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BSG 19.05.2021 - B 10 ÜG 1/21 B
BSG 19.05.2021 - B 10 ÜG 1/21 B
Vorinstanz
vorgehend SG Chemnitz, 4. November 2019, Az: S 27 AS 5096/14, Beschluss
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 1. Dezember 2020, Az: L 11 SF 49/20 EK, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 1. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2300 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Prozesskostenhilfe (PKH)-Vergütungsfestsetzungsverfahrens zum Verfahren S 27 AS 5096/14 vor dem SG Chemnitz. Das LSG hat als Entschädigungsgericht für das PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahren eine überlange Dauer festgestellt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zwar sei eine gerichtliche Inaktivität im Ausgangsverfahren von 24 Monaten festzustellen. Werde hiervon aber eine der Kostenbeamtin zuzubilligende Vorbereitungs- und Bedenkzeit von drei Monaten abgezogen, ergebe die Gesamtabwägung eine Überlänge des Ausgangsverfahrens von 21 Monaten. Hier sei jedoch die Wiedergutmachung durch die Feststellung der Überlänge des Verfahrens ausreichend. Die Bedeutung des PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahrens sei für den Kläger äußerst gering. Eine möglicherweise wirtschaftlich schwierige Situation seiner Kanzlei sei weder ersichtlich noch substantiiert behauptet worden. Der formelhafte Verweis auf einen in Anspruch genommenen Kontokorrentkredit reiche nicht aus. Der zur Auszahlung gekommene Vergütungsanspruch des Klägers gegenüber der Staatskasse von 321,12 Euro liege im eher unteren Bereich. Dass das Ausgangsverfahren für den Kläger besonders bedeutsam gewesen sei und er über die Überlänge hinaus ideelle Nachteile erlitten habe, sei weder substantiiert vorgetragen worden noch für das Gericht ersichtlich (Urteil vom 1.12.2020).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht Divergenz und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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1. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG als Entschädigungsgericht eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das Entschädigungsgericht Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht (BSG, Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, BVerfG) aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das Entschädigungsgericht weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Urteil des Entschädigungsgerichts tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen oder Beschlüssen enthalten ist, und welcher in der Entscheidung des Entschädigungsgerichts enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (stRspr; vgl zB Senatsbeschluss vom 14.10.2020 - B 10 ÜG 3/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 30.3.2015 - B 12 KR 102/13 B - juris RdNr 10, mwN).
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Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Der Kläger trägt vor, das Entschädigungsgericht weiche von dem Urteil des BSG vom 12.2.2015 ("B 10 EG 11/13 R" <gemeint wohl: B 10 ÜG 11/13 R - BSGE 118, 102 = SozR 4-1720 § 198 Nr 9>) ab. Danach sei in die Abwägung einzustellen, ob der Entschädigungskläger weitergehende immaterielle Schäden erlitten habe oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstelle. Dies habe das Entschädigungsgericht verkannt. Die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Bedeutung der PKH-Vergütungsfestsetzung für den Kläger im vorliegenden Fall äußerst gering sei, sei rechtswidrig falsch. Denn es liege gerade kein Einzelfall vor. Vielmehr sei durch die schleppende Festsetzungspraxis des Ausgangsgerichts eine Vielzahl von Verzögerungsrügen erhoben worden, weil das SG auf eine Vielzahl von Vergütungsanträgen nicht reagiert und keine Kosten festgesetzt habe. Die Umsatzausfälle habe er mit teuren Kontokorrentkrediten überbrücken müssen. Aufgrund der Summierung der Verfahren gehe es um mehrere tausend Euro PKH-Vergütungsfestsetzung, die nicht rechtzeitig erfolgt und deshalb für jeden Rechtsanwalt und seinen Kanzleibetrieb existenzbedrohend sei. Die bloße Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen gewesen sei, reiche als Wiedergutmachung der Verzögerung nicht aus.
