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BFH 13.11.2019 - V R 30/18
BFH 13.11.2019 - V R 30/18 - Organschaft: Wirtschaftliche Eingliederung im Umsatzsteuerrecht
Normen
§ 2 Abs 1 UStG 2005, § 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, Art 9 EGRL 112/2006, Art 11 EGRL 112/2006, § 170 Abs 2 S 1 Nr 1 AO, UStG VZ 2006, UStG VZ 2007, UStG VZ 2008, UStG VZ 2009
Vorinstanz
vorgehend FG München, 13. September 2018, Az: 3 K 949/16, Urteil
Leitsatz
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1. Zu einer wirtschaftlichen Eingliederung durch Darlehen kann es nur kommen, wenn diese im Rahmen eines Unternehmens gewährt werden. Darlehen durch entgeltliches Stehenlassen von Ansprüchen reichen nicht .
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2. Hat der Mehrheitsgesellschafter die Umsätze der Tochtergesellschaft für das FA erkennbar in seiner Steueranmeldung erfasst, obwohl die Voraussetzungen für eine Organschaft nicht gegeben sind, beginnt die Festsetzungsfrist bei der Tochtergesellschaft gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Mehrheitsgesellschafter die Steueranmeldung abgegeben hat .
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 13.09.2018 - 3 K 949/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, war die M-GmbH. Unternehmensgegenstand der Klägerin war die Produktion von Funkwerbespots, die Synchronisation oder Vertonung von Film- und Videomaterial sowie die Musikproduktion von Tonträgern. Unternehmensgegenstand der M-GmbH war der Handel mit sowie die Vermietung von elektronischen und elektrotechnischen Geräten aller Art und die Beteiligung an anderen Unternehmen aller Art sowie das Halten und Verwalten solcher Beteiligungen.
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Die M-GmbH hielt zunächst 80 % und seit 02.08.2007 alle Gesellschaftsanteile an der Klägerin. Am 18.06.2003 hatten die Klägerin und die M-GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Die Klägerin, die M-GmbH und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gingen für die Streitjahre zunächst davon aus, dass die Klägerin als Organgesellschaft in die M-GmbH als Organträger eingegliedert sei.
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Mit Vereinbarung vom 01.07.2007 verpflichteten sich die Klägerin, die M-GmbH, die P-GmbH und die PM-GmbH, untereinander im Wege von Buchungen auf Verrechnungskonten Darlehen zu gewähren, und zwar zu einem Zinssatz von 2 % p.a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz. Die Höhe der von der M-GmbH gewährten Darlehen belief sich auf 66.370,54 € (2006), 128.263,14 € (2007), 169.731,16 € (2008) sowie 252.936,61 € (2009). Die der Klägerin von der M-GmbH gewährten Darlehen setzten sich aus von der Klägerin gegenüber der M-GmbH geschuldeten, aber nicht geleisteten Umsatzsteuerzahlungen sowie aus von der Klägerin an die M-GmbH nicht ausgezahlten Gewinnabführungen zusammen. Die von der Klägerin hierfür geschuldeten Zinsen beliefen sich auf 2.146,82 € (2007), 9.325,87 € (2008) sowie 4.871,26 € (2009).
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Zudem übernahmen die M-GmbH sowie ihr Geschäftsführer mehrere Bürgschaften für Bankdarlehen der Klägerin. Für die Bürgschaften wurde keine Vergütung vereinbart.
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Die Klägerin veräußerte Gegenstände ihres Anlagevermögens mit Rechnung vom 04.12.2006 für 242.200 € an die MD-GmbH. Ferner veräußerte sie weitere Gegenstände ihres Anlagevermögens mit Rechnung vom 06.12.2006 für 27.500 € an die GG-GmbH. Die beiden Unternehmen veräußerten diese Gegenstände an die M-GmbH, die sie mit Rechnung vom 21.12.2006 an die L-GmbH & Co. KG weiterveräußerte. Die L-GmbH & Co. KG verleaste diese Gegenstände wiederum an die Klägerin zurück.
