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BAG 17.11.2015 - 1 ABN 39/15
BAG 17.11.2015 - 1 ABN 39/15 - Nichtzulassungsbeschwerde - Rechtsfrage - Entscheidungserheblichkeit
Normen
§ 92a ArbGG, § 72 Abs 3 S 2 Nr 1 ArbGG, Art 11 MRK, § 72 Abs 2 Nr 2 ArbGG, Art 103 Abs 1 GG, § 97 Abs 2 ArbGG, § 2 TVG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Gießen, 29. Oktober 2014, Az: 2 BV 8/14, Beschluss
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 9. April 2015, Az: 9 TaBV 225/14, Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde der als „Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG)“ bezeichneten Arbeitnehmerkoalition gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 9. April 2015 - 9 TaBV 225/14 - wird zurückgewiesen.
Gründe
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Die auf sämtliche Beschwerdegründe des § 72 Abs. 2 ArbGG gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
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I. Soweit die Beschwerde auf die Verkennung der grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) gestützt wird, genügt ihre Begründung nicht den in §§ 92a, 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG bestimmten Anforderungen.
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1. Nach §§ 92a, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen sowie klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn sich das Landesarbeitsgericht im anzufechtenden Beschluss mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen Beantwortung möglicherweise eine für den Beschwerdeführer günstige Entscheidung getroffen hätte. Gemäß §§ 92a, 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG muss der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und ihre Entscheidungserheblichkeit in der Beschwerdebegründung darlegen. Dies erfordert, dass er die durch die anzufechtende Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret benennt und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und die allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung oder ihre Auswirkung auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzeigt (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABN 27/12 - Rn. 3).
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2. Diese Voraussetzungen sind nicht dargetan.
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a) Bei der auf Seite 16 der Beschwerdebegründung angesprochenen Fragestellung zur Frage des Rechtsmissbrauchs fehlt es schon an der erforderlichen Formulierung einer konkreten und entscheidungserheblichen Rechtsfrage. Deren Inhalt ist auch nicht offensichtlich, so dass ihre konkrete Benennung durch den Beschwerdeführer nicht ausnahmsweise entbehrlich ist.
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b) Bei den von der Beschwerde auf Seite 14, 26, 31 und 35 der Beschwerdebegründung formulierten Fragestellungen handelt es sich nicht um Rechtsfragen iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Weder diese selbst noch die dazu gegebene Begründung lassen erkennen, welchen objektiven Inhalt die dort aufgenommenen Begrifflichkeiten „kriminelle Aktionen und Aktivitäten“, „nachweisbare Tendenz“, „Umfang der Repräsentanz einer Arbeitnehmerkoalition in der Betriebsverfassung“ sowie „geringer Organisationsgrad“ umfassen sollen. Daneben fehlt es insoweit auch an der konkreten Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der einzelnen von der Beschwerde formulierten Merkmale für die anzufechtende Entscheidung.
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c) An der ausreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit fehlt es gleichermaßen bei der auf Seite 19 der Beschwerdebegründung formulierten Rechtsfrage zur Bedeutung der Mitgliederzahl für die Durchsetzungsfähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition. Daneben fehlt es auch an Vorbringen zu ihrer Klärungsbedürftigkeit. Die drei von der Beschwerde aus einer Fülle von Kampfmaßnahmen herangezogenen Beispiele über vermeintlich erfolglos gebliebene Arbeitskämpfe sind weder repräsentativ noch geeignet, die Senatsrechtsprechung in Frage zu stellen, wonach die Anzahl der gegenwärtigen Mitglieder einer Arbeitnehmerkoalition ein geeignetes Kriterium zur Beurteilung von deren Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem sozialen Gegenspieler darstellt.
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d) In Bezug auf die auf Seite 28 der Beschwerdebegründung formulierte Rechtsfrage zur Erforderlichkeit der Angabe der Mitgliederzahl einer Arbeitnehmerkoalition für die Beurteilung der Tariffähigkeit wird deren Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt. Es fehlt an einer Auseinandersetzung, aus welchen Gründen die zuletzt in den in der Beschwerdebegründung angeführten Senatsentscheidungen vom 28. März 2006 (- 1 ABR 58/04 - BAGE 117, 308) und vom 5. Oktober 2010 (- 1 ABR 88/09 - BAGE 136, 1) enthaltenen Rechtssätze einer erneuten Überprüfung durch den Senat bedürfen. Hierzu ist der Hinweis auf die Veröffentlichungspraxis von anderen Gewerkschaften offenkundig unzureichend.
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e) In Bezug auf die auf Seite 38 der Beschwerdebegründung formulierte Rechtsfrage zur Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für die Beurteilung der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition hat die Beschwerde deren Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt. Mit dieser Fragestellung hat sich der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 befasst. Er hat angenommen, Art. 11 Abs. 1 EMRK enthalte keine Regelungen über die Anforderungen, die an die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft zu stellen sind (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 51, BAGE 117, 308). Mit dieser Entscheidung setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.
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II. Eine entscheidungserhebliche Divergenz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG liegt nicht vor.
