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BSG 26.07.2016 - B 4 AS 25/15 R
BSG 26.07.2016 - B 4 AS 25/15 R - (Sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit der Revision - Mindesterfordernisse der Revisionsbegründung bei Geltendmachung der Verletzung einer Rechtsnorm - Darlegung einer fehlerhaften Rechtsanwendung - Darstellung der wesentlichen Gesichtspunkte des entscheidungserheblichen Sachverhalts - Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 GG - Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs 5 BEEG)
Normen
§ 164 Abs 2 S 1 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG, § 169 SGG, Art 100 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 10 Abs 5 BEEG
Vorinstanz
vorgehend SG Lüneburg, 26. Februar 2013, Az: S 19 AS 220/11, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 20. Februar 2015, Az: L 9 AS 417/13, Urteil
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Nach dem Urteil des LSG begehrt der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Berücksichtigung von Leistungen nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz <BEEG>) für den Zeitraum vom 1.1.2011 bis 30.6.2011.
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Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.2.2013; Urteil des LSG vom 20.2.2015).
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Nach den Feststellungen des LSG vom 20.2.2015 bewilligte das beklagte Jobcenter dem Kläger und seinen beiden minderjährigen Kindern für die Zeit ab 1.1.2011 SGB II-Leistungen und "berücksichtigte bei dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 2011 das diesem von dem Landkreis L. für die Zeit vom 26. August 2010 bis 25. August 2011 bewilligte Elterngeld iHv monatlich 375 Euro, bereinigt iHv 345 Euro" (Bescheid vom 18.11.2010; Widerspruchsbescheid vom 20.1.2011). Seine Ehefrau erhalte "mutmaßlich aufgrund ihres ausländerrechtlichen Status" keine Leistungen von dem Beklagten. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Regelungen zur Berücksichtigung des Elterngeldes als Einkommen seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Die staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei nicht verletzt, weil der Kläger im Ergebnis staatliche Leistungen in gesetzlich bestimmter Höhe erhalte. Es erschließe sich nicht, weshalb er versuche, einen Zusammenhang zwischen der strafrechtlichen Vorschrift des § 218 StGB und dem Grundsicherungsrecht für Arbeitsuchende herzustellen. Auch Art 3 GG sei nicht verletzt. Vorrangiger Sinn und Zweck des Elterngeldes sei es, den Wegfall des Einkommens aus Erwerbstätigkeit auszugleichen und damit die Folgen der Geburt eines Kindes auf die wirtschaftliche Lage von Eltern und Kind abzufedern. Bei nicht erwerbstätigen SGB II-Beziehern sei kein Einkommen zu substituieren.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 10 Abs 1 BEEG. § 10 Abs 5 BEEG stehe dessen Anwendung nicht entgegen, denn diese Regelung sei verfassungswidrig, nichtig und nicht anwendbar. Das vormalige Erziehungsgeld habe die Bereitschaft zur Elternschaft stärken können, weil es nicht auf existenzsichernde Leistungen angerechnet worden sei. Diese Nichtanrechnung sei zentraler Eckpfeiler des vom BVerfG in seinem "Zweiten Abtreibungsurteil" vom 28.5.1993 (BVerfGE 88, 203 ff) geforderten "Lebensschutzkonzepts", welches allein die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die damalige (und weiterhin gültige) Abtreibungsregelung beseitigen könne. Die vom BVerfG hervorgehobene Bedeutung solcher Leistungen als Maßnahmen präventiven Lebensschutzes habe der Gesetzgeber in Rechnung zu stellen, wenn staatliche Leistungen im Hinblick auf knappe Mittel überprüft würden.
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Der Kläger beantragt,
"das Urteil des Landesozialgerichts Niedersachsen-Bremen - 9. Senat - vom 20. Februar 2015 - L 9 AS 417/13 - aufzuheben,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg - 19. Kammer - vom 26. Februar 2013 - S 19 AS 220/11 - aufzuheben,
den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2012 aufzuheben
und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 Leistungen nach den Vorschriften des SGB II ohne die Anrechnung des dem Kläger bewilligten Elterngeldes zu bewilligen,
hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob die de-facto-Streichung des Elterngeldes für Bezieher laufender Leistungen nach dem SGB II - technisch gesagt: die volle Anrechnung der Leistungen des Elterngeldes als Einkommen auf den Hilfebedarf nach den Vorschriften des SGB II - mit dem Grundgesetz, insbesondere den Vorgaben des BVerfG aus dem sog 2. Abtreibungsurteil vom 28. Mai 1993 vereinbar ist, weil damit ein entscheidender Fundamentstein aus dem vom BVerfG geforderten "Lebensschutzkonzept" gebrochen worden ist, ohne dass der Gesetzgeber diesem Manko durch Verschärfung der Strafvorschriften zur Verfolgung rechtswidriger Abtreibungen entgegengewirkt hätte."
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er trägt vor, anders als das frühere Erziehungsgeld habe das Elterngeld überwiegend Lohnersatzfunktion und solle insbesondere Berufstätige in der Elternzeit finanziell entlasten. Es sei keine Leistung, welche die wirtschaftliche Grundlage der Familie über das vorgeburtliche Niveau hinaus anheben solle. Die vorübergehende Übernahme der Kinderbetreuung werde in existenzsichernden Leistungssystemen durch die Bereitstellung der notwendigen Mittel unterstützt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unzulässig (§ 169 SGG), weil das Rechtsmittel des Klägers nicht ausreichend begründet ist.
