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BAG 01.06.2023 - 9 AZB 1/23
BAG 01.06.2023 - 9 AZB 1/23 - Bindung an die Kostengrundentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren - unzulässige Teilkostenentscheidungen - Berichtigung von Kostengrundentscheidungen bei offenbarer Unrichtigkeit
Normen
§ 103 Abs 1 ZPO, § 104 ZPO, § 319 Abs 1 ZPO, § 321 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 5. Juli 2018, Az: 42 Ca 2702/17, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 9. Oktober 2018, Az: 6 Sa 1407/18, Beschluss
vorgehend ArbG Berlin, 9. November 2021, Az: 42 Ca 2702/17, Beschluss
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 7. Dezember 2022, Az: 26 Ta (Kost) 6240/21, Beschluss
Tenor
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1. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Dezember 2022 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Januar 2023 - 26 Ta (Kost) 6240/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
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2. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 4.190,06 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Beklagten wenden sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.
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Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer durch den Beklagten zu 1. ausgesprochenen Kündigung, Vergütungsansprüche, Reisekosten und eine Verzugspauschale gestritten. Der Beklagte zu 1. hat widerklagend Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 1. Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2018 zurückgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom selben Tag dem Kläger „die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten“ auferlegt. Der Beklagte zu 1. hat die Frist für die Begründung seiner Berufung versäumt. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin seine Berufung mit Beschluss vom 20. Dezember 2018 als unzulässig verworfen und ihm „die Kosten der Berufung“ auferlegt.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12. März 2019 Kostenausgleichung nach § 106 ZPO beantragt.
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Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2020 haben die Beklagten „unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 2018“ beantragt, ihre Kosten in vollem Umfang gegen den Kläger festzusetzen. Für eine Kostenquotelung fehle es an einer entsprechenden Kostengrundentscheidung.
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Mit Beschluss vom 9. November 2021 hat das Arbeitsgericht eine Kostenfestsetzung vorgenommen. Dabei hat es die Kostenentscheidungen des Landesarbeitsgerichts ausgelegt und eine Verteilung der Kosten nach Quoten vorgenommen.
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Die Beklagten haben sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht hat sie zurückgewiesen, weil es an einer für die Kostenfestsetzung erforderlichen Kostengrundentscheidung fehle. Den Beschluss des Arbeitsgerichts hat es „zur Klarstellung“ aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
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II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 9. November 2021 aufgehoben.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
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a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Grundlage der Kostenfestsetzung ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel ist (§ 103 Abs. 1 ZPO). Die Kostenfestsetzung erfordert, dass der Titel besagt, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (BGH 11. Januar 2018 - IX ZB 99/16 - Rn. 8). Der im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO zu treffende Beschluss füllt lediglich die Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Kostenbetrags aus. Er ist deshalb sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch seines Bestandes von der Kostengrundentscheidung abhängig (BGH 5. Mai 2008 - X ZB 36/07 - Rn. 5). Ein Kostenfestsetzungsbeschluss entfaltet von Beginn an keine rechtlichen Wirkungen, wenn der die Kostengrundentscheidung enthaltende Titel nicht zur Zwangsvollstreckung geeignet ist (BGH 21. März 2013 - VII ZB 13/12 - Rn. 11).
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b) Eine Kostengrundentscheidung ist nicht bereits dann zur Zwangsvollstreckung ungeeignet, wenn sie inhaltlich unzutreffend ist. Sie ist selbst dann bindend, wenn sie unrichtig oder unzulässig ist (vgl. BAG 16. November 2005 - 3 AZB 45/05 - Rn. 9). Eine fehlerhafte oder unvollständige Grundentscheidung darf im Festsetzungsverfahren allerdings weder korrigiert noch ergänzt werden. Diese Befugnis steht im Rahmen der §§ 319, 321 ZPO nur dem für das Erkenntnisverfahren zuständigen Gericht zu (vgl. OLG München 1. Februar 2022 - 11 W 40/22 - Rn. 22).
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Hierdurch wird die Auslegung einer unklaren, mehrdeutigen oder widersprüchlichen Kostengrundentscheidung nicht von vornherein ausgeschlossen, solange der sachliche Gehalt des Titels nicht verändert wird (vgl. OLG München 1. Februar 2022 - 11 W 40/22 - Rn. 22). Bei der Bestimmung des Auslegungsmaßstabs ist aber zu berücksichtigen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren allein die Frage zum Gegenstand hat, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Es ist auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und in Folge dessen dem Rechtspfleger übertragen (vgl. BAG 30. Juni 2015 - 10 AZB 17/15 - Rn. 8; BGH 14. Mai 2014 - XII ZB 539/11 - Rn. 7 mwN ).
