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BSG 28.01.2021 - B 8 SO 64/20 B
BSG 28.01.2021 - B 8 SO 64/20 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zurückweisung der Berufung als unzulässig - Nichtübersteigung eines Beschwerdewertes in Höhe von 750 Euro - Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - einmaliger Bedarf - Wohnungserstausstattung
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 31 Abs 1 Nr 1 SGB 12
Vorinstanz
vorgehend SG München, 29. März 2018, Az: S 22 SO 345/17, Urteil
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 14. März 2019, Az: L 8 SO 165/18, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. März 2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Im Streit ist ein Anspruch auf Leistungen der Erstausstattung für eine Wohnungseinrichtung.
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Der Kläger bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) von dem beklagten Träger der Sozialhilfe. Nach einem Umzug im März 2012 machte er bei der Beklagten im April 2015 geltend, die neue Wohnung verfüge nicht über eine ausreichende Einrichtung; es fehlten ein Tisch (ca 80 cm Durchmesser), ein Sessel, ein viertüriger Kleiderschrank, eine Kommode, eine Stehlampe, eine Deckenlampe, eine Spiegelleuchte, zwei Jalousien, ein Abfallbehälter und diverse Kochgegenstände. Antrag und Klage haben keinen Erfolg gehabt (Bescheid vom 14.3.2017; Widerspruchsbescheid vom 19.6.2017; Urteil des Sozialgerichts <SG> München vom 29.3.2018). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil des Bayerischen LSG vom 14.3.2019). Der Wert der beantragten Einrichtungsgegenstände betrage unter Berücksichtigung sozialhilferechtlicher Grundsätze nach den Berechnungen des Senats maximal 400 Euro. Die beantragte Kommode, die Stehlampe sowie der Abfalleimer gehörten nicht zu der sozialhilferechtlich erforderlichen Wohnungsausstattung; im Übrigen würde auch unter Berücksichtigung dieser Gegenstände der Beschwerdewert nicht erreicht.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht einen Verfahrensfehler geltend. Die Schätzung des Beschwerdewerts durch das LSG halte einer Überprüfung nicht stand. Er gehe davon aus, dass der Wert der von ihm im Klageverfahren als Erstausstattung geltend gemachten Möbel 800 Euro betrage. Dies hätte er vorgetragen, wenn das LSG ihn vor Zurückweisung der Berufung hierüber befragt hätte. Indem das LSG entschieden habe, ohne ihn auf die Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung hinzuweisen, habe es seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die vom LSG zugrunde gelegte Aufstellung über eine sozialhilferechtlich erforderliche Wohnungsausstattung der Beklagten sei ihm nicht bekannt. Auch die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH) erst mit der Entscheidung sei verfahrensfehlerhaft erfolgt. Entgegen der Auffassung des LSG sei die Berufung zulässig gewesen und habe auch in der Sache Aussicht auf Erfolg.
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II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beschwerde ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verfahrensverstoß, weil das LSG unter Verkennung der Grundsätze zur Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands ein Prozessurteil statt eines Sachurteils erlassen hat und dem Kläger zudem keine Möglichkeit gegeben hat, hierzu Stellung zu nehmen. Auf diesen Verfahrensfehlern kann das Urteil auch beruhen. Der Senat macht deshalb von seiner Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (vgl § 160a Abs 5 SGG).
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Die auf eine Geldleistung gerichtete Klage hat den Wert des Beschwerdegegenstands von 750 Euro überstiegen (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), sodass das LSG die Berufung mangels Erreichens der Berufungssumme nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen, was der Kläger zumindest sinngemäß gerügt hat. Der Wert des Beschwerdegegenstands iS von § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt. Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des Beschwerdegegenstands für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird (vgl BSG vom 27.7.2004 - B 7 AL 104/03 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 2 RdNr 5). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands ist auf die Einlegung der Berufung abzustellen (stRspr; vgl BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 14; BSG vom 25.7.1985 - 7 RAr 33/84 - BSGE 58, 291, 294 = SozR 1500 § 144 Nr 30 S 51). Verfahrensfehlerhaft ist das LSG hier davon ausgegangen, es komme bei der Bestimmung des Werts wegen des Anspruchs auf Erstausstattung einer Wohnung darauf an, was die Beklagte - einen Anspruch des Klägers auf Erstausstattung in der Sache unterstellt - nach ihrer Verwaltungspraxis regelmäßig für solche Gegenstände bewillige. Entscheidend ist vielmehr, welcher Wert sich nach dem Begehren des Klägers ergibt. Der von ihm dazu im Beschwerdeverfahren vorgetragene Wert von 800 Euro für die bezeichneten Möbelstücke, die er vor dem SG geltend gemacht hat, ist für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar. Mit seiner Berufung hat sich der Kläger auch uneingeschränkt gegen die Entscheidung des SG gewandt und dabei keinen Berufungsantrag beziffert. Verstöße gegen die Soll-Vorschrift des § 151 Abs 3 SGG, wonach die Berufungsschrift einen bestimmten Antrag enthalten soll, sind unschädlich (BSG vom 29.10.1955 - 7 RAr 94/55 - SozR Nr 2 zu § 151 SGG).
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Zutreffend trägt der Kläger weiter vor, das LSG habe auch den Grundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Gemäß § 62 1. Halbsatz SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung des Gerichts rechtliches Gehör zu gewähren. Dies ist hier nicht ausreichend geschehen, weil nicht erkennbar ist, dass dem Kläger überhaupt Gelegenheit gegeben worden ist, im Berufungsverfahren zu dem Wert des Beschwerdegegenstands und der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung als unzulässig Stellung zu nehmen. Der entsprechende Vortrag des Klägers wird vom Vortrag der Beklagten gestützt, die im Beschwerdeverfahren mitgeteilt hat, den Vorsitzenden auf seine telefonische Bitte hin am Tag vor der Entscheidung per E-Mail über die Werte informiert zu haben, nach denen sie - die Beklagte - den Wert einer Wohnungseinrichtung bestimme. Weder ist aber eine Kopie der deswegen übersandten Liste zu den Akten des LSG gelangt, noch ergibt sich aus der Niederschrift zum Termin oder dem Urteil selbst, dass der Vorsitzende entsprechende Hinweise gegeben hat. Schließlich ist durch diese Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger daran gehindert worden, sowohl zu dem Wert des Beschwerdegegenstands vorzutragen als auch nach Klärung der Statthaftigkeit der Berufung zum Anspruch in der Sache. Ob der Kläger - was nach seinem Vortrag immerhin denkbar erscheint - einen Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung seiner Wohnung hat, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht entscheiden. Ob ein weiterer Verfahrensmangel durch die Versagung von PKH hinreichend dargelegt ist und auch tatsächlich vorliegt, konnte offenbleiben.
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Das LSG wird abschließend ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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