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BVerfG 30.10.2020 - 1 BvR 453/19
BVerfG 30.10.2020 - 1 BvR 453/19 - Nichtannahmebeschluss: Rspr des BGH zum Begriff des "unabhängigen Treuhänders" iSd § 203 Abs 2 S 1 VVG keine unzulässige Rechtsfortbildung - Verfassungsbeschwerde mangels Rechtswegerschöpfung bereits unzulässig, zudem auch in der Sache ohne Erfolgsaussichten
Normen
Art 2 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG, § 203 Abs 2 S 1 VVG
Vorinstanz
vorgehend BGH, 19. Dezember 2018, Az: IV ZR 255/17, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen eine höchstrichterliche Entscheidung über die Frage, ob die Unabhängigkeit des Treuhänders (§ 203 Abs. 2 Satz 1 VVG) ein im Rechtsstreit vor den Zivilgerichten eigenständig zu überprüfendes Tatbestandsmerkmal einer Prämienerhöhung in der privaten Krankenversicherung darstellt.
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I.
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Der Beschwerdeführer hält ihn betreffende Prämienerhöhungen seines privaten Krankenversicherers unter anderem deshalb für unwirksam, weil der Treuhänder, der ihnen zugestimmt hat, von dem Versicherer wirtschaftlich abhängig sei.
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Amts- und Landgericht haben die Prämienerhöhungen aus diesem Grund für unwirksam gehalten.
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Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17 -) hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen zur Prüfung der weiteren von dem Beschwerdeführer gegen die Prämienerhöhung erhobenen Einwände. Zu diesen seien Feststellungen bisher nicht ausreichend getroffen worden. Die Zivilgerichte hätten im Rechtsstreit um die Berechtigung einer Prämienerhöhung nicht auch zu prüfen, ob der Treuhänder tatsächlich von demjenigen Versicherer unabhängig sei, dessen Prämienerhöhung er zugestimmt habe. Soweit § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG die Berechtigung des Versicherers zur Neufestsetzung der Prämie von der Zustimmung eines "unabhängigen Treuhänders" abhängig mache, handele es sich nur um eine Bezeichnung für diejenige Person, die nach den Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsrechts hierzu bestellt worden sei. Dies ergebe eine Auslegung der Vorschrift, die ausgehend von dem Wortlaut und der Systematik der gesetzlichen Regelung ihre Entstehungsgeschichte, ihren Sinn und Zweck sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes berücksichtige.
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II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.
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Zwar sei der Rechtsweg angesichts der Zurückverweisung an das Landgericht nicht erschöpft. Der Verfassungsbeschwerde komme aber allgemeine Bedeutung zu (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG).
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Der Bundesgerichtshof habe die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger fachgerichtlicher Auslegung überschritten und unzulässige richterliche Rechtsfortbildung betrieben. Er lasse in rechtsstaatlich nicht mehr zulässiger und willkürlicher Weise einseitige Eingriffe in bestehende Vertragsverhältnisse zu. Dies verletzte den Justizgewährungsanspruch des Beschwerdeführers.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil kein Grund zur Annahme nach § 93a Abs. 2 BVerfGG besteht.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 90 Abs. 2 BVerfGG unzulässig. Der Rechtsweg ist nicht erschöpft. Für eine Vorabentscheidung ist kein Raum. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine allgemeine Bedeutung (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) zu.
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Eine Verfassungsbeschwerde ist von allgemeiner Bedeutung, wenn sie die Klärung grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen erwarten lässt und über den Fall des Beschwerdeführers hinaus zahlreiche gleich gelagerte Fälle praktisch mitentschieden werden (BVerfGE 108, 370 386>; stRspr).
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So liegt es hier nicht. Die Verfassungsbeschwerde lässt die Klärung grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen nicht erwarten. Sie betrifft lediglich die Anwendung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vielfach geklärter verfassungsrechtlicher Maßstäbe auf den konkreten Fall.
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Anderes ergibt sich insbesondere nicht aus dem Vorbringen der Verfassungsbeschwerde, der Bundesgerichtshof habe in der angegriffenen Entscheidung über grundsätzliche Fragen des einfachen Rechts entschieden. Auch der von der Verfassungsbeschwerde hervorgehobene Umstand, dass gegen die Auffassung des Bundesgerichtshofs in der Rechtsprechung der Landgerichte vereinzelt verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden sind, verleiht der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung.
