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BFH 03.05.2023 - II B 27/22
BFH 03.05.2023 - II B 27/22 - Einhalten der Vorbehaltensfrist bei Ausgliederung zur Aufnahme
Normen
§ 6a S 1 GrEStG 1997, § 6a S 3 GrEStG 1997, § 6a S 4 GrEStG 1997, § 1 Abs 1 Nr 2 UmwG 1995, § 123 Abs 3 Nr 1 UmwG 1995, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, Art 3 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend FG München, 3. März 2022, Az: 4 K 1241/21, Urteil
Leitsatz
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NV: Bei der Ausgliederung zur Aufnahme durch Übertragung eines Teils oder von Teilen jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger (übernehmende Rechtsträger) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes muss die fünfjährige Vorbehaltensfrist im Sinne des § 6a Satz 4 des Grunderwerbsteuergesetzes eingehalten werden. Anders als bei der Ausgliederung zur Neugründung entsteht die ausgegliederte Gesellschaft nicht durch die Umwandlung neu, sondern bestand bereits vor der Umwandlung. Die Einhaltung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist wäre faktisch möglich gewesen.
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 03.03.2022 - 4 K 1241/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).
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a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (BFH-Beschluss vom 28.07.2022 - II B 98/21, BFH/NV 2022, 1063, Rz 7).
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Dieselben Grundsätze gelten für die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung (BFH-Beschluss vom 25.05.2021 - II B 87/20, BFH/NV 2021, 1208, Rz 5).
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b) Nach diesen Grundsätzen ist die Revision mangels Klärungsbedarfs weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch zur Rechtsfortbildung zuzulassen.
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aa) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob der Vergünstigung nach § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes in der auf den Streitfall anwendbaren Fassung (GrEStG) die an sich nicht eingehaltene Vorbehaltensfrist von fünf Jahren entgegensteht, wenn die abhängige Gesellschaft innerhalb dieser Frist vom herrschenden Unternehmen neu gegründet wird und nachfolgend vor Ablauf von fünf Jahren an einem konzerninternen Umwandlungsvorgang im Sinne einer Ausgliederung zur Aufnahme beteiligt ist.
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bb) Die aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung so zu beantworten, wie es das FG getan hat.
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aaa) Nach § 6a Satz 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a steuerbaren Rechtsvorgang auf Grund einer Umwandlung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes (UmwG), einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben. Satz 1 gilt auch für entsprechende Umwandlungen, Einbringungen sowie andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage auf Grund des Rechts eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet (§ 6a Satz 2 GrEStG). Satz 1 gilt nur, wenn an dem dort genannten Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG).
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§ 6a GrEStG setzt voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang eine oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften i.S. des § 6a Satz 3 i.V.m. Satz 4 GrEStG beteiligt sind. § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG verlangen dem Wortlaut nach den Bestand des dort bestimmten Abhängigkeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist). Umwandlungsvorgänge, bei denen eine beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, fallen nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG nicht in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG. Eine vor oder nach der Umwandlung nicht existente Gesellschaft kann die in § 6a Satz 4 GrEStG bestimmten zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen, mit der Folge, dass entgegen den Anforderungen des § 6a Satz 3 GrEStG an dem Umwandlungsvorgang auch (mindestens) eine Gesellschaft beteiligt wäre, die mangels Einhaltung der Nachbehaltensfrist (im Falle des Erlöschens) bzw. der Vorbehaltensfrist (im Falle der Neugründung) nicht von dem herrschenden Unternehmen "abhängig" wäre (BFH-Urteil vom 21.08.2019 - II R 21/19 (II R 56/15), BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, Rz 17 ff.). Die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie auf Grund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss in Fällen der Verschmelzung nur die Vorbehaltensfrist und in Fällen der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden. Das gilt bei der Verschmelzung sowohl für die Verschmelzung auf die abhängige Gesellschaft als auch für die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen. Die Nachbehaltensfrist muss bei der Verschmelzung und die Vorbehaltensfrist bei der Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung nicht eingehalten werden, um die Steuerbegünstigung zu erlangen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, Rz 27). Die Nichteinhaltung der Vorbehaltens- oder Nachbehaltensfrist muss auf umwandlungsbedingten Gründen beruhen. Bei einer Ausgliederung zur Neugründung kann die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch die Ausgliederung entsteht. Bei der Ausgliederung zur Aufnahme durch Übertragung eines Teils oder von Teilen jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger (übernehmende Rechtsträger) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG entsteht die ausgegliederte Gesellschaft nicht durch die Umwandlung neu. Vielmehr haben beide an dem Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften schon vor der Ausgliederung bestanden. Die Vorbehaltensfrist kann in einem solchen Fall eingehalten werden. Deshalb ist --entgegen der klägerischen Auffassung-- eine Auslegung des § 6a Satz 4 GrEStG dahingehend, dass auch dann, wenn bei einer Ausgliederung zur Aufnahme das abhängige Unternehmen erst innerhalb der fünfjährigen Vorbehaltensfrist gegründet und im Anschluss innerhalb dieses Zeitraums auf diese Gesellschaft Vermögen im Wege der Aufnahme übertragen wurde, die Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden muss, nicht möglich. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist nicht gegeben, da es sich bei Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns, bei denen die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt eingehalten und bei solchen, in denen dies lediglich faktisch nicht möglich ist, um nicht vergleichbare Sachverhalte handelt.
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bbb) Die vorgenannten Grundsätze hat das FG zutreffend auf den Streitfall angewandt und zu Recht die Steuerbegünstigung versagt. Die Einhaltung der Vorbehaltensfrist war im Streitfall weder rechtlich noch --entgegen der Auffassung der Klägerin-- faktisch unmöglich. Die Vorbehaltensfrist hätte durch eine Ausgliederung zu einem späteren Zeitpunkt eingehalten werden können.
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2. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
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a) Die Zulassung der Revision aus diesem Grund setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (BFH-Beschluss vom 25.01.2022 - XI B 60/20, BFH/NV 2022, 827, Rz 4).
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b) Die Klägerin beruft sich auf eine Divergenz zum Beschluss des FG Nürnberg vom 27.06.2013 - 4 V 1742/12 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1517). Ihr ist zwar zuzugeben, dass das FG Nürnberg in diesem Beschluss über die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids Zweifel daran hatte, ob bei einer Ausgliederung zur Aufnahme die Vorbehaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG einzuhalten sei. Der BFH hat zwischenzeitlich aber eindeutig entschieden (BFH-Urteile vom 21.08.2019 - II R 19/19 (II R 63/14), BFHE 266, 343, BStBl II 2020, 337, Rz 34 f., und in BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, Rz 26 ff.), dass die Vorbehaltensfrist nur in den Fällen nicht einzuhalten ist, in denen dies umwandlungsbedingt nicht möglich ist. Dies gilt bei Ausgliederungen nur für solche zur Neugründung, bei der im Rahmen der Ausgliederung die aufnehmende Gesellschaft neu entsteht, nicht aber --wie im Streitfall-- für Ausgliederungen zur Aufnahme, wo die aufnehmende Gesellschaft bereits vor der Ausgliederung existierte. Da die Rechtslage mittlerweile durch den BFH eindeutig geklärt ist, ist eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit nicht mehr erforderlich.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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4. Die Entscheidung ergeht im Übrigen gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.
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