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Am 15.12.2011 begann das FA F aufgrund einer Anordnung vom 06.12.2011 bei der Klägerin mit einer Außenprüfung zur Umsatzsteuer 2006 bis 2009, in dessen Rahmen der Prüfer davon ausging, dass es für die bis dahin angenommene Organschaft an der wirtschaftlichen Eingliederung fehle. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 23.04.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M-GmbH eröffnet. Im Anschluss an die Außenprüfung setzte das FA die Umsatzsteuer für die Streitjahre erstmalig mit Bescheiden vom 01.09.2014 fest, da mangels wirtschaftlicher Eingliederung keine Organschaft zur M-GmbH bestanden habe. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Eine im Juni 2015 für die Klägerin angeordnete vorläufige Insolvenzverwaltung wurde noch im gleichen Monat wieder aufgehoben.
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Das Finanzgericht (FG) wies mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 2077 veröffentlichen Urteil die Klage als unbegründet ab. Weder die Gewährung von "Darlehen" noch die Übernahme von Bürgschaften begründe eine wirtschaftliche Eingliederung, wenn zwischen den verbundenen GmbHs zumindest anfänglich keine Verzinsung vereinbart worden sei. Die Darlehen hätten sich aus nicht geleisteten Umsatzsteuerzahlungen sowie nicht abgeführten Gewinnen zusammengesetzt. Im Hinblick auf die Höhe der Umsätze der Klägerin komme den in den Streitjahren 2007 bis 2009 vorliegenden Zinszahlungen nur geringe Bedeutung zu. Eine mittelbare Verflechtung über mögliche Organgesellschaften der M-GmbH im Rahmen eines Sale-and-Lease-back-Geschäfts werde durch die Zwischenschaltung einer nicht konzernangehörigen Gesellschaft unterbrochen. Allein die finanzielle Unterstützung der einen GmbH durch die andere GmbH bewirke noch keine wirtschaftliche Verflechtung der Unternehmensbereiche der beiden Unternehmen.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Das FG habe den Begriff der wirtschaftlichen Eingliederung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unzutreffend ausgelegt. Es habe die bereits für 2006 vorgenommene Verzinsung übersehen und das Vorliegen eines vernünftigen wirtschaftlichen Zusammenhangs nicht geprüft. Eine Möglichkeit zur Einflussnahme habe sich bereits aus dem Recht zur Kündigung der Darlehen ergeben. Zu Unrecht stelle das FG auf das Erfordernis eines Entgelts ab. Dieses ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Der Bundesfinanzhof (BFH) verlange einen vernünftigen wirtschaftlichen Zusammenhang. Die Darlehensgewährungen hätten die Wirtschaftskraft der Klägerin durch die Zuwendung von Liquidität gefördert. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus der Richtlinie und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Das Entgelterfordernis widerspreche einer rechtssicheren Auslegung. Schon der Begriff der wirtschaftlichen Eingliederung sei nicht präzise. Der Bestimmtheitsgrundsatz sei ebenso zu beachten wie der Vereinfachungszweck. Unzutreffend sei auch die Auffassung des FG zur Unentgeltlichkeit der Bürgschaften. Die M-GmbH habe auch wesentliche unternehmerische Aufgaben wie Finanzierung oder Entwicklung von Leasingmodellen übernommen. Auch insoweit komme es nicht auf eine Entgeltlichkeit an. Es liege zudem ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor. Das Abstellen auf das Verhältnis von Umsätzen zu Zinszahlungen sei willkürlich. Die Darlehensbeträge seien gestiegen, was auf einen erhöhten Finanzierungsbedarf hindeute. Auch eine schwach ausgeprägte wirtschaftliche Eingliederung reiche aus. Für die Forderung nach einer Entgeltlichkeit als Voraussetzung für die wirtschaftliche Eingliederung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH ergebe sich keine Begründung hierfür. Zudem stelle die Entgeltlichkeit nur ein mögliches Kriterium für die wirtschaftliche Eingliederung dar. Das Erfordernis einer unternehmerisch und entgeltlich erbrachten Leistung sei zweifelhaft. Auf einen Vergleich mit einer banküblichen Kreditgewährung komme es nicht an. Diese sei kein geeigneter Vergleichsmaßstab für das Vorliegen unternehmerischen Handelns. Stattdessen unterliege es der freien unternehmerischen Entscheidung des Organträgers, wie er die Organgesellschaft finanziere. Eine Auszahlung mit nachfolgender Darlehensausreichung, die unternehmerisch sei, sei nicht erforderlich. Es liege ein nachhaltiges Finanzierungskonzept vor. Die Darlehen hätten einen nicht unerheblichen Anteil der Verbindlichkeiten der Klägerin ausgemacht. Auch die Bürgschaften hätten der Finanzierung des Geschäftsbetriebs der Klägerin und damit der Gewinnerzielung