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BVerfG 07.02.2019 - 2 BvR 2406/16
BVerfG 07.02.2019 - 2 BvR 2406/16 - Stattgebender Kammerbeschluss: Unzureichend begründeter Beschluss über die Fortdauer einer bereits langandauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (hier: 15 Jahre) verletzt Art 2 Abs 2 S 2 GG iVm Art 20 Abs 3 GG - Gefahr erneuter Begehung erheblicher Taten iSd § 67d Abs 2 StGB nicht hinreichend konkretisiert - unzureichende Berücksichtigung der Unterbringungsdauer
Normen
Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 63 StGB, § 67d Abs 2 StGB, § 68a StGB, § 68b StGB
Vorinstanz
vorgehend OLG Celle, 12. Oktober 2016, Az: 2 Ws 176/16, Beschluss
vorgehend LG Lüneburg, 8. September 2016, Az: 161 StVK 47/16, Beschluss
Tenor
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Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Oktober 2016 - 2 Ws 176/16 - und der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. September 2016 - 161 StVK 47/16 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.
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Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 12. Oktober 2016 - 2 Ws 176/16 - wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers an das Oberlandesgericht Celle zurückverwiesen.
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Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.
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I.
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1. Gegen den Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Verden vom 18. Dezember 2000 wegen eines im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Totschlags die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nachdem gegen den Beschwerdeführer seit dem 25. Juni 2000 die Untersuchungshaft und seit dem 7. Juli 2000 die vorläufige Unterbringung gemäß § 126a StPO vollzogen worden waren, wird die Maßregel seit dem 28. April 2001 vollstreckt.
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2. Nach Einholung einer Stellungnahme der behandelnden Klinik vom 19. Juli 2016 sowie nach Anhörung des Beschwerdeführers und der behandelnden Oberärztin ordnete das Landgericht Lüneburg mit angegriffenem Beschluss vom 8. September 2016 die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
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Die Unterbringung sei fortzusetzen, weil derzeit noch nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde. Dies folge aus der Stellungnahme der behandelnden Klinik, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der Einzelheiten Bezug genommen werde, ergänzt durch die Angaben der Oberärztin im Rahmen ihrer Anhörung. Zusammengefasst heiße es dort, dass es bei Aussetzung der Maßregel zu einem vollständigen Verlust der Tagesstruktur käme und mangels Kontakt- und Beziehungsfähigkeit zu massivsten erruptiven Aggressionen, die zu erheblichen Straftaten (Tötungsdelikte) führen könnten. Die Kammer schließe sich dem nach dem Eindruck, den sie in der Anhörung vom "Verurteilten" gewonnen habe, nach eigener kritischer Würdigung an. Es bestehe weiterhin die Gefahr erheblicher Straftaten mit schweren seelischen und körperlichen Schäden im Sinne von § 67d Abs. 6, Abs. 3 Satz 1 StGB in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung. Angesichts der fortbestehenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers stehe der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Unterbringung derzeit noch nicht entgegen. Allerdings sei der "Verurteilte" zeitnah durch weitere Lockerungen zu erproben.
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3. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht Celle mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 12. Oktober 2016 als unbegründet. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses träfen zu. Das Beschwerdevorbringen greife ihnen gegenüber nicht durch.
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4. Nach Erhebung der vorliegenden Verfassungsbeschwerde wurde die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus mit rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 16. April 2018 erneut angeordnet.
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II.
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Der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Freiheitsrechts.
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Die Fortdauer des Maßregelvollzugs sei unverhältnismäßig. Das Gewicht seines Freiheitsgrundrechts steige, je länger der Freiheitsentzug andauere. Auch befinde er sich seit dem 5. August 2016 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in der offen geführten therapeutischen Wohngemeinschaft auf dem offenen Krankenhausgelände. Die behandelnde Klinik habe hiergegen keine Sicherheitsbedenken geäußert. Aufsichtspersonal werde in der Wohngemeinschaft nicht eingesetzt. Da ein ärztlicher Kontakt nur alle 14 Tage veranlasst werde, stehe fest, dass nur noch eine geringe Gefährlichkeit vermutet werde.
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III.
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1. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde nicht für aussichtsreich. Sie sei schon nicht zulässig erhoben worden, jedenfalls aber unbegründet. Der Beschwerdeführer habe sich nicht in hinreichender Weise inhaltlich mit den angegriffenen Entscheidungen auseinandergesetzt. Außerdem genügten die angegriffenen Entscheidungen noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anordnung einer Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers und deren Begründung. Zwar sei der Beschluss des Landgerichts, auf den das Oberlandesgericht verweise, knapp gehalten und redaktionell nicht durch Sorgfalt ausgezeichnet. Jedoch werde die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit der vom Beschwerdeführer drohenden Straftaten ausreichend bestimmt. Auch sei vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass bei der nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotenen Abwägung den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit der Vorrang eingeräumt worden sei.
