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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BAG 13.12.2016 - 9 AZR 541/15 (A)
BAG 13.12.2016 - 9 AZR 541/15 (A) - Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung
Normen
Art 31 Abs 2 EUGrdRCh, Art 7 Abs 1 EGRL 88/2003, § 7 BUrlG
Vorinstanz
vorgehend ArbG München, 13. November 2014, Az: 13 Ca 7172/14, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht München, 6. Mai 2015, Az: 8 Sa 982/14, Urteil
nachgehend EuGH, 6. November 2018, Az: C-684/16, Urteil
Tenor
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I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen vorgelegt:
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1. Steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) einer nationalen Regelung wie der in § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entgegen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen?
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2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird:
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Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand?
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II. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.
Gründe
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A. Gegenstand des Ausgangsverfahrens
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Der Kläger verlangt vom Beklagten, 51 Urlaubstage aus den Jahren 2012 und 2013 mit einem Betrag iHv. 11.979,26 Euro abzugelten.
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Der Kläger war vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember 2013 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge beim Beklagten als Wissenschaftler beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 bat der Beklagte den Kläger, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der Kläger nahm am 15. November und am 2. Dezember 2013 jeweils einen Tag Erholungsurlaub. Er verlangte mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 vom Beklagten ohne Erfolg die Abgeltung der 51 nicht genommenen Urlaubstage.
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B. Das einschlägige nationale Recht
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Im BUrlG heißt es ua.:
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„§ 7
Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs
(1)
Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
(2)
Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.
(3)
Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. …
(4)
Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“
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Der TVöD enthält folgende maßgebliche Regelung:
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„§ 26
Erholungsurlaub
(1)
… Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.
…“
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C. Einschlägige Vorschriften des Unionsrechts
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Die Richtlinie 2003/88/EG lautet auszugsweise:
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„Artikel 7
Jahresurlaub
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“
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In der GRC heißt es ua.:
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„Artikel 31
Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen
…
(2)
Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“
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D. Erforderlichkeit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Erläuterung der Vorlagefragen
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Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC an.
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Der Beklagte bat den Kläger zwar mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 erfolglos, seinen restlichen Urlaub zu nehmen. Er gewährte diesen jedoch nicht von sich aus, indem er die zeitliche Lage des Urlaubs einseitig und für den Kläger verbindlich festlegte.
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Nach den nationalen Bestimmungen waren die Urlaubsansprüche des Klägers mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013 verfallen. Er hat damit keinen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres. § 7 BUrlG kann nicht so ausgelegt werden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer die bezahlte Freistellung aufzuzwingen, um so den Anspruchsverlust am Ende des Bezugszeitraums zu verhindern. Der Verfall tritt allerdings dann nicht ein, wenn die Übertragungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen. Ist dies nicht der Fall und war der Arbeitnehmer in der Lage, seinen Urlaub im Urlaubsjahr zu nehmen, geht sein Anspruch auf Erholungsurlaub am Ende des Urlaubsjahres unter. Dies gilt zwar auch dann, wenn er von seinem Arbeitgeber rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres die Gewährung des Urlaubs verlangt hatte. Allerdings führt dies nicht zu einem Verlust auf bezahlte Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Gewährt der Arbeitgeber trotz eines rechtzeitigen Urlaubsantrags des Arbeitnehmers diesem keinen Urlaub, tritt an die Stelle des verfallenen Urlaubsanspruchs ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Ersatzurlaub( BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 11 , BAGE 138, 58 ). Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch darauf, dass ihm der Ersatzurlaub im Umfang des verfallenen Urlaubs gewährt wird.
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Zu der Frage zu 1.:
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Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 20. Juli 2016 (- C-341/15 - [Maschek] Rn. 30, 40) zwar festgestellt, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis infolge seines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub hat. Jedoch ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch anerkannt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einer nationalen Regelung, die für die Wahrnehmung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums beinhalten, grundsätzlich nicht entgegensteht, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen (EuGH 30. Juni 2016 - C-178/15 - [Sobczyszyn] Rn. 22; 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 19 , Slg. 2009, I-8405).
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Die zu 1. gestellte Frage ist vom Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht so eindeutig beantwortet worden, dass nicht die geringsten Zweifel an ihrer Beantwortung bestehen. Im Schrifttum wird aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 30. Juni 2016 (- C-178/15 - [Sobczyszyn]) teilweise abgeleitet, der Arbeitgeber sei gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG verpflichtet, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen. Ein Teil der nationalen Rechtsprechung versteht die Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union im Urteil vom 12. Juni 2014 (- C-118/13 - [Bollacke]) so, dass der Mindestjahresurlaub gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG auch dann nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen (vgl. LAG Köln 22. April 2016 - 4 Sa 1095/15 - zu II 3 der Gründe).
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Der Gerichtshof der Europäischen Union ist als gesetzlicher Richter iSd. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV berufen, die Frage abschließend zu klären.
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Zu der Frage zu 2.:
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Sollte der Gerichtshof der Europäischen Union annehmen, die Regelungen in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC seien so auszulegen, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die den Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer den Erholungsurlaub im Bezugszeitraum notfalls aufzuzwingen, muss geklärt werden, ob die Wirkung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder des Art. 31 Abs. 2 GRC auch dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitnehmer bei einer Privatperson beschäftigt war. Dies war hier der Fall. Der Beklagte ist eine gemeinnützige Organisation des Privatrechts, dessen Finanzierung zwar größtenteils aus öffentlichen Mitteln erfolgt, der jedoch nicht mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privaten gelten (vgl. EuGH 12. Juli 1990 - C-188/89 - [Foster ua.] Rn. 20, Slg. 1990, I-3313). Richtlinien wirken zwischen Privatpersonen grundsätzlich nicht unmittelbar (vgl. EuGH 14. Juli 1994 - C-91/92 - [Faccini Dori] Rn. 20 ff., Slg. 1994, I-3325). Die Entscheidung, ob gleichwohl eine unmittelbare Wirkung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC auch im Verhältnis zwischen Privatpersonen anzunehmen ist, obliegt jedoch nicht dem Senat, sondern dem Gerichtshof.
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