gedient, wovon die M-GmbH als Organträger profitiert habe, da sie so über die Klägerin als Gewinnquelle verfügt habe. Dies sei über eine bloße Gesellschafterstellung hinausgegangen. Der Organträger habe zudem das Sale-and-lease-back-Geschäft gesteuert. Die Zwischenschaltung einer nicht konzernangehörigen Gesellschaft beim Sale-and-lease-back-Geschäft habe die wirtschaftliche Verflechtung nicht unterbrochen. Eine mittelbare Verflechtung reiche aus. Auch eine finanzielle Unterstützung begründe die wirtschaftliche Eingliederung. Das FG habe nicht das Gesamtbild der Verhältnisse geprüft. Es bestehe ein Wertungswiderspruch zu § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Vertrauensschutz sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden. Schließlich sei die treuwidrige Verrechnung durch das FA nicht berücksichtigt worden.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG und die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2006 bis 2009, jeweils vom 01.09.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.03.2016 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Entgeltliche Leistungen zwischen Organträger und Organgesellschaft seien erforderlich. Es liege kein Verstoß gegen die Denkgesetze vor. Die Zwischenschaltung der nicht konzernangehörigen Gesellschaft unterbreche die wirtschaftliche Verflechtung. Eine lediglich finanzielle Unterstützung reiche nicht aus. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG sei ohne Bedeutung. Im Hinblick auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung bestehe kein Vertrauensschutz. Auf die Aufrechnung komme es nicht an.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das FG hat die Organschaft mangels wirtschaftlicher Eingliederung zutreffend verneint. Die Bescheide sind auch vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen.
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1. Die Organschaft erfordert nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine wirtschaftliche Eingliederung.
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a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach "jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln" kann.
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b) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG müssen nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein (BFH-Urteile vom 07.07.2011 - V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, unter II.2.c; vom 20.08.2009 - V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II.2.c aa). Dies beruht darauf, dass das nationale Recht ohne Verstoß gegen die Richtlinie die Organschaft auf eine Verbindung zwischen Unternehmen beschränkt, wie sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergibt. Danach übt die Organgesellschaft eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit und damit eine unternehmerische Tätigkeit nicht selbständig aus und muss zudem eine Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2015 - V R 67/14, BFHE 251, 547, BStBl II 2017, 560, zur unionsrechtlichen Zulässigkeit dieser Einschränkung).
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Dabei kann die wirtschaftliche Eingliederung auf entgeltlichen Leistungen des Mehrheitsgesellschafters (Organträger) gegenüber seiner Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) beruhen, wenn diesen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zukommt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 06.05.2010 - V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II 2010, 1114, unter II.3.b bb (3)). Die Leistungen müssen im Rahmen eines Unternehmens i.S. einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG und damit im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG erbracht werden. Dementsprechend hat der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden, dass unentgeltliche Leistungen des Mehrheitsgesellschafters an seine Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Eingliederung in das Unternehmen des Mehrheitsgesellschafters nicht begründen können (BFH-Urteile in BFHE 226, 465, BStBl II 2010, 863, unter II.2.c cc, und vom 18.06.2009 - V R 4/08, BFHE 226, 382, BStBl II 2010, 310, Leitsatz und unter II.3.b bb).
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2. Das FG hat im Streitfall die wirtschaftliche Eingliederung jedenfalls im Ergebnis zutreffend verneint.
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a) Zu einer wirtschaftlichen Eingliederung durch Darlehen kann es nur kommen, wenn diese nach den vorstehenden Kriterien (s. oben II.1.b) im Rahmen eines Unternehmens gewährt werden, woran es im Streitfall fehlt.
