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BVerfG 17.11.2011 - 1 BvR 1145/11
BVerfG 17.11.2011 - 1 BvR 1145/11 - Nichtannahmebeschluss: Zum Verhältnis zwischen der Pressefreiheit (Art 5 Abs 1 S 2 GG) und dem eigentumsrechtlich geschützten Urheberrecht (Art 14 Abs 1 S 1 GG) - hier: Wiedergabe bildlicher Werke in Online-Archiv einer Tageszeitung - keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Auslegung und Anwendung des § 50 UrhG in angegriffenem Urteil
Normen
Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 5 Abs 2 GG, § 19a UrhG, § 50 UrhG
Vorinstanz
vorgehend BGH, 5. Oktober 2010, Az: I ZR 127/09, Urteil
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Verhältnis von Urheberrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
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Der Bundesgerichtshof hat mit dem angegriffenen Urteil (veröffentlicht unter anderem in GRUR 2011, S. 415) entschieden, dass die Beschwerdeführerin - ein Zeitungsverlag - dadurch, dass sie ihre mit Abbildungen von Werken der bildenden Kunst versehenen Artikel in ihr öffentlich zugängliches Online-Archiv im Internet eingestellt habe, in das von der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (Klägerin) wahrgenommene ausschließliche Recht der Urheber aus § 19a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) eingegriffen habe, ohne sich auf die Schrankenbestimmung des § 50 UrhG berufen zu können.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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II.
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Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (vgl. BVerfGE 90, 22 24 ff.>).
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Die Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen auf (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Abwägung des Verhältnisses von Pressefreiheit und Urheberrecht bei der Verwendung von Online-Archiven bewegt sich im Rahmen der Rechtsauslegungs- und Wertungsbefugnis der Fachgerichte; die grundsätzlichen Verfassungsfragen sind insoweit geklärt.
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Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Grundrechts der Beschwerdeführerin angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Insbesondere begegnet die Auslegung und Anwendung der streitentscheidenden Vorschrift des Urheberrechtsgesetzes (§ 50 UrhG) von Verfassungs wegen keinen Bedenken.
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1. a) Die Beschwerdeführerin ist als Verlegerin von Tageszeitungen durch die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geschützt. Auch als juristische Person des Privatrechts kann sie sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG hierauf berufen (vgl. BVerfGE 80, 124 131>; 95, 28 34>). Die Pressefreiheit sichert die Freiheit der Herstellung und Verbreitung von Druckerzeugnissen und damit das Kommunikationsmedium Presse (vgl. BVerfGE 85, 1 12 f.>; 113, 63 75>). Ihrem Schutz unterfällt auch das Führen eines Online-Archivs mit illustrierten Zeitungsartikeln.
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Aufgabe der Presse ist es, umfassende Information zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten (vgl. BVerfGE 52, 283 296>). Die Möglichkeiten der Beschwerdeführerin, ihr Informationsangebot im Online-Archiv noch nach dem aktuellen Berichtsanlass der Öffentlichkeit über die vier ihr von der Klägerin zugestandenen Wochen hinaus zur Verfügung zu stellen, werden durch die angegriffene Gerichtsentscheidung eingeschränkt. Die Beschwerdeführerin ist nunmehr gezwungen, entweder (1) die archivierten Illustrationen nach spätestens vier Wochen zu löschen, (2) von einer Archivierung der Bilder von vornherein abzusehen und allenfalls den Text einzustellen oder (3) für die über vier Wochen hinausgehende Archivierung der Illustrationen eine Lizenzgebühr zu entrichten.
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b) Demgegenüber konnte sich die Klägerin im Streitfall auf die von ihr wahrgenommenen Urheberrechte stützen. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG steht unter dem Schutz des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 31, 229 240 f.>; 79, 1 25>). Der Ausschluss eines Vergütungsanspruchs - wie hier durch § 50 UrhG - kann allerdings nicht durch jede Gemeinwohlerwägung gerechtfertigt werden; hierfür muss ein gesteigertes öffentliches Interesse gegeben sein (vgl. BVerfGE 31, 229 243>; 49, 382 400>; 79, 29 41>).
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c) Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen - hier die Pressefreiheit - im Wege praktischer Konkordanz beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 9>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09 "Cassina" -, ZUM 2011, S. 825 = ZIP 2011, S. 1809 = WM 2011, S. 1874, zu C. II. 2. a). Demgegenüber ist es nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. BVerfGE 94, 1 9 f.>; 112, 332 358>; 120, 180 210>). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist vielmehr erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des jeweiligen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (vgl. BVerfGE 89, 1 9 f.>; 112, 332 358 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. Juli 2011, a.a.O.).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe vermag die Verfassungsbeschwerde keine Verletzung der Pressefreiheit darzutun.
