BVerfG 20.03.2012 - 1 BvR 3069/11 - Zurückweisung einer Gegenvorstellung gegen die Versagung von PKH - mangelnde Erfolgsaussichten der beabsichtigten Verfassungsbeschwerde aus anderen Gründen - keine Bedenken gegen PKH-Versagung durch Fachgerichte - keine unzulässige Beweisantizipation durch Fachgerichte - Entbehrlichkeit der PKH-Gewährung und Rechtsanwaltsbeiordnung bei Befähigung des Antragstellers zur Wahrnehmung seiner Interessen
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 114 S 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 18. Juli 2011, Az: L 29 AS 1044/11 B PKH, Beschluss
vorgehend SG Berlin, 5. Mai 2011, Az: S 116 AS 11612/10, Beschluss
vorgehend BVerfG, 10. Januar 2012, Az: 1 BvR 3069/11, Prozesskostenhilfebeschluss
Tenor
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Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 10. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
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Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 10. Januar 2012 ist zurückzuweisen, ohne dass eine Entscheidung darüber erforderlich
ist, ob diese statthaft ist (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Oktober 2011 - 2 BvR 2674/10
-, juris, Rn. 17). Denn sie ist jedenfalls unbegründet, weil der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
eines Rechtsanwalts für die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde auch aus anderen Gründen als den im Beschluss vom 10. Januar
2012 genannten abzulehnen ist.
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1. So hat die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO), weil die Beschlüsse
des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts, mit denen dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für seine Untätigkeitsklage
versagt worden ist, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind.
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a) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind geklärt. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung
mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG, das für öffentlichrechtliche Streitigkeiten in Art. 19 Abs. 4 GG verankert
ist, erfordert eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes.
Diesen verfassungsrechtlich gebotenen Zweck der Prozesskostenhilfe haben die Fachgerichte bei Auslegung und Anwendung der
hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO zu beachten. Den ihnen zukommenden Entscheidungsspielraum überschreiten
sie, wenn sie in Verkennung der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzgleichheit die Anforderungen an die Erfolgsaussichten
überspannen und der unbemittelten Partei im Verhältnis zur bemittelten die Rechtsverfolgung unverhältnismäßig erschweren.
Dies ist der Fall, wenn dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorenthalten
wird, obwohl eine durchzuführende Beweisaufnahme über eine umstrittene, entscheidungserhebliche Tatsache ernsthaft in Betracht
kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des bedürftigen
Antragstellers ausgehen werde (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 1. Juli 2009 - 1 BvR 560/08 -, juris,
Rn. 11 f.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2009 - 1 BvR 2733/06 -, juris, Rn. 12 f.).
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b) Hier kam nach den Ausführungen des Sozialgerichts und Landessozialgerichts keine Beweisaufnahme in Betracht, weil der Antragsteller
eine konkrete Einlassung des verklagten JobCenters nicht substantiiert bestritten hat. Es handelt sich dabei nicht um eine
verfassungsrechtlich problematische Beweisantizipation, sondern um die Beurteilung, ob überhaupt Beweis zu erheben ist. Dies
ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht geboten, dem Antragsteller zu gestatten,
sich erst nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu äußern. Denn dann müsste Prozesskostenhilfe ins Blaue hinein bewilligt
werden, ohne dass die Erfolgsaussichten für die Klage beurteilt werden könnten. Ungeachtet dessen ist es nicht nachvollziehbar,
wieso der Antragsteller erst nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Lage sein soll, substantiiert zu bestreiten. Schließlich
vermag er sich gut auszudrücken und juristische Probleme zu erörtern. Daher haben die Gerichte die Anforderungen an die hinreichende
Erfolgsaussicht nicht überspannt. Deswegen besteht wiederum keine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde.
Dem Antragsteller ist daher keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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2. Außerdem ist eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich (BVerfGE 27,
57; 92, 122 123>). Denn das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenfrei (§ 34 Abs. 1 BVerfGG); ein Rechtsanwaltszwang
besteht nicht (§ 22 Abs. 1 BVerfGG). Der Antragsteller ist ausweislich seiner Antragsschrift durchaus in der Lage, seine Interessen
wahrzunehmen, weil er sich gut ausdrücken und juristische Probleme erörtern kann. Dies bestätigt seine Gegenvorstellung.
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Aus diesen Gründen bleibt es bei der Ablehnung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 10. Januar 2012. Die Gegenvorstellung
ist zurückzuweisen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.