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aa) Ob unternehmerisch und dabei insbesondere nachhaltig sowie gegen Entgelt erbrachte Leistungen nach § 2 Abs. 1 UStG vorliegen, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung nach der Dauer und der Intensität des Tätigwerdens, der Höhe der Entgelte, der Beteiligung am Markt, der Zahl der ausgeführten Umsätze, dem planmäßigen Tätigwerden und dem Unterhalten eines Geschäftslokals (BFH-Urteil vom 26.04.2012 - V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, unter II.2.c).
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bb) Liegen die vorgenannten Kriterien nicht vor, beruht die Einnahmeerzielung durch Zufluss von Zinsen und anderen Erträgen aus Kapitalanlagen und -beteiligungen nicht auf einer nachhaltigen gewerblichen oder beruflichen Betätigung (BFH-Urteil vom 15.01.1987 - V R 3/77, BFHE 149, 272, BStBl II 1987, 512, unter 2.a). Im Hinblick auf die Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer (BFH-Urteil vom 02.12.2015 - V R 25/13, BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547, und BFH-Urteil vom 06.09.2007 - V R 16/06, BFH/NV 2008, 1710, unter II.3.), nach der auch juristische Personen nur unter den Bedingungen des § 2 Abs. 1 UStG Unternehmer sind, gilt dies nicht nur für die Darlehensgewährung durch Letztverbraucher, die verzinsliche Bankkonten unterhalten, sondern auch für die Kapitalgesellschaften, die wie im Streitfall Darlehen an Tochtergesellschaften vergeben. Auch hier führt die verzinsliche Darlehensgewährung nur dann zu einer unternehmerischen Tätigkeit, wenn sie wie den vorstehenden Kriterien unternehmerischer Tätigkeit entspricht.
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cc) Damit entspricht die Rechtsprechung des erkennenden Senats den Vorgaben des Unionsrechts (Art. 9 MwStSystRL). Hierzu hat der EuGH entschieden, dass zwar Dienstleistungen wie Geldanlagen bei Banken nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn sie von nicht als Steuerpflichtige handelnden Personen erbracht werden. Dies gilt aber nicht für den Bezug von Zinsen, die ein Immobilienverwalter für die Anlage von Mitteln einnimmt, die er von seinen Klienten im Zusammenhang mit der Verwaltung ihrer Immobilien erhält, da dann eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung seiner steuerbaren Tätigkeit vorliegt und der Immobilienverwalter daher bei einer derartigen Geldanlage als Steuerpflichtiger handelt (EuGH-Urteil Régie dauphinoise vom 11.07.1996 - C-306/94, EU:C:1996:290, Rz 18).
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Bei einer Holdinggesellschaft, die Kapital an ihre Tochtergesellschaften überlässt, kommt es danach darauf an, dass die Darlehensgewährung nicht nur gelegentlich ausgeübt wird und sich nicht wie die eines privaten Anlegers auf die Verwaltung von Anlagen beschränkt, sondern im Rahmen eines Unternehmensziels oder zu einem geschäftlichen Zweck erfolgt, der insbesondere durch das Interesse an der Rentabilisierung des investierten Kapitals geprägt ist (EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest vom 14.11.2000 - C-142/99, EU:C:2000:623, Rz 27 f.). In Abgrenzung zur Geldanlage durch eine Immobilienverwaltung unterliegt dabei die Gewährung von Darlehen an Tochtergesellschaften, für die die Holdinggesellschaft Dienstleistungen insbesondere im Bereich der Verwaltung, Buchführung und Informatik erbringt, nicht deshalb der Mehrwertsteuer, weil es sich um die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser Dienstleistungen handelt, da die Darlehen weder notwendig noch unmittelbar mit den Dienstleistungen verbunden sind (EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest, EU:C:2000:623, Rz 29). Dementsprechend stellt es keine steuerbare Tätigkeit dar, wenn eine Holdinggesellschaft Dividenden, die sie von ihren Tochtergesellschaften bezieht und die selbst nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, lediglich als Darlehen an diese Tochtergesellschaften anlegt (EuGH-Urteil Floridienne und Berginvest, EU:C:2000:623, Rz 30; vgl. auch EuGH-Urteil EDM vom 29.04.2004 - C-77/01, EU:C:2004:243, Rz 67 f.).