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1. Nach §§ 92a, 72 Abs. 2 ArbGG kann die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht auch dann angefochten werden, wenn eine Divergenz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vorliegt. Dazu muss der anzufechtende Beschluss von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte abweichen und auf dieser Abweichung beruhen. Das hat der Beschwerdeführer zu begründen und die Entscheidung, von der der Beschluss des Landesarbeitsgerichts abweicht, zu bezeichnen. Die Beschwerde muss darlegen, dass der anzufechtende Beschluss einen allgemeinen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt hat und dass dieser von einem in einer divergenzfähigen Entscheidung aufgestellten Rechtssatz abweicht. Hierfür reicht die Benennung einer fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte nicht aus.
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2. Die auf den Seiten 12, 17, 25, 28, 33 und 35 der Beschwerdebegründung behaupteten Divergenzen zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts liegen nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat in den angeführten Teilen seiner Entscheidung keine fallübergreifenden abstrakten Rechtssätze aufgestellt, die von Rechtssätzen der in § 72a Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte oder Spruchkörper abweichen. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen auch nur geltend, das Landesarbeitsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts bei seiner Entscheidung nicht oder nicht ausreichend beachtet. Insoweit rügt sie nur die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht, die ihr die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht eröffnet. Ob der Beschluss des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft ist, könnte das Bundesarbeitsgericht nur im Rahmen einer zugelassenen Rechtsbeschwerde prüfen.
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III. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung von rechtlichem Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, § 92a ArbGG zuzulassen.
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1. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn besondere Umstände hinreichend deutlich machen, dass der Richter den Vortrag der Partei nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht (BVerfG 23. Juni 1993 - 1 BvR 485/92 - zu II 3 der Gründe). Wird in einem Beschlussverfahren der Sachverhalt vom Beschwerdegericht nur unzureichend aufgeklärt, kann ein damit verbundener einzelfallbezogener Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) mit einer auf § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, § 92a ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden, wenn das Landesarbeitsgericht zugleich in entscheidungserheblicher Weise gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstößt. Ein Verstoß gegen das einfach-rechtliche Gebot der ausreichenden Sachverhaltsaufklärung wird nicht von § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG erfasst. Art. 103 Abs. 1 GG schützt auch nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag einer Partei nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst (BAG 14. Juni 2006 - 5 AZN 73/06 - Rn. 9).
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2. Daran gemessen hat die Beschwerdeführerin nicht ausreichend dargetan, dass die von ihr auf den Seiten 16, 21, 28, 29, 33 und 35 der Beschwerdebegründung behaupteten Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz zugleich eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung von rechtlichem Gehör iSd. Art. 103 Abs. 1 GG darstellen. Soweit die Beschwerde auf Seite 29 der Beschwerdebegründung zusätzlich die Nichterhebung der von ihr angebotenen Beweise rügt, ist dies allein zur ordnungsgemäßen Darlegung des Zulassungsgrunds aus § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG nicht ausreichend. Die Beschwerde hätte darlegen müssen, was eine Beweisaufnahme ergeben hätte und dass deren Ergebnis unter Beachtung des Begründungswegs des Landesarbeitsgerichts zu einer für sie günstigen Entscheidung geführt hätte. Hieran fehlt es.
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3. Die von der Beschwerde auf Seite 28 der Beschwerdebegründung behauptete Verletzung der Hinweispflicht führt ebenso nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG. Die Beschwerde legt nicht dar, welchen konkreten Hinweis zu ihrem Vorbringen sie vermisst hat und welchen Vortrag sie auf einen solchen Hinweis gehalten hätte. Ebenso hat sie in Bezug auf den unterbliebenen Hinweis keinen Vortrag zur Entscheidungserheblichkeit gehalten.
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IV. Auf die Ablehnung des von der Beschwerdeführerin gestellten Aussetzungsantrags durch das Landesarbeitsgericht kann die Beschwerde nicht gestützt werden. Zwar wiederholt und vertieft sie in der Beschwerdebegründung ihr Vorbringen zu der von ihr angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 97 Abs. 2 ArbGG idF von Art. 2 Nr. 4 Buchst. b des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348). Jedoch formuliert sie insoweit weder eine Rechtsfrage iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch legt sie dar, dass diese Frage zur Vermeidung divergierender Entscheidungen der Instanzgerichte einer höchstrichterlichen Klärung bedarf, die ggf. zu einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG führen könnte. Ebenso kann dahinstehen, ob die Beschränkung des Instanzenzugs für die Beurteilung der Tariffähigkeit verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Einen hierin liegenden Verstoß kann die Beschwerdeführerin nicht auf die Verletzung ihres Anspruchs auf die Gewährung von rechtlichem Gehör iSd. Art. 103 Abs. 1 GG stützen. Ebenso hat sie nicht ausreichend dargetan, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht abzusehen, gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstößt. Soweit ersichtlich sind im arbeitsrechtlichen Schrifttum - außer von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin - keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Änderung des § 97 Abs. 2 ArbGG geäußert worden.
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V. Von einer weiteren Begründung zum sonstigen, vom Senat geprüften Vorbringen der Beschwerdeführerin wird gemäß §§ 92a, 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Rechtsbeschwerde zuzulassen ist.
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