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BFH 02.07.2019 - III B 125/18
BFH 02.07.2019 - III B 125/18 - Verzicht auf mündliche Zeugeneinvernahme
Normen
§ 81 Abs 1 FGO, § 295 Abs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 12. September 2018, Az: 4 K 28/17, Urteil
Leitsatz
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NV: Der Verzicht auf die Einvernahme von Zeugen in der mündlichen Verhandlung ist als Prozesshandlung nicht frei widerruflich .
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 12.09.2018 - 4 K 28/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der im Jahr 1943 geborene Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war über Jahre hinweg als selbständiger Versicherungsvertreter für die X Versicherungs AG tätig, später für die X Beratungs- und Vertriebs AG. Durch Aufhebungsvertrag vom 31. Juli/1. August 2012 wurde das Vertragsverhältnis mit Ablauf des 30. April 2013 beendet. Der Kläger hatte aufgrund der Vereinbarung Anspruch auf eine Entschädigung von 175.000 €, die bei einem Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot zurückzuzahlen sein sollte. Der Anspruch sollte entfallen, wenn der Kläger einen Ausgleichsanspruch nach § 89b des Handelsgesetzbuches geltend machen würde.
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In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 (Streitjahr) behandelte der Kläger die Entschädigung als Teil des Aufgabegewinns und beantragte dafür die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Gewährung des Freibetrags gemäß § 16 Abs. 4 EStG. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) folgte dem zunächst und erließ für das Streitjahr einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid. Im Gewerbesteuermessbescheid 2013 war die Entschädigung nicht als Ertrag enthalten. Später kam das FA zu der Rechtsansicht, die Entschädigungszahlung sei dem laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb zuzurechnen und auch gewerbesteuerlich zu erfassen. Gegen die nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Bescheide vom 30. März 2016 wandte sich der Kläger mit Einsprüchen. Der Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid hatte insoweit Erfolg, als das FA die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG gewährte. Den Einspruch gegen den geänderten Gewerbesteuermessbescheid wies es zurück.
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Im anschließenden Klageverfahren wollte das Finanzgericht (FG) den in die Verhandlungen über die Entschädigung eingeschalteten Assessor Z als Zeugen laden. Dieser war jedoch am vorgesehenen Termin zur mündlichen Verhandlung verhindert, so dass das Gericht Z um eine schriftliche Stellungnahme bat, die dieser auch abgab und in der er das Zustandekommen der Entschädigungsvereinbarung erläuterte. Über die Einvernahme von Frau P, einer Mitarbeiterin der X Beratungs- und Vertriebs AG, erließ das FG einen Beweisbeschluss, aufgrund dessen sich die Zeugin schriftlich äußerte. Das FG gab der Klage hinsichtlich des Gewerbesteuermessbescheids statt. Es war der Ansicht, dass die Entschädigung nicht zum Gewerbeertrag gehöre. Die Klage gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung wies es ab, da die Entschädigungszahlung dem laufenden Gewinn zuzuordnen sei.
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Gegen das Urteil des FG wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde, die sich nach ihrem Inhalt dagegen richtet, dass das FG die Entschädigung nicht dem nach § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG begünstigten Aufgabegewinn zugeordnet hat, ist unbegründet und wird deshalb durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom Kläger geltend gemachten Gründe rechtfertigen nicht die Revisionszulassung oder wurden nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.
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1. Der Kläger kann einen etwaigen Verfahrensfehler des FG, der darin zu sehen sein könnte, dass das FG Z und P nicht in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommen hat, sondern die von Z angefertigte Stellungnahme im Wege des Urkundenbeweises verwertet und sich bei P mit einer schriftlichen Zeugenaussage begnügt hat, nicht mit Erfolg im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen.
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a) Der Kläger rügt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 81 Abs. 1 FGO, der u.a. besagt, dass bei mehreren in Betracht kommenden Beweismitteln die Beweisaufnahmen mit demjenigen Beweismittel durchzuführen ist, das den „unmittelbarsten“ Eindruck vom streitigen Sachverhalt vermittelt (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 2016 - X B 28/16, BFH/NV 2017, 307).
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b) Mit dieser Rüge kann der Kläger jedoch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr gehört werden, weil er auf deren Geltendmachung verzichtet hat. Denn ein Verstoß gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme kann nach § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ebenso durch Rügeverzicht geheilt werden wie andere Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 81 FGO Rz 34, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 22. November 2006 - VI B 22/06, VI S 4/06 (PKH), BFH/NV 2007, 478).
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c) Im Streitfall liegt ein derartiger Verzicht vor. Der durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger, dem der Inhalt der Auskunft des Z und der schriftlichen Zeugenaussage der P bekannt war, erklärte noch kurz vor der mündlichen Verhandlung vom 12. September 2018, und zwar im Schriftsatz vom 28. August 2018, dass "auf der Basis der von mir vertretenen Rechtsauffassung" eine Zeugeneinvernahme von Z und P durch den Senat nicht erforderlich sei, dass die Zeugen aber geladen werden müssten, wenn es auf der Basis der Rechtsmeinung des Senats auf den persönlichen Eindruck und auf eine ergänzende Befragung ankomme. Der Kläger brachte damit zum Ausdruck, dass aus seiner Sicht keine Einwände dagegen bestanden, wenn Z und P in der mündlichen Verhandlung nicht als Zeugen aussagen würden. Der Zusatz, der nach seinem Inhalt besagt, dass eine Zeugenbefragung erforderlich sei, wenn das Gericht sie als erforderlich erachten sollte, ist der Hinweis auf eine Selbstverständlichkeit und macht den Verzicht nicht unwirksam.