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a) Die Rüge der Beschwerdeführerin, der Bundesgerichtshof habe das Spannungsverhältnis zwischen Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht behandelt, geht fehl.
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aa) Das gesetzliche Zusammenspiel von § 19a UrhG einerseits und der Schrankenregelung zugunsten der Tagesberichterstattung in § 50 UrhG andererseits dient dazu, die genannten Grundrechtspositionen von Urhebern und Presseunternehmen in Ausgleich zu bringen (vgl. die Einzelbegründung zum Entwurf des § 50 UrhG vom 23. März 1962, BTDrucks IV/270, S. 66 f.; näher Vogel, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010, § 50 Rn. 1 ff. m.w.N.). Gegen diese gesetzlichen Vorschriften werden verfassungsrechtliche Bedenken weder erhoben noch sind sie ersichtlich.
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Angesichts der expliziten gesetzlichen Regelung bedurfte es neben der Auslegung und Anwendung der urheberrechtlichen Vorschriften keiner gesonderten Grundrechtsabwägung; die Abwägung hatte vielmehr im Rahmen der Auslegung und Anwendung von § 50 UrhG zu erfolgen (vgl. BVerfGE 112, 332 358>; vgl. auch BGHZ 154, 260 264 ff.> "Gies-Adler"). Eine losgelöste Einzelfallabwägung durch die Gerichte würde in das vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfGE 31, 229 240 f.>; 79, 1 25>) bereits allgemein geregelte Verhältnis von Urheberrecht und Recht der Berichterstattung übergreifen.
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Die Auslegung und Anwendung von § 50 UrhG musste allerdings im Einklang mit der Verfassung erfolgen, somit insbesondere auch die in der konkreten Fallkonstellation in Frage stehenden Grundrechtspositionen der Streitparteien angemessen verarbeiten. Hierauf erstreckt sich die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts.
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bb) Die Beschwerdeführerin weist zutreffend darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die "allgemeinen Gesetze" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG ihrerseits aus der Erkenntnis der Bedeutung der Freiheit der Meinungsäußerung, der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer diese Grundrechte beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken sind (vgl. BVerfGE 7, 198 208 f.>; 71, 206 214>). Soweit allerdings die Einwirkung der grundrechtlichen Pressefreiheit auf privatrechtliche Vorschriften in Frage steht, können ihr im Hinblick auf die Eigenart der geregelten Rechtsverhältnisse engere Grenzen gezogen sein als in ihrer Bedeutung als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 66, 116 135>).
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Im Streitfall ist mit dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Urheberrecht eine weitere Grundrechtsposition zu berücksichtigen, die ihrerseits der Einschränkung unter dem Gesichtspunkt von Art. 5 Abs. 1 GG nur in dem vom Gesetzgeber im Grundsatz abschließend geregelten Rahmen unterliegt. In solchen Fällen verbietet sich die Anwendung der Regel, nach der Schrankenregelungen des Urheberrechts grundsätzlich eng auszulegen seien (wie hier BGHZ 150, 6 8 f.> "Verhüllter Reichstag" m.w.N.; BGH, Urteil vom 27. Januar 2005 - I ZR 119/02 "Wirtschaftswoche" -, GRUR 2005, S. 670 671>), ebenso wie diejenige der umgekehrten Regel, dass der Meinungs- und Pressefreiheit grundsätzlich der Vorrang vor dem nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Urheberrecht einzuräumen sei (vgl. zum Meinungsstand Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, Rn. 7 vor §§ 44a ff.; Melichar, in: Schricker/Loewenheim, a.a.O., Rn. 18 ff. vor §§ 44a ff.; jeweils m.w.N.).
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b) Die Auslegung und Anwendung des § 50 UrhG im angegriffenen Urteil orientiert sich an Wortlaut, gesetzgeberischen Motiven sowie Sinn und Zweck der Regelung. Soweit die Verfassungsbeschwerde dieser Auslegung eine abweichende Rechtsauffassung gegenüberstellt, geht sie über das einfache Recht nicht hinaus. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht; insbesondere wurden in dem beanstandeten Urteil keine abwägungsrelevanten Umstände übersehen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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