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BFH 29.08.2019 - X B 56/19
BFH 29.08.2019 - X B 56/19 - Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen bei privater Basis-Krankenversicherung neben einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht
Normen
§ 10 Abs 1 Nr 3 EStG 2009, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, EStG VZ 2013
Vorinstanz
vorgehend FG Bremen, 19. Februar 2019, Az: 1 K 229/18 (5), Urteil
Leitsatz
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1. NV: Entrichtet ein in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Pflichtversicherter zusätzlich Beiträge zur privaten Basis-Kranken- und Pflegeversicherung, sind nur die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG als Sonderausgaben abziehbar (Senatsurteil vom 29.11.2017 - X R 5/17, BFHE 260, 148, BStBl II 2018, 230).
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2. NV: Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber des Steuerpflichtigen diesen rechtsirrig nicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung angemeldet hat und der Steuerpflichtige daher einen bestehenden privaten Kranken- und Pflegeversicherungsvertrag nicht mit Wirkung auf den Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gekündigt hat.
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3. NV: Die Darlegung eines schwerwiegenden Rechtsfehlers, der ausnahmsweise auf der Grundlage des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen kann, setzt voraus, dass in der Beschwerdebegründung die besonderen Umstände, die den Rechtsfehler als einen "schwerwiegenden" und die Vorentscheidung als unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar kennzeichnen, ausgeführt werden.
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 19.02.2019 - 1 K 229/18 (5) wird als unzulässig verworfen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war zunächst privat kranken- und pflegeversichert. Am 01.09.2012 trat er ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis an. Er teilte der Versicherungsgesellschaft, bei der er die private Kranken- und Pflegeversicherung unterhielt, den Eintritt der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungspflicht erst im Dezember 2013 mit. Die Versicherungsverträge wurden daraufhin zum 31.12.2013 beendet. Für das Streitjahr 2013 zahlte der Kläger im Ergebnis sowohl Beiträge zur gesetzlichen als auch zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2013 lediglich die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung könnten hingegen nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgezogen werden, da sie zur Erlangung der Basisabsicherung angesichts des bereits bestehenden gesetzlichen Versicherungsschutzes nicht erforderlich gewesen seien. Ein Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG scheitere im Ergebnis daran, da der Höchstbetrag des § 10 Abs. 4 EStG bereits durch anderweitige Vorsorgeaufwendungen ausgeschöpft sei.
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Der Kläger behauptete, sein Arbeitgeber habe das Gehalt aufgrund des bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrags irrtümlich ohne Einbehaltung der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgerechnet. Nach dem Erkennen der Versicherungspflicht seien die Beiträge nachberechnet worden. Das Finanzgericht (FG), das diese Behauptungen des Klägers lediglich in indirekter Rede wiedergegeben hat, hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Vorbringen zutrifft.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus, nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG seien nur solche Beiträge abziehbar, die zur Erlangung der Basisversorgung "erforderlich" seien. Damit sei die objektive Erforderlichkeit gemeint, nicht eine subjektive (Fehl-)Vorstellung des Steuerpflichtigen.
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Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision im Wesentlichen wegen eines Rechtsanwendungsfehlers.
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Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist unzulässig.
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Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) entsprechenden Weise dargelegt.
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1. In erster Linie begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen der "Verletzung materiellen Rechts in Form eines Rechtsanwendungsfehlers".
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a) Dieser Zulassungsgrund ist im Wortlaut des --abschließenden-- gesetzlichen Katalogs des § 115 Abs. 2 FGO nicht genannt.
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In Ausnahmefällen hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Revision aber auf der Grundlage des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zugelassen, wenn dem FG ein schwerwiegender Rechtsfehler unterlaufen ist. Dann müssen die Voraussetzungen eines schwerwiegenden Rechtsfehlers --vor allem die besonderen Umstände, die den Rechtsfehler als einen "schwerwiegenden" und die Vorentscheidung als unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar kennzeichnen-- aber in der Beschwerdebegründung hinreichend dargelegt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 09.11.2011 - II B 105/10, BFH/NV 2012, 254, unter 1.a, und vom 14.03.2012 - V B 10/11, BFH/NV 2012, 1315, jeweils m.w.N.).
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b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie leidet vielmehr selbst --worauf das FA in der Beschwerdeerwiderung zutreffend hingewiesen hat-- unter dem rechtlichen Fehlverständnis, dass die Pflichtversicherung des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung erst "rückwirkend" eingetreten sei. Tatsächlich hat die auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) beruhende Versicherungspflicht des Klägers (Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt) aber mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis begonnen (vgl. § 186 Abs. 1 SGB V).
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c) Darüber hinaus ist die Entscheidung des FG auch in der Sache zutreffend, und zwar unabhängig davon, ob man das --vom FG lediglich wiedergegebene, aber nicht auf seine Richtigkeit geprüfte-- Vorbringen des Klägers, sein Arbeitgeber habe anfänglich rechtsirrig keine Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt, als richtig unterstellt oder nicht.
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Nach dem Senatsurteil vom 29.11.2017 - X R 5/17 (BFHE 260, 148, BStBl II 2018, 230, Rz 12 ff.) ist § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG nach seiner Systematik, der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck dahingehend auszulegen, dass entscheidendes Kriterium für die Abziehbarkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ihre "Erforderlichkeit" für die Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus ist. Entrichtet ein in der gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtversicherter zusätzlich Beiträge zur privaten Basis-Krankenversicherung, sind nur die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich, weil sie auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen, der sich der Steuerpflichtige nicht entziehen kann (Senatsurteil in BFHE 260, 148, BStBl II 2018, 230, Rz 19 f.).
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Dies gilt auch im Streitfall, der ebenfalls dadurch gekennzeichnet ist, dass der Kläger eine private Krankenversicherung neben einer gesetzlichen Pflichtversicherung unterhalten hat. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist das Merkmal der Erforderlichkeit objektiv zu verstehen. Auf die subjektive Vorstellung des Klägers kommt es für die Eröffnung eines im Gesetz nicht vorgesehenen Sonderausgabenabzugs ebenso wenig an wie auf einen möglichen --hier nach dem Sachvortrag des Klägers rechtsirrigen-- Fehler des Arbeitgebers des Steuerpflichtigen, für den im Übrigen ggf. der Arbeitgeber zivilrechtlich einzustehen hätte, nicht aber die Allgemeinheit.
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2. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Fortbildung des Rechts hat der Kläger nicht dargelegt. Sein diesbezügliches Vorbringen erschöpft sich in der Behauptung, der BFH habe einen Fall, in dem die Doppelversicherung durch eine Rückwirkung entstanden sei, noch nicht entschieden. Wie bereits ausgeführt, ist die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungspflicht des Klägers im Streitfall aber nicht rückwirkend, sondern mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis entstanden. Eine Klärung der Frage, wie eine rückwirkend entstandene Doppelversicherung einkommensteuerrechtlich zu beurteilen wäre, wäre in einem künftigen Revisionsverfahren im Streitfall daher nicht möglich.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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