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Nach § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG ist die Revision fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen. Die Begründung muss "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlich festgelegten Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert. Danach muss, wenn mit der Revision - wie hier - die Verletzung einer Rechtsnorm gerügt wird, in der Begründung dargelegt werden, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts im angefochtenen Urteil nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Die Angabe der verletzten Norm ist notwendig, aber allein noch nicht ausreichend. Vielmehr ist - im Sinne einer erkennbaren und notwendigen Befassung des Revisionsführers mit der angefochtenen Entscheidung - auszuführen, warum die Rechtsansicht der Vorinstanz nicht geteilt wird. Die Revisionsbegründung muss sich deshalb - zumindest kurz - auch mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, dass und warum das LSG die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen Rechts nicht oder nicht richtig angewandt hat (vgl BSG Vorlagebeschluss vom 16.4.2006 - B 4 RA 5/05 R - juris RdNr 21; BSG Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 16/06 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 f; BSG Beschluss vom 23.4.2013 - B 9 V 4/12 R - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 1.7.2015 - B 7 AY 2/14 R - juris RdNr 9 f; BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - vorgesehen für SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 11).
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Neben einer kurzen Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgrundlagen erfordert eine ausreichende Darlegung der Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts auch eine zumindest kurze Darstellung der für die behauptete Rechtsverletzung maßgeblichen tatsächlichen Gesichtspunkte des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts. Insofern ist in den Blick zu nehmen, dass die eigentliche Rechtsverletzung das Ergebnis der Anwendung einer fehlerhaft ausgelegten Norm auf den zugrundeliegenden Sachverhalt ist; denn erst das Ergebnis eines Subsumtionsschlusses kann Rechte des in der Vorinstanz unterlegenen Beteiligten "verletzen" (BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - vorgesehen für SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 12 ff; BSG Beschluss vom 27.4.2016 - B 12 KR 17/14 R - juris). Der Senat lässt dahinstehen, welche generellen Anforderungen, ggf orientiert an typischen Fallgestaltungen, an die Präzisierung des Sachverhalts bei einer geltend gemachten Rechtsverletzung zu stellen sind (vgl hierzu nur Beschluss vom 27.4.2016 - B 12 KR 17/14 R - juris RdNr 14 "dass der Revisionsführer den für die geltend gemachte Rechtsverletzung entscheidungsrelevanten, also den maßgebenden vom LSG festgestellten Lebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt"; BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - vorgesehen für SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 17 "es dient dazu, dass der Revisionsführer die Entscheidungserheblichkeit seiner Rechtsausführungen im Blick behält. … Hierfür genügt es, wenn der Revisionsführer in der Revisionsbegründung den entscheidungsrelevanten Kernlebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt"; vgl auch BSG Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - NZS 2015, 838 f, wonach die Revisionsbegründung klarstellen muss, ob die tatsächlichen Angaben dem Berufungsgericht im Sinne eines festgestellten Sachverhalts zuzurechnen sind, weil nur die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen <§ 163 SGG> maßgeblich seien).
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Die hier allein zu beurteilende Revisionsbegründung erfüllt die zu stellenden Anforderungen schon deshalb nicht, weil sie zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt keinerlei Angaben enthält. Selbst dem formulierten Revisionsantrag kann lediglich entnommen werden, dass um Leistungen nach den Vorschriften des SGB II ohne die Anrechnung des Elterngeldes in dem Zeitraum vom 1.1.2011 bis 30.6.2011 gestritten wird. Demgegenüber lässt sich den Anträgen nicht entnehmen, welche Bescheide streitgegenständlich sind (§ 95 SGG), weil die im schriftlichen und mündlichen Revisionsantrag bezeichneten Bescheide (Bescheid vom 16.4.2012; Widerspruchsbescheid vom 25.10.2012) jedenfalls nicht mit den tatbestandlich festgestellten und in den Vorinstanzen streitigen Bescheiden übereinstimmen. Die weitere Revisionsbegründung enthält keinerlei Angaben zu dem konkret zu entscheidenden Sachverhalt, insbesondere auch nicht zu einem etwaigen Anspruch des Klägers auf SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des eigenen, aber - ggf - auch weiterem Einkommen und Vermögen eventueller weiterer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, insbesondere auch nicht zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehefrau des Klägers, die ebenfalls Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sein könnte.
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Mit Rücksicht auf diese aufgezeigten Mängel der Revisionsbegründung braucht der Senat nicht darüber zu befinden, ob die Revision auch deshalb unzulässig ist, weil sich der Kläger in der Revisionsbegründung nicht ausreichend mit den rechtlichen Inhalten der angefochtenen Entscheidung und dem Gedankengang des LSG auseinandergesetzt hat.
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Wegen der Unzulässigkeit der Revision (§ 169 SGG) ist für eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG kein Raum, weil nicht - wie gefordert - dargelegt werden kann, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl nur BVerfGE 107, 59, 85). Unabhängig hiervon ist der Senat auch von einer Verfassungswidrigkeit des Art 10 Abs 5 BEEG nicht überzeugt (vgl Urteil des Senats vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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