mietverträgen hierfür ein Entgelt zu entrichten, das der Höhe nach der 1 %-Regelung oder den sich bei Führung eines Fahrtenbuches der Privatnutzung zuzuordnenden Kosten entsprach. In Höhe dieses Entgelts belastete die Klägerin die bei ihr geführten Privatkonten der Gesellschafter.
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Darüber hinaus nutzten die Gesellschafter der Klägerin die ihnen überlassenen PKW für die Fahrten zwischen ihrem jeweiligen Wohnort und dem Büro der Sozietät. Die Klägerin belastete auch insoweit die Privatkonten ihrer Gesellschafter, ohne dass dem eine ausdrückliche vertragliche Regelung zugrunde lag.
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Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die von der Klägerin gestattete Nutzung der PKW nicht nur auf die Privatnutzung, sondern auch die Fahrten zwischen dem jeweiligen Wohnort und dem Sozietätsbüro umfasste und änderte die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre entsprechend.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass die Klägerin mit der Vermietung an ihre Gesellschafter entgeltliche Leistungen erbracht habe. Die Belastung des Privatkontos sei einer Bezahlung und damit einem Entgelt gleichzustellen. Zum Entgelt gehörten auch die gleichfalls auf dem Privatkonto gebuchten Fahrten zwischen Wohnort und Sozietätsbüro. Auf die Abziehbarkeit der Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) komme es umsatzsteuerrechtlich nicht an. Die Gesellschafter der Klägerin seien wie Arbeitnehmer zu behandeln.
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Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 755 veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Nach § 4 Abs. 5 EStG nichtabzugsfähige Betriebsausgaben seien umsatzsteuerrechtlich nicht zu erfassen. Diese seien nur zur ertragsteuerrechtlichen Gewinnkorrektur gesondert gebucht worden, ohne dass insoweit eine Vermietung vorgelegen habe. Das Urteil des FG führe zu einer Umgehung der seit 1. April 1999 bestehenden Nichtbesteuerung der nichtabzugsfähigen Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte. Der steuerliche Grundsatz der Neutralität und der Grundsatz der Rechtsformneutralität sei verletzt, da Gesellschafter einer Personengesellschaft anders behandelt würden als ein Einzelunternehmer, der gleichfalls seine Geschäfte selbständig führe. Auch beim Einzelunternehmer erfolge die Gewinnkorrektur zu Lasten des Privatkontos ohne umsatzsteuerrechtliche Folgen. Ihre Gesellschafter seien weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Personen.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des FG aufzuheben sowie sinngemäß die Umsatzsteuerbescheide vom 30. Juni 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. November 2005 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2000 auf … €, die Umsatzsteuer 2001 auf … €, die Umsatzsteuer 2002 auf … € und die Umsatzsteuer 2003 auf ... € festgesetzt wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FA verteidigt das Urteil des FG. Alle Kapitalkontenbelastungen seien umsatzsteuerrechtlich als Entgelt anzusehen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat die PKW, die sich in ihrem Gesamthandsvermögen befinden, an ihre Gesellschafter vermietet. Zu dieser Vermietung gehörte auch die Nutzungsüberlassung für die Fahrten ihrer Gesellschafter zwischen den Wohn- und den Unternehmensorten.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung sind entgeltliche Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften; seit 1. Dezember 2009: Gerichtshof der Europäischen Union --EuGH--).
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Im Streitfall hat die Klägerin die PKW aufgrund der Mietverträge ihren Gesellschaftern unstreitig zur Nutzung für Privatzwecke gegen Entgelt überlassen und hierfür die Privatkonten der jeweiligen Gesellschafter belastet. Entgeltliche Leistungen liegen daher vor.
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2. Zur entgeltlichen Nutzungsüberlassung gehörte auch die Gestattung der Nutzung für die Fahrten zwischen dem jeweiligen Wohnort des Gesellschafters und den Kanzleibüros.
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a) Das Vorliegen einer entgeltlichen Leistung setzt lediglich einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und einem Gegenwert voraus, der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt. Für dieses Rechtsverhältnis kommt es nicht auf den Abschluss eines schriftlichen Vertrages an. Es reicht aus, dass z.B. mündliche Vereinbarungen über die Erbringung der Leistung und das hierfür geschuldete Entgelt vorliegen.
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b) Danach ergibt sich die Leistung der Klägerin an ihre Gesellschafter aus der diesen eingeräumten Gestattung, die PKW auch für die jeweilige Fahrtstrecke zwischen Wohn- und Unternehmensort zu nutzen und das Entgelt in der Belastung des Privatkontos für die entsprechende Nutzungsüberlassung (vgl. z.B. für den umgekehrten Fall der Leistungserbringung durch den Gesellschafter an die Gesellschaft mit Gutschrift auf dem Gesellschafterkapitalkonto BFH-Urteil vom 18. Dezember 2007 V R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612, unter II.4.). Das Fehlen schriftlich abgeschlossener Mietverträge und der Wille der Beteiligten, insoweit nicht von einer entgeltlichen Überlassung auszugehen, führen entgegen der Auffassung der Klägerin zu keiner abweichenden Beurteilung.
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3. Die Besteuerung der entgeltlichen Nutzungsüberlassung für die Fahrten zwischen den Wohn- und den Unternehmensorten verletzt nicht die Grundsätze der steuerlichen Neutralität (Rechtsformneutralität) und der Gleichbehandlung.
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a) Ein Verstoß gegen den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt (EuGH-Urteil vom 23. April 2009 C-460/07, Puffer, BFH/NV 2009, 1056 Rdnr. 53) setzt voraus, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (EuGH-Urteil Puffer in BFH/NV 2009, 1056 Rdnr. 52).
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b) Ohne dass der Senat darüber zu entscheiden braucht, ob Fahrten zwischen Wohn- und Unternehmensort beim Einzelunternehmer zu einer Besteuerung einer sog. Nutzungsentnahme nach § 3 Abs. 9a UStG führen, ergibt sich das Vorliegen unterschiedlicher Sachverhalte bereits daraus, dass der Einzelunternehmer an sich selbst keine entgeltliche Leistung erbringen kann, während Gesellschaft und Gesellschafter nicht identisch sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Januar 1988 X R 48/81, BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557, unter II.3.f; vom 16. Mai 2002 V R 4/01, BFH/NV 2002, 1347, unter II.1.c, und vom 6. September 2007 V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter 3.) und daher entgeltliche Leistungsvorgänge zwischen Gesellschaft und Gesellschafter der Umsatzsteuer unterliegen. Dies verstößt weder gegen den Neutralitäts- noch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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4. Dass nichtabzugsfähige Betriebsausgaben i.S. von § 4 Abs. 5 EStG seit der Streichung des sog. Verwendungseigenverbrauchs in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG a.F. nicht mehr als eigenständiger Besteuerungstatbestand zu erfassen sind, ist für die Besteuerung im Streitfall ohne Bedeutung. Denn ob und unter welchen Voraussetzungen eine steuerbare entgeltliche Leistung vorliegt, hängt nicht vom Umfang der früheren "Eigenverbrauchsbesteuerung" ab. Hierauf käme es nur an, wenn ein Vorgang zugleich als entgeltliche Leistung und unentgeltlicher Vorgang der Besteuerung unterworfen wäre. Eine derartige Doppelbesteuerung kommt grundsätzlich nicht in Betracht und ist auch im Streitfall nicht gegeben.
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