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BVerfG 16.06.2017 - 1 BvR 1877/15
BVerfG 16.06.2017 - 1 BvR 1877/15 - Nichtannahmebeschluss: Unzureichende Substantiierung der Verfassungsbeschwerde bzgl eines Anspruchs auf implantologische Leistungen (§ 28 Abs 2 S 9 SGB V <juris: SGB 5>) bei unzureichender Berücksichtigung des Umstandes, dass die Leistung aufgrund fehlender Einbindung in eine medizinische Gesamtbehandlung (§ 28 Abs 2 S 9 SGB 5 aE) abgelehnt worden war - zudem unzureichende Beschwerdebegründung innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG sowie unzureichende Darlegung eines Gleichheitsverstoßes
Normen
Art 3 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG, § 28 Abs 2 S 9 SGB 5
Vorinstanz
vorgehend BSG, 12. Juni 2015, Az: B 1 KR 26/15 B, Beschluss
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 26. Februar 2015, Az: L 1 KR 393/14, Urteil
vorgehend SG Hannover, 18. September 2014, Az: S 2 KR 811/13, Gerichtsbescheid
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 26>; 96, 245 250>; 108, 129 136>; stRspr).
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1. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts wendet, mit der ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verworfen wurde, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Da das Bundessozialgericht keine Entscheidung in der Sache getroffen hat, gehen die materiellen Ausführungen der Beschwerdeführerin ins Leere (vgl. BVerfGE 103, 172 181 f.>). Mit den prozessualen Ausführungen des Bundessozialgerichts setzt sie sich erst im nachgereichten Schriftsatz vom 3. August 2015 und damit nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auseinander.
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2. Auch soweit die Beschwerdeführerin die Entscheidungen von Sozialgericht und Landessozialgericht angreift, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.
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Es fehlt an einer hinreichenden Darlegung der ordnungsgemäßen Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
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Zwar ist eine Verfassungsbeschwerde mangels ordnungsgemäßer Rechtswegerschöpfung in der Regel unzulässig, wenn ein an sich gegebenes Rechtsmittel mangels Nutzung der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten erfolglos bleibt (vgl. BVerfGE 74, 102 114>; BVerfGK 1, 222 223>; stRspr). Es ist verfassungsrechtlich dabei insbesondere unbedenklich, die Beschreitung des Rechtswegs von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 10, 264 267 f.>).
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Allerdings betrifft die Frage der ordnungsgemäßen Rechtswegerschöpfung die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, deren Voraussetzungen das Bundes-verfassungsgericht in eigener Zuständigkeit zu prüfen und über die es allein zu entscheiden hat. Aus der fachgerichtlichen Verwerfung eines Rechtsbehelfs als unzulässig kann daher nicht ohne Weiteres geschlossen werden, der Rechtsweg sei nicht ordnungsgemäß erschöpft worden (vgl. BVerfGE 128, 90 99 f.>; BVerfGK 11, 203 205 f.>).
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Verwirft ein oberstes Bundesgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, weil es alle wesentlichen Aspekte einer Verfassungsfrage bereits als in seiner Rechtsprechung geklärt ansieht, steht dies der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, wenn der Beschwerdeführer vernünftige und gewichtige Gründe für eine Überprüfung dieser Rechtsfrage anführen kann und es sich um eine ungeklärte verfassungsrechtliche Frage handelt (BVerfGE 128, 90 100>).
