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BAG 05.06.2018 - 10 AZR 155/18 (A)
BAG 05.06.2018 - 10 AZR 155/18 (A) - Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Vollstreckungsabwehrklage - Darlegungslast
Normen
§ 769 Abs 1 S 2 ZPO, § 62 Abs 1 ArbGG, § 769 Abs 1 S 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Wiesbaden, 11. August 2011, Az: 4 Ca 2592/09, Urteil
vorgehend ArbG Wiesbaden, 17. August 2017, Az: 10 Ca 73/17, Urteil
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 19. Januar 2018, Az: 10 Sa 1277/17, Urteil
Tenor
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Der Antrag der Klägerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Nr. 4 der Entscheidungsformel des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. August 2011 - 4 Ca 2592/09 - wird zurückgewiesen.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. August 2011 (- 4 Ca 2592/09 -). Nach Nr. 3 der Entscheidungsformel hat die Klägerin der Beklagten diverse Auskünfte nach dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 idF des damals letzten Änderungstarifvertrags vom 5. Dezember 2007 über die von ihr im Zeitraum von April 2009 bis September 2009 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten zu erteilen. Nach Nr. 4 des Tenors muss sie der Beklagten für den Fall der Nichterteilung der Auskünfte innerhalb einer bestimmten Frist eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 15.360,00 Euro zahlen.
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Die Klägerin hat die fristgemäße Erfüllung der Auskunftsansprüche behauptet. Sie hat überdies eingewandt, die Ansprüche seien entfallen, nachdem der Zehnte Senat mit Beschluss vom 21. September 2016 (- 10 ABR 33/15 - BAGE 156, 213) die Unwirksamkeit der ihrer Verurteilung zugrunde liegenden Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 (AVE VTV 2008, BAnz. Nr. 104a vom 15. Juli 2008) des VTV in der im Streitzeitraum geltenden Fassung festgestellt habe.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe die fristgemäße Erfüllung der Auskunftsansprüche nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Ob die Unwirksamkeit der AVE VTV 2008 als Einwendung im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage zu berücksichtigen sei, könne dahinstehen. Das am 25. Mai 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG) stelle mit Rückwirkung klar, dass der VTV bei Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs trotz der Unwirksamkeit der AVE gelten solle.
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Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Überspannung der Substantiierungsanforderungen durch das Berufungsgericht. Sie habe weiteren Vortrag zur fristgemäßen Erteilung der geschuldeten Auskünfte nicht halten können. In seinem Hinweis vom 1. Dezember 2017 auf den Umfang ihrer Darlegungslast habe der Vorsitzende unter Verstoß gegen § 139 ZPO keine konkreten Anforderungen an den von ihr erwarteten Vortrag gestellt. Das Landesarbeitsgericht habe zudem den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG), indem es weder die von ihr benannten Zeugen vernommen noch ihren Geschäftsführer als Partei angehört habe. Die Unwirksamkeit der AVE VTV 2008 stehe der Vollstreckung des Entschädigungsanspruchs ebenfalls entgegen. Das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass dieser Einwand wegen des Inkrafttretens des SokaSiG nicht greife. Das Gesetz werde einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten.
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Die Klägerin beantragt,
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die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. August 2011 - 4 Ca 2592/09 - ohne Sicherheitsleistung - hilfsweise: gegen Sicherheitsleistung - einstweilen einzustellen.
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II. Der Antrag, der sich bei verständiger Auslegung auf die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Nr. 4 der Entscheidungsformel des im Antrag bezeichneten Urteils richtet, hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist nach § 62 Abs. 2 ArbGG, §§ 767, 769 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Klägerin macht mit der Vollstreckungsabwehrklage Einwendungen geltend, die den in Nr. 4 der Entscheidungsformel des Urteils des Arbeitsgerichts titulierten Anspruch betreffen. Im Rahmen einer solchen Klage kann nach § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung verlangt