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Unabhängig davon, ob der Kläger in seiner Beschwerdebegründung überhaupt einen Rechtssatz aus der von ihm in Bezug genommenen Entscheidung des BSG hinreichend klar und bestimmt wiedergegeben hat, versäumt er es bereits, einen abstrakten Rechtssatz des Entschädigungsgerichts herauszuarbeiten, mit dem es sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG gesetzt hätte. Unerheblich ist dabei nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, wenn das Entschädigungsgericht mit seiner Entscheidung, dass hier als Wiedergutmachung die Feststellung der Überlänge ausreichend ist, von den vom Kläger zitierten Entscheidungen des LSG Mecklenburg-Vorpommern, des LSG Baden-Württemberg und des OLG Karlsruhe abgewichen sein sollte. Aber selbst wenn das Entschädigungsgericht einen höchstrichterlichen Rechtssatz in der Rechtsprechung des BSG missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte, kann daraus noch nicht geschlossen werden, es habe einen divergierenden Rechtssatz aufstellen wollen. Die Bezeichnung einer Abweichung setzt vielmehr die Darlegung voraus, dass das Entschädigungsgericht die Rechtsprechung des BSG in der angefochtenen Entscheidung in Frage stellt und demgegenüber einen eigenen Rechtssatz hat aufstellen wollen. Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn es die Rechtsprechung des BSG in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall lediglich verkannt haben sollte (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 11.2.2020 - B 10 ÜG 16/19 B - juris RdNr 7 mwN). Nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung hat das Entschädigungsgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Prüfung festgestellt, dass nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls für den Kläger eine Wiedergutmachung auf andere Weise durch die Feststellung der Überlänge des Verfahrens ausreichend ist. Bezüglich der diesbezüglich zu beachtenden Maßstäbe hat sich das Entschädigungsgericht ausdrücklich auf das Senatsurteil vom 12.12.2019 (B 10 ÜG 3/19 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 18) gestützt. Die von dem Kläger behauptete Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Entschädigungsgerichts aufgrund einer (vermeintlichen) Nichtbeachtung von Rechtsprechung des BSG unter fehlerhafter Anwendung dortiger Maßstäbe und eine (vermeintliche) fehlerhafte Rechtsanwendung bei der Abwägung, ob im vorliegenden Fall eine Wiedergutmachung durch die Feststellung der Überlänge ausreichend ist, reichen nicht für eine Zulassung der Revision wegen Divergenz aus (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 11.2.2020, aaO; Senatsbeschluss vom 18.9.2018 - B 10 ÜG 9/18 B - juris RdNr 12).
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2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl Senatsbeschluss vom 29.10.2018 - B 10 ÜG 6/18 B - juris RdNr 4 mwN).
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Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm gestellt. Die klare Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das BSG als Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann. Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag des Beschwerdeführers daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11). Allein der Hinweis, dass die Rechtsprechung der Obergerichte im tatrichterlichen Abwägungsvorgang, ob eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs 4 Satz 1 GVG durch die gerichtliche Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer ausreichend sei, "nicht einheitlich" sei, reicht nicht. Soweit der Kläger die in diesem Rahmen vom Entschädigungsgericht aus seiner Sicht fehlerhafte Gewichtung, Abwägung und Würdigung der von ihm benannten besonderen (Einzelfall-)Umstände rügen wollte, wendet er sich gegen eine fehlerhafte Rechtsanwendung in seinem Einzelfall. Hierauf kann eine Grundsatzrüge jedoch nicht gestützt werden (vgl Senatsbeschluss vom 27.3.2020 - B 10 ÜG 17/19 B - juris RdNr 9 mwN). Sofern der Kläger auf die (wirtschaftlichen) Folgen einer verzögerten Bearbeitung des Vergütungsanspruchs eines Rechtsanwalts durch die Staatskasse hinweist, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 12.12.2019 (B 10 ÜG 3/19 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 18 RdNr 43) darauf hingewiesen, dass Rechtsanwälte ein schützenswertes Interesse an einer Kostenfestsetzung in angemessener Zeit haben, dessen Verletzung auch einen Anspruch auf Geldentschädigung begründen kann.
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Der vom Kläger angeregten Verbindung nach § 113 Abs 1 SGG mit dem Verfahren B 10 ÜG 12/20 B war schon wegen der Verschiedenheit der den jeweiligen Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Lebenssachverhalte nicht zu entsprechen. Dass sich die Ansprüche gegen denselben Beklagten richten, genügt nicht (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 113 RdNr 2a mwN).
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3. Der Senat war nicht verpflichtet, den Kläger entsprechend seiner vorsorglichen Bitte in der Beschwerdebegründung um einen rechtlichen Hinweis, "ob die Nichtzulassungsbeschwerde durch den Senat für zulässig erachtet" werde, vorab auf die Unzulänglichkeit seines Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG. § 106 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.7.2019 - B 9 V 3/19 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - juris RdNr 7).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
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5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 Satz 1, § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.
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