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Auch wenn die Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde als solche nicht in jedem Falle ausreicht, um von der Unzulässigkeit auch der Verfassungsbeschwerde auszugehen, muss ein Beschwerdeführer daher seinen Vortrag im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedenfalls im Wesentlichen mitteilen, andernfalls nicht einmal erkennbar wird, ob die Nichtzulassungsbeschwerde offenbar unzulässig war und ob der Beschwerdeführer die verfassungsrechtliche Problematik zumindest der Sache nach dem Rechtsmittelgericht unterbreitet hat. Dabei genügt es nicht, die zur Begründung eingereichten Schriftsätze unter pauschaler Bezugnahme vorzulegen, da es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, sich das verfassungsrechtlich Relevante aus den vorgelegten Unterlagen herauszusuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 263>; 83, 216 228>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Februar 2016 - 2 BvR 63/16 u.a. -, juris).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Beschwerdeführerin die ordnungsgemäße Rechtswegerschöpfung ebenfalls nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG dargetan. In ihrer Verfassungsbeschwerdeschrift vom 27. Juni 2015 schildert die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht, sondern teilt nur mit, dass diese mit den als Anlage vorgelegten anwaltlichen Schriftsätzen eingelegt und begründet worden sei und dass das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen habe, ohne sich zu der Begründung des Beschlusses einzulassen. Der mit Schriftsatz vom 3. August 2015 nachgereichte Vortrag konnte wegen Nichteinhaltung der Monatsfrist (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) nicht berücksichtigt werden.
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3. Im Übrigen lässt der Vortrag der Beschwerdeführerin auch in der Sache die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert und damit den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend erkennen.
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Nach diesen Vorschriften ist ein Beschwerdeführer gehalten, innerhalb der Beschwerdefrist die Grundrechtsverletzung durch Bezeichnung des angeblich verletzten Rechts und des die Verletzung enthaltenden Vorgangs substantiiert und schlüssig vorzutragen. Dabei hat er auch darzulegen, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 87>) beziehungsweise mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (vgl. BVerfGE 108, 370 386>). Werden gerichtliche Entscheidungen angegriffen, so muss sich der Beschwerdeführer auch mit deren Gründen auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 101, 331 345>; 105, 252 264>).
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Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht.
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4. Soweit die Verfassungsbeschwerde auf eine unzureichende demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die Verfassungswidrigkeit der von ihm erlassenen Behandlungsrichtlinie und die diese anwendenden behördlichen und fachgerichtlichen Entscheidungen gestützt ist, kann sich die Beschwerdeführerin zwar auf durchaus gewichtige Argumente stützen, setzt sich aber mit einem zentralen Gesichtspunkt der angegriffenen Entscheidungen und der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V nicht auseinander.
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Obwohl die Fachgerichte die angegriffenen Entscheidungen gerade auch auf die in § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V als Voraussetzung für einen Anspruch auf implantologische Leistungen normierte, vorliegend aber nicht erfüllte Voraussetzung der Einbindung der Behandlung in eine medizinische Gesamtbehandlung gestützt haben, setzt sich die Beschwerdebegründung nicht ausreichend substantiiert damit auseinander, dass die Leistungsablehnung bereits unmittelbar auf den gesetzlichen Vorgaben beruht.
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5. Auch die Rüge der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG genügt den Begründungsanforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht.
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Soll ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichheitsgebot gerügt werden, so muss der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die Begründungsanforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG darlegen, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine Ungleichbehandlung bestehen soll, und sich mit nahe liegenden Gründen für die Differenzierung auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 131, 66 82>). Der Beschwerdeführer muss darlegen, inwieweit es sich bei den von ihm gebildeten Vergleichsgruppen um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handelt (vgl. BVerfGE 130, 151 174 f.>).
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Dies gelingt der Beschwerdeführerin vorliegend nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob im konkreten Fall bei Vergleich der Personen, bei denen implantologische Leistungen medizinisch indiziert sind und die diese Leistungen erhalten, mit solchen Personen, die bei identischer Indikation keine Leistungen erhalten, ein wesentlich gleicher Sachverhalt besteht. Denn der Leistungsausschluss im Fall der Beschwerdeführerin gründet sich, wie bereits dargestellt, vorliegend gerade auch auf die fehlende Einbindung der Behandlung in eine Gesamtbehandlung, mithin der Nichterfüllung einer tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V.
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Dessen ungeachtet hat sich die Beschwerdeführerin auch nicht mit den die gesetzliche Regelung möglicherweise tragenden Rechtfertigungsgründen für eine Ungleichbehandlung in substantieller Weise auseinandergesetzt.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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