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BAG 18.02.2021 - 6 AZR 25/20
BAG 18.02.2021 - 6 AZR 25/20
Vorinstanz
vorgehend ArbG Düsseldorf, 7. Juni 2018, Az: 7 Ca 1062/18, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 27. August 2019, Az: 8 Sa 585/18, Urteil
Tenor
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I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. August 2019 - 8 Sa 585/18 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen hat.
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II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Juni 2018 - 7 Ca 1062/18 - im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als es die Kündigungsschutzklage abgewiesen hat. Es wird insgesamt klarstellend wie folgt neu gefasst:
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1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 27. Januar 2018 nicht aufgelöst worden ist.
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2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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III. Die Klägerin trägt die Kosten der ersten und zweiten Instanz zu 74 %, der Beklagte zu 26 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention. Diese trägt der Nebenintervenient auf der Grundlage eines Streitwerts in Höhe von 32.121,24 Euro.
Tatbestand
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Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
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Die Klägerin war seit dem 21. Mai 2001 bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (Schuldnerin) mit Sitz in Berlin bzw. deren Rechtsvorgängerin als Flugbegleiterin beschäftigt.
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Die Schuldnerin war eine Fluggesellschaft und bediente mit mehr als 6.000 Beschäftigten im Linienflugverkehr inner- und außereuropäische Ziele. Für das Cockpitpersonal war gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG durch Abschluss des „Tarifvertrags Personalvertretung (TVPV) für das Cockpitpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ eine Personalvertretung (PV Cockpit) gebildet. Für das Kabinenpersonal wurde durch den „Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV) für das Kabinenpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ die Personalvertretung Kabine (PV Kabine) errichtet.
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Am 15. August 2017 beantragte die Schuldnerin beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bei Eigenverwaltung. Das Gericht ordnete zunächst die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellte den Beklagten am 16. August 2017 zum vorläufigen Sachwalter.
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Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 wandte sich die Schuldnerin an die PV Kabine. Es sei beabsichtigt, die durch die Betriebsstilllegung bedingten Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Laufe des Monats Oktober 2017, voraussichtlich ab 26. Oktober 2017, unter Wahrung der gegebenenfalls durch § 113 InsO begrenzten Kündigungsfrist zu erklären. Wegen der Beendigung aller Arbeitsverhältnisse sei eine Sozialauswahl nicht erforderlich. Da es sich um eine anzeigepflichtige Massenentlassung iSd. § 17 Abs. 1 KSchG handle, werde das Konsultationsverfahren hiermit gemäß § 17 Abs. 2 KSchG eingeleitet.
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Mit Beschluss vom 1. November 2017 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Es ordnete Eigenverwaltung an und bestellte den Beklagten zum Sachwalter. Dieser zeigte noch am gleichen Tage gegenüber dem Insolvenzgericht eine drohende Masseunzulänglichkeit an. Zudem stellte er die Klägerin und weiteres nicht mehr einzusetzendes fliegendes Personal von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei.
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Bezüglich der beabsichtigten Kündigung des Kabinenpersonals fanden zwischen der Schuldnerin und der PV Kabine Verhandlungen bezüglich des Abschlusses eines Interessenausgleichs statt. Es bestand bis zuletzt Uneinigkeit über die Frage, ob die Schuldnerin die PV Kabine ausreichend unterrichtet habe. Im Einigungsstellenverfahren kam kein Interessenausgleich zu Stande.
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Mit Beschluss vom 17. Januar 2018 hob das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung auf und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
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Der Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 27. Januar 2018 zum 30. April 2018.
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Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt. Sie sei unwirksam. Unter anderem sei die PV Kabine nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Dies gelte sowohl bezüglich des nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführenden Konsultationsverfahrens als auch bezüglich der erforderlichen Anhörung vor Erklärung der Kündigung.
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Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27. Januar 2018 nicht beendet worden ist.
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Rechte der PV Kabine seien gewahrt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin allein den Kündigungsschutzantrag weiter. An den von den Vorinstanzen ebenfalls abgewiesenen Hilfsanträgen auf Zahlung bzw. Feststellung eines Nachteilsausgleichsanspruchs hat sie nicht festgehalten.