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2. Die Verfassungsbeschwerde hätte in der Sache auch keinen Erfolg.
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a) Soweit die Verfassungsbeschwerde rügt, der Bundesgerichtshof habe das einfache Recht verfassungswidrig ausgelegt beziehungsweise fortgebildet, ist sie jedenfalls unbegründet. Die angegriffene Entscheidung bewegt sich innerhalb der insoweit gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen (vgl. nur BVerfGE 128, 193 209 f.>; 132, 99 127 f. Rn. 73 ff.>; 133, 168 205 f. Rn. 66>; 149, 126 154 Rn. 72 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15 u.a. -, Rn. 35 ff.).
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Insbesondere stellt die Ansicht des Bundesgerichtshofs, § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG bezeichne mit dem Begriff "unabhängiger Treuhänder" die nach den Vorgaben des Versicherungsaufsichtsrechts bestellte Person, weder den klaren Wortlaut des Gesetzes hintan (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15 u.a.-, Rn. 49) noch liegt diese Deutung des Wortlauts der Norm offensichtlich eher fern (vgl. BVerfGE 133, 168 205 f. Rn. 66> m.w.N.). Zu diesen aufsichtsrechtlichen Vorgaben gehört insbesondere das Erfordernis der Unabhängigkeit des Treuhänders. Zumindest vor diesem Hintergrund steht dem Verständnis des Gerichts der Wortlaut der Norm nicht entgegen. Verfassungsrechtlich unbedenklich stellt der Bundesgerichtshof insbesondere darauf ab, dass § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG auch die weiteren aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen der Treuhänderbestellung nicht als Tatbestandsmerkmal einer Prämienerhöhung aufgreift.
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Dass sich das nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergebende Zusammenspiel zwischen der den Zivilgerichten obliegenden "sachlichen" Prüfung von Beitragserhöhungen und der Kontrolle der an den "unabhängigen Treuhänder" gestellten Anforderungen durch die Versicherungsaufsicht über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetze (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15 u.a. -, Rn. 38 f.), ist nicht ersichtlich und ergibt sich namentlich nicht aus der Entstehungsgeschichte der einschlägigen gesetzlichen Regelungen.
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b) Eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs des Beschwerdeführers ist nach dem Vorbringen der Verfassungsbeschwerde nicht ersichtlich.
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Die Einhaltung aller "sachlichen" Anforderungen an eine einseitige Beitragserhöhung nach § 203 Abs. 2 VVG unterliegt der tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch die Zivilgerichte (vgl. etwa BGHZ 159, 323 325 ff.>). Dass dies unter den gegebenen Umständen der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ergebenden Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht genüge, zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. Dezember 1999 - 1 BvR 2203/98 -).
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c) Die Möglichkeit einer Verletzung des grundrechtlichen Schutzanspruchs des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. etwa BVerfGE 81, 242 253 ff.>; 103, 89 100 ff.>; 114, 1 34 ff.>; 114, 73 89 ff.>; BVerfGK 7, 283 296 f.>) legt die Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht dar.
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Die Vertrags- und Kalkulationsfreiheit der Versicherer fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 123, 186 236>). Der zwangsweise Ausschluss des Rechts der Versicherer zur ordentlichen Kündigung greift in ihre Vertragsfreiheit ein. Die Möglichkeit einseitiger Prämienerhöhung, die die Vertragsfreiheit der Versicherungsnehmer einschränkt, soll dies ausgleichen und zielt auf die Wiederherstellung des Äquivalenzverhältnisses. Prämienanpassungen unterliegen nach der angegriffenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfassenden rechtlichen Vorgaben und darüber hinaus der Zustimmung eines nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsrechts bestellten Treuhänders, der zuverlässig, fachlich geeignet und unabhängig sein muss. Dass diese fachgerichtliche Rechtsprechung grundrechtliche Schutzpflichten evident verletze (vgl. etwa BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 2017 - 1 BvR 781/15 -, Rn. 25), ist nicht ersichtlich.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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