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d) Diesen Verzicht konnte der Prozessvertreter des Klägers nicht dadurch, dass er in der mündlichen Verhandlung erklärte, nicht auf die Einvernahme von Z und P verzichtet zu haben und einen Verzicht auch nicht erklären wolle, rückgängig machen. Denn der Rügeverzicht nach § 295 Abs. 1 ZPO ist eine Prozesshandlung, die der Kläger nicht frei widerrufen konnte (vgl. Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., Vor § 33 Rz 37, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1998 - VII B 239/97, BFH/NV 1999, 1093; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 81 FGO Rz 39), zumal im vorliegenden Fall nach dem Verzicht keine wesentliche Veränderung der Prozesslage eingetreten war (zum Verzicht auf mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 FGO s. Gräber/Herbert, a.a.O., § 90 Rz 16, m.w.N.).
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e) Der Senat kann offen lassen, ob die Verfahrensrüge auch deshalb keinen Erfolg haben kann, weil der Kläger nicht dargelegt hat, weshalb sich bei einer persönlichen Einvernahme von Z und P eine abweichende Beurteilung der schriftlichen Stellungnahme bzw. der schriftlichen Zeugenaussage und damit ein anderer Verfahrensausgang hätte ergeben können (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2005 - V B 225/03, BFH/NV 2005, 1330).
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2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu bedarf es substantiierter Angaben, inwieweit die aufgeworfene Frage im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall auch klärungsfähig ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist. Insbesondere muss sich ein Beschwerdeführer mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzen und substantiiert darlegen, weshalb nach ihrer Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe. Bei Streitfragen, die maßgeblich von der Beurteilung des Einzelfalls abhängen, bedarf es substantiierter Darlegungen, weshalb der Rechtsfrage ausnahmsweise eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 21. Februar 2019 - III B 7/18, BFH/NV 2019, 515, m.w.N.).
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b) Der Kläger hat die Rechtsfrage formuliert, ob die Zuordnung einer im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung/Betriebsaufgabe erzielten Betriebseinnahme zum begünstigten Gewinn die damit verbundene Realisierung stiller Reserven voraussetzt oder ob es genügt, dass diese Betriebseinnahme in einem Veranlassungszusammenhang zur Veräußerung/Betriebsaufgabe als dem auslösenden Moment steht.
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Aus der Beschwerdebegründung des Klägers geht nicht hervor, weshalb es sich hierbei um unterschiedliche Merkmale für die Abgrenzung "Veräußerungs-/Aufgabegewinn" einerseits und „laufender Gewinn“ andererseits handeln sollte und die Frage darüber hinaus im Streitfall von Bedeutung sein könnte. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers führt die Anwendung der Abgrenzungskriterien "zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven" und "Veranlassungszusammenhang" nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zweck der Tarifbegünstigung des Veräußerungs-/Aufgabegewinns nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 16 EStG ist es, die Steuerbelastung abzumildern, die durch die zusammengeballte Aufdeckung stiller Reserven eintritt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 - GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Bei Beurteilung der Frage, ob Einnahmen, die anlässlich einer Betriebsveräußerung/-aufgabe erzielt werden, zum Veräußerungs-/Aufgabegewinn oder zum laufenden Gewinn gehören, ist darauf abzustellen, ob sie in einem Veranlassungszusammenhang ("auslösendes Moment") mit der Betriebsveräußerung/-aufgabe stehen oder nicht (BFH-Urteil vom 25. April 2018 - VI R 51/16, BFHE 261, 418, BStBl II 2018, 778, m.w.N.). Bei der Entschädigungszahlung hat das FG, ohne dies ausdrücklich auszusprechen, keinen Veranlassungszusammenhang mit der Betriebsaufgabe gesehen, weil sie --zumindest in erster Linie-- Abschlussfolgeprovisionen abgelten sollte, die als nachträgliche Betriebseinnahmen anzusehen gewesen wären. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die in einem Revisionsverfahren zu klären wäre, kann daraus nicht abgeleitet werden. Da das FG Rechtsprechung des BFH angewandt hat, liegt auch nicht die vom Kläger behauptete Divergenz vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
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3. Die übrigen Einwendungen des Klägers betreffen in erster Linie die materiell-rechtliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils, auch wenn er sie z.T. als Rügen von Verfahrensmängeln formuliert hat, so z.B., wenn er als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes beanstandet, dass nicht erkennbar sei, warum falsch sein solle, was nach seinem --des Klägers-- Verständnis offensichtlich richtig sei. Mit derartigen Einwendungen kann ein Beschwerdeführer im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht gehört werden (z.B. Senatsbeschluss vom 18. April 2017 - III B 76/16, BFH/NV 2017, 1050). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.
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