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dd) Im Streitfall vermochte danach die Darlehensgewährung durch das entgeltliche Stehenlassen von Ansprüchen keine wirtschaftliche Eingliederung durch eine Verflechtung der Unternehmensbereiche von Mutter- und Tochtergesellschaften zu begründen. Es handelte sich um eine Darlehensgewährung zwischen zwei Personen ohne Leistungsangebot am allgemeinen Markt. Es lag unter Berücksichtigung der Kriterien der EuGH-Rechtsprechung auch kein anderweitiger Zusammenhang zu einer unternehmerischen Tätigkeit im Sinne einer unmittelbaren, dauerhaften und notwendigen Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit vor. Die Kreditgewährung spielte sich lediglich im Verhältnis von Gesellschafter und Gesellschaft ab. Auf die vom FG angestellte Verhältnisrechnung von Zinsen und Umsätzen kommt es daher nicht an.
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b) Auch die Übernahme der Bürgschaften begründet nicht die für die wirtschaftliche Eingliederung erforderliche Verflechtung der Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft. Hiergegen spricht insbesondere die Unentgeltlichkeit dieser Leistungen (s. oben II.1.b). Ein über die bloße Gesellschafterstellung hinausgehendes Unternehmensinteresse an dem Eingehen von Bürgschaften zugunsten der Klägerin ist nicht ersichtlich.
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c) Weiter ergab sich eine Verflechtung der Unternehmensbereiche von M-GmbH und Klägerin auch nicht aus den Sale-and-lease-back-Geschäften. Gegen eine sich hieraus folgende Verflechtung spricht bereits, dass das Fehlen unmittelbarer Vertragsbeziehungen zeigt, dass diese Geschäfte mit beliebigen Dritten abgeschlossen werden konnten und anders als z.B. eine Grundstücksvermietung weder besondere Bedeutung für die M-GmbH noch für die Klägerin hatten.
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d) Eine wirtschaftliche Eingliederung bestand auch nicht auf anderer Grundlage. Insbesondere lagen, ohne dass der beschließende Senat hierüber nach den Verhältnissen des Streitfalls abschließend zu entscheiden hat, zwischen den Unternehmensgegenständen von Klägerin und M-GmbH keinerlei Überschneidungen vor.
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e) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Sie berücksichtigt insbesondere nicht hinreichend, dass eine Verflechtung von Unternehmensbereichen, die durch zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft erbrachte Leistungen begründet werden soll, erfordert, dass derartige Leistungen als Unternehmer und damit im Rahmen eines Unternehmens erbracht werden. Dies trifft auf die Darlehen, mögen sie auch umsatzsteuerrechtlich gegen Entgelt gewährt werden, im Streitfall nicht zu. Das Gesellschafterinteresse an der Gesellschaft als Gewinnquelle ändert hieran nichts. Der von der Klägerin im Übrigen geltend gemachte vernünftige wirtschaftliche Zusammenhang ist nicht ersichtlich und wird durch die vorliegenden Tätigkeiten ohne Unternehmenscharakter nicht begründet. Das Entgelterfordernis ergibt sich aus der Notwendigkeit einer Verflechtung der Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft (s. oben II.1.b). Daher reicht eine bloße Stärkung der Liquidität der Tochtergesellschaft, die im Interesse jedes Gesellschafters liegt, nicht aus. Durch das Abstellen auf die Verflechtung der Unternehmensbereiche wird das Erfordernis der wirtschaftlichen Eingliederung einer möglichst rechtssicheren Auslegung zugeführt. Im Hinblick auf die jeweils eigenständigen Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 UStG kann sich aus diesen Unterschieden kein Wertungswiderspruch ergeben. Weiter besteht im Hinblick auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung auch kein Vertrauensschutz in die zuvor unterbliebene steuerliche Erfassung von Umsätzen bei der Klägerin (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.03.2015 - XI R 8/13, BFHE 249, 369, BStBl II 2016, 788, unter II.6.c cc). Schließlich ist die Treuwidrigkeit einer Verrechnung durch das FA für die im Festsetzungsverfahren zu beurteilende Frage der Organschaft ohne Bedeutung.