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c) Bei in Teilentscheidungen enthaltenden Kostenentscheidungen kann durch Auslegung nicht ermittelt werden, welcher prozessuale Anspruch in welchem Umfang entschieden werden sollte. Die Kosten der einzelnen Verfahrensstadien lassen sich nicht trennen. Daher kann mit einer Teilentscheidung grundsätzlich keine Kostenentscheidung verbunden werden (vgl. für das Teilurteil: BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 465/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 95; für das Zwischenurteil: LAG Berlin-Brandenburg 25. Januar 2012 - 15 Sa 1873/11 - Rn. 23). Anders ist dies nur dann, wenn der Prozess durch eine Teilentscheidung hinsichtlich einzelner Parteien abschließend entschieden wird (BGH 6. Dezember 2007 - I ZR 169/04 - Rn. 35; 25. Januar 2001 - V ZR 22/00 - zu IV der Gründe).
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d) Die Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 2018 und vom 20. Dezember 2018 bieten keine Grundlage für eine Kostenfestsetzung.
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aa) Die Beschlüsse betreffen jeweils nur die Kosten bezüglich eines Teils des Verfahrens. Sie verstoßen gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung; es handelt sich um evident unzulässige Teilkostenentscheidungen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass es an einer Grundentscheidung, die besagt, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, fehlt.
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bb) Die erfolgte Quotelung der Kosten durch das Arbeitsgericht auf Grundlage der fehlerhaften Kostengrundentscheidungen erweist sich als unzulässig.
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Treffen wie im vorliegenden Fall mehrere unzulässige Teilkostenentscheidungen über einzelne Verfahrensgegenstände in einem Verfahren zusammen, ist es nicht Aufgabe des Rechtspflegers, die Verteilung der Kosten nach Quoten korrigierend nachzuholen. Die Befugnis zur Korrektur fehlerhafter oder unvollständiger Kostengrundentscheidungen steht im Rahmen der §§ 319, 321 ZPO nur dem für das Erkenntnisverfahren zuständigen Gericht zu. Andernfalls obläge es dem Rechtspfleger zu prüfen, wie die Teilkostenentscheidungen ins Verhältnis zueinander zu setzen sind und ob durch sie alle Verfahrensgegenstände und Prozessrechtsverhältnisse abschließend geregelt sind. Darauf ist das Kostenfestsetzungsverfahren, in dem lediglich eine formale Prüfung der Kostentatbestände sowie die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts erfolgen soll, nicht zugeschnitten.
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cc) Offenbare Unrichtigkeiten iSd. § 319 Abs. 1 ZPO, die von Amts wegen zu berichtigen sind, können auch bei Kostenentscheidungen auftreten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Kostenentscheidung versehentlich ganz unterblieben ist (vgl. BGH 26. Januar 2023 - III ZR 69/21 - Rn. 3). Auch Fehler bei der Verteilung der Kosten sind einer Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO zugänglich, wenn sie offenkundig sind, zB bei einem Berechnungsfehler (vgl. BGH 22. Juli 2014 - VIII ZR 49/13 - Rn. 2). Eine offenbare, der gerichtlichen Selbstkorrektur unterliegende Unrichtigkeit liegt auch dann vor, wenn das Gericht - wie hier - unter Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung zwei evident unzulässige Teilkostenentscheidungen über einzelne Verfahrensgegenstände getroffen hat, obwohl zwingend eine Kostenentscheidung für das gesamte Verfahren hätte ergehen müssen, in der die Kosten anteilig verteilt werden. In einer solchen Konstellation kann nicht angenommen werden, dass sich das Gericht bei der jeweiligen Entscheidung bewusst gewesen ist, nur über einen Teil der Verfahrenskosten zu entscheiden. Wäre es sich darüber im Klaren gewesen, dass sich die Rücknahme des Rechtsmittels nicht auf das gesamte Verfahren, sondern nur Teile davon bezogen hat, hätte es zweifellos einheitlich über die Kosten des gesamten Verfahrens entschieden.
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2. Die Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 9. November 2021 ist ebenfalls zu Recht erfolgt. Sie beseitigt den von dem Beschluss ausgehenden fehlerhaften Rechtsschein (vgl. BGH 21. März 2013 - VII ZB 13/12 -; 5. Mai 2008 - X ZB 36/07 - Rn. 5).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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