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2. Das Justizministerium Niedersachsen hat von einer Stellungnahme abgesehen.
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IV.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer langandauernder Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 70, 297; zuletzt auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Mai 2018 - 2 BvR 1161/16 -, juris). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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a) Sie wahrt die Begründungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG (vgl. hierzu jüngst BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 1961/09 -, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Zwar hat der Beschwerdeführer weder das Protokoll der mündlichen Anhörung zu den Akten gereicht, noch setzt er sich detailliert mit den einzelnen Feststellungen in den angegriffenen Beschlüssen auseinander. Er stützt seine Verfassungsbeschwerde aber auf eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zur Begründung verweist er auf das erhöhte Gewicht seines Freiheitsgrundrechts angesichts der Dauer seiner Unterbringung sowie auf einzelne konkrete Umstände, aus denen sich ergebe, dass ihm nur noch eine geringe Gefährlichkeit zugeordnet werde. Zugleich hat er alle notwendigen Unterlagen vorgelegt, die zur Überprüfung der aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sich ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung der Fortdauer langandauernder Unterbringungen notwendig sind. Zumindest insoweit sind die angegriffenen Beschlüsse daher abschließender verfassungsrechtlicher Überprüfung zugänglich.
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b) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die weitere Fortdauer der Unterbringung zwischenzeitlich mit rechtskräftigem Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 16. April 2018 erneut angeordnet worden ist. Denn die vorliegend angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Lüneburg und des Oberlandesgerichts Celle waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 128, 326 389>). Der Beschwerdeführer hat daher ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung und gegebenenfalls einer hierauf bezogenen Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieses Grundrechtseingriffs durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 9, 89 92 ff.>; 32, 87 92>; 53, 152 157 f.>; 91, 125 133>; 104, 220 234 f.>).
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2. Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Lüneburg und des Oberlandesgerichts Celle verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, weil sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen, die für die Anordnung der Fortdauer von Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus bestehen.
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a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann "die Freiheit der Person" und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 190>; 109, 133 157>; 128, 326 372>).
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aa) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 219>; 45, 187 223>; 58, 208 224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen. Das gilt auch für die Regelung der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB.
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bb) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG hat auch verfahrens-rechtliche Bedeutung. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 222>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 230>).
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cc) Zudem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in die Entscheidung über die Fortdauer oder Aussetzungsreife der Maßregel einzubeziehen (integrative Betrachtung). Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für Entscheidungen über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Hält das Gericht ein Risiko der Begehung weiterer Straftaten bei einem nach § 63 StGB Untergebrachten für gegeben, hat es die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zu der Dauer des erlittenen Freiheitsentzugs in Beziehung zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 311 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Mai 2018 - 2 BvR 1161/16 -, juris, Rn. 17).
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Dabei ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin "erheblich" im Sinne des § 63 StGB sein. Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 313 f.>; BVerfGK 16, 501 506>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Mai 2018 - 2 BvR 1161/16 -, juris, Rn. 18).
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Mit dem Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl I S. 1610) wurden einfachrechtlich weitere Verhältnismäßigkeitsanforderungen hinsichtlich der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus festgelegt. Gemäß § 67d Abs. 6 Satz 2 und 3 StGB n.F. werden die materiell-rechtlichen Anforderungen an die Fortdauer der Unterbringung im Hinblick auf die drohenden Rechtsgutsverletzungen abhängig von der Dauer der Unterbringung angehoben. Sind - wie im vorliegenden Fall - zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, erklärt das Gericht gemäß § 67d Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 StGB den Vollzug der Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte erhebliche Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
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Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet darüber hinaus, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur solange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung (§ 67d Abs. 2, §§ 68a, 68b StGB) nicht genügen.
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dd) Da es sich bei der Gesamtwürdigung der für die Frage der Aussetzung (§ 67d Abs. 2 StGB) maßgeblichen Umstände um eine wertende Entscheidung unter Prognosegesichtspunkten handelt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und deren Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 315>).
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ee) Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt sich bei langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus. Bleibt das Bemühen des Richters um Zuverlässigkeit der Prognose trotz Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Erkenntnismittel mit großen Unsicherheiten behaftet, so hat auch dies Eingang in seine Bewertung zu finden (vgl. BVerfGE 70, 297 315 f.>).
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ff) Tragen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63, § 67d Abs. 2 StGB) diesen Maßstäben nicht Rechnung, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 316 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Mai 2018 - 2 BvR 1161/16 -, juris, Rn. 22).