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f) Die im Streitfall fehlende wirtschaftliche Eingliederung kann auch nicht durch die anderen Eingliederungsvoraussetzungen ausgeglichen werden (BFH-Urteile vom 05.12.2007 - V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451, unter II.1.b, und vom 03.04.2008 - V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905, unter II.3.a). Dies entspricht der unionsrechtlichen Vorgabe in Art. 11 MwStSystRL, nach der eine Verbindung durch insbesondere gegenseitige wirtschaftliche Beziehungen vorliegen muss (s. oben II.1.a). Daher ist insbesondere der Beherrschungsvertrag für das hier streitige Merkmal ohne Bedeutung.
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3. Die angefochtenen Steuerbescheide sind auch vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen.
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a) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Im Bereich der Umsatzsteuer beträgt die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist, wenn nicht § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO anzuwenden ist.
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b) Sind die Voraussetzungen für eine Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG materiell-rechtlich nicht gegeben, ist für die Anwendung von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO danach zu unterscheiden, ob der Mehrheitsgesellschafter in seiner Steueranmeldung für das FA erkennbar auch die Umsatzsteuer für die Umsätze seiner Tochtergesellschaft erfasst hat.
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aa) Hat weder der Mehrheitsgesellschafter in seiner Steueranmeldung Umsätze der Tochtergesellschaft erfasst und hat auch diese keine Steueranmeldung abgegeben, beginnt die Festsetzungsfrist für einen gegenüber der Tochtergesellschaft zu erlassenden Steuerbescheid gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr der Steuerentstehung folgt.
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bb) Hat demgegenüber wie im Streitfall der Mehrheitsgesellschafter die Umsätze der Tochtergesellschaft für das FA erkennbar in seiner Steueranmeldung erfasst, liegt für deren Umsätze insoweit eine --materiell-rechtlich fehlerhafte-- Steueranmeldung vor. In diesem Fall beginnt die Festsetzungsfrist bei der Tochtergesellschaft im Hinblick auf die vom Mehrheitsgesellschafter abgegebene Steueranmeldung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem diese Steueranmeldung abgegeben wurde.
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(1) Der BFH ist bereits in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass die von jemand anderem als dem Steuerschuldner unterschriebene und dem FA eingereichte Einkommensteuererklärung zumindest dann als Steuererklärung anzusehen ist, wenn das FA aus der Steuererklärung die richtigen Schlüsse auf den Steuerschuldner und die zu veranlagende Steuer ziehen kann und in Kenntnis des Umstandes, dass die Steuererklärung von einem Dritten stammt, diese Steuererklärung zur Grundlage der Veranlagung macht. Es besteht dann "kein schutzwertes Interesse des FA an einem weiteren Hinausschieben des Beginns der Verjährung" (BFH-Urteil vom 08.03.1979 - IV R 75/76, BFHE 127, 497, BStBl II 1979, 501, unter II.1.).
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(2) Erklärt der Mehrheitsgesellschafter in unzutreffender Annahme einer Organschaft die Umsätze der Tochtergesellschaft als eigene, ist dem FA die Annahme der Organschaft durch den Steuerpflichtigen bekannt. Prüft es deren Bestehen bei einer unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) stehenden Steuerfestsetzung erst später, gibt es für ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns gegenüber der Tochtergesellschaft keine sachliche Rechtfertigung.
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c) Danach sind die angefochtenen Bescheide vor Ablauf der Festsetzungsverjährung ergangen. Bereits für das Streitjahr 2006 ergibt sich dies daraus, dass die Festsetzungsfrist aufgrund einer Steueranmeldung der M-GmbH frühestens zum Jahresende 2007 begann. Damit endete die reguläre Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO zum 31.12.2011. Bereits am 15.12.2011 hatte die mit Anordnung vom 06.12.2011 bei der Klägerin zur Umsatzsteuer 2006 bis 2009 angeordnete Außenprüfung begonnen, so dass es nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO zu einer Ablaufhemmung kam, die erst mit der Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide endete.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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