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Die Klägerin hat in der ersten Instanz im Hinblick auf eine Haftung des Beklagten für den Nachteilsausgleichsanspruch diesem persönlich den Streit verkündet. Nach Revisionseinlegung ist er persönlich dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg.
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I. Die Revision ist zulässig. Zwar hat sie sich mit der das angegriffene Urteil insoweit selbständig tragenden Zweitbegründung des Landesarbeitsgerichts, die Massenentlassungsanzeige habe - auch wenn die einzelne Station als Betrieb anzusehen sei - als Sammelanzeige wirksam bei der Agentur für Arbeit Berlin Nord erstattet werden können, nicht auseinandergesetzt. Darauf weist der Beklagte zutreffend hin. Die Revision ist jedoch auch darauf gestützt, dass die Massenentlassungsanzeige entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts inhaltlich nicht den Vorgaben des § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG genüge. Die Schuldnerin habe ihre Angaben aufgrund ihres im Grundansatz fehlerhaften Betriebsverständnisses, welches sich an den tarifvertraglich festgelegten Arbeitnehmervertretungsstrukturen orientiert habe, auf das Kabinen-Personal beschränkt. Maßgeblich sei aber der Betriebsbegriff der Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie, im Folgenden MERL). Danach seien Angaben hinsichtlich des der Station Düsseldorf zugeordneten Cockpit- und Bodenpersonals zwingend erforderlich gewesen. Insoweit ist unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen in der Revisionsbegründung, bei der Anzeige sei der Betriebsbegriff der MERL verkannt worden, so dass die Anzeige nicht die erforderlichen Angaben enthalten habe, der aus Sicht der Revision vorliegende Rechtsfehler des angegriffenen Urteils noch hinreichend aufgezeigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt BAG 19. November 2015 - 6 AZR 559/14 - Rn. 13, BAGE 153, 271) war im Hinblick darauf, dass das Revisionsgericht an die Revisionsgründe nicht gebunden ist, eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Gründen des angegriffenen Urteils nicht erforderlich. Ob der von der Revision behauptete Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts tatsächlich vorliegt, ist für die Zulässigkeit der Revision hingegen unerheblich (vgl. BAG 11. Juni 2013 - 9 AZR 855/11 - Rn. 12).
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II. Die Revision ist begründet. Die streitgegenständliche Kündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wegen einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden und nimmt auf die Begründung dieses Urteils Bezug (BAG 14. Mai 2020 - 6 AZR 235/19 - Rn. 113 ff.). Die Schuldnerin hat entgegen der sorgfältig begründeten Annahme des Landesarbeitsgerichts insbesondere den Stand der Beratungen mit der PV Kabine gegenüber der Agentur für Arbeit nicht ausreichend dargelegt und dadurch gegen § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG verstoßen (BAG 14. Mai 2020 - 6 AZR 235/19 - Rn. 135 ff.).
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III. Die Kosten der Vorinstanzen waren zwischen den Parteien gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verteilen, denn der Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs wurde mit dem Berufungsurteil rechtskräftig abgewiesen. Die Kosten des auf den Kündigungsschutzantrag beschränkten Revisionsverfahrens hat der Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Kosten der auf den Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs beschränkten Nebenintervention in der Revisionsinstanz trägt der erstmals in der Revisionsinstanz beigetretene Nebenintervenient nach § 101 Abs. 1 ZPO. Insoweit sind die Kosten - fiktiv - so zu verteilen, als sei der Rechtsstreit nur hinsichtlich des Nachteilsausgleichsanspruchs geführt worden (vgl. BGH 8. Oktober 2019 - II ZR 94/17 - Rn. 11 mwN). Aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Nachteilsausgleichsanspruchs durch das Landesarbeitsgericht endete die Wirkung der Streitverkündung (vgl. Zöller/Althammer ZPO 33. Aufl. § 66 Rn. 18; MüKoZPO/Schultes 6. Aufl. § 66 Rn. 25). Damit geht die Nebenintervention in der Revisionsinstanz ins Leere.
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