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b) Gemessen hieran tragen die angegriffenen Entscheidungen den von Verfassungs wegen an die Begründung von Fortdauerentscheidungen zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend Rechnung. Bereits die vom Landgericht Lüneburg vorgenommene Gefahrenprognose wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (aa). Daneben wird in den angegriffenen Beschlüssen nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise dargelegt, dass die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr das angesichts der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermag (bb). Schließlich fehlt es auch an einer Erörterung der Frage, ob vorliegend den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen hinreichend Rechnung hätte getragen werden können (cc).
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aa) (1) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob dem angegriffenen Beschluss des Landgerichts eine hinreichende Konkretisierung der Art der vom Beschwerdeführer künftig zu erwartenden Straftaten entnommen werden kann. Das Landgericht schließt sich der Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung vom 18. Juli 2016 und den Angaben der Oberärztin Dr. L. im Rahmen der Anhörung, wonach es bei einer Aussetzung der Unterbringung zu massivsten erruptiven Aggressionen mit der Folge erheblicher Straftaten (Tötungsdelikte) kommen könne, "nach eigener kritischer Würdigung" lediglich an und stellt fest, dass weiterhin die Gefahr "erheblicher Straftaten mit schweren seelischen und körperlichen Schäden im Sinne von § 67d Abs. 6, Abs. 3 Satz 1 StGB" vom Beschwerdeführer ausgehe. Eine eigenständige Konkretisierung der zu erwartenden Straftaten erfolgt demgegenüber nicht.
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(2) Jedenfalls fehlt es in dem landgerichtlichen Beschluss an der Bestimmung des Grades der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten. Das Gericht beschränkt sich insoweit auf die Feststellung, dass weiterhin "die Gefahr" erheblicher Straftaten vom Beschwerdeführer ausgehe. Dies genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmung des Grades der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten als Voraussetzung für die gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit nicht. Auch soweit das Landgericht die Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung und die ergänzenden Ausführungen der Oberärztin Dr. L. wiedergibt, ergibt sich hieraus nichts Anderes. Einen Wahrscheinlichkeitsgrad, mit dem Straftaten des Beschwerdeführers zu erwarten sind, bestimmt es damit nicht.
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(3) Das Oberlandesgericht nimmt in seinem angegriffenen Beschluss keine eigene Gefahrenprognose vor, weshalb die dargestellten Verfassungsverstöße des Landgerichts nicht geheilt wurden. Das Oberlandesgericht belässt es bei der knappen Wendung, dass die Gründe des angefochtenen Beschlusses zuträfen und das Beschwerdevorbringen ihnen gegenüber nicht durchgreife.
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bb) Darüber hinaus findet in den angegriffenen Beschlüssen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem zunehmenden Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht statt.
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(1) Der angegriffene Beschluss des Landgerichts erschöpft sich insoweit in der Feststellung, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesichts der fortbestehenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers der Fortdauer der Unterbringung derzeit noch nicht entgegenstehe. Eine Auseinandersetzung mit dem bisherigen Behandlungs- und Vollzugsverlauf sowie mit den dem Beschwerdeführer mittlerweile zuteil gewordenen Lockerungen und seiner Erprobung in der offenen therapeutischen Wohngemeinschaft findet nicht statt. Auch setzt sich das Landgericht nicht mit den weiteren Therapieaussichten und dem zu erwartenden sozialen Empfangsraum für den Beschwerdeführer auseinander. Schließlich erörtert es auch nicht, welche Bedeutung der Dauer der über 16-jährigen Unterbringung für das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers beizumessen ist.
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(2) Das Oberlandesgericht nimmt keine eigene Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit vor, sondern beschränkt sich darauf, auf die Entscheidung des Landgerichts zu verweisen.
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cc) Schließlich setzen sich die angegriffenen Beschlüsse auch nicht mit der Frage auseinander, ob den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen hätte Rechnung getragen werden können. Diesbezüglich hätte im vorliegenden Fall insbesondere angesichts der bisherigen Dauer der Unterbringung des Beschwerdeführers und seines bereits erreichten Lockerungsstatus (unbegleitete Ausgänge) Veranlassung bestanden. Die Gerichte beschränken sich demgegenüber darauf, lediglich zeitnah die Gewährung weiterer Lockerungen des Beschwerdeführers einzufordern. Dies allein vermag die Verhältnismäßigkeit der langandauernden Unterbringung des Beschwerdeführers nicht zu begründen.
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3. Es ist daher festzustellen, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzen (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts Celle ist aufzuheben und die Sache ist aufgrund der prozessualen Überholung durch die rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Lüneburg vom 16. April 2018 zur erneuten Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers an das Oberlandesgericht Celle zurückzuverweisen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. August 2018 - 2 BvR 2071/16 -, juris, Rn. 26, m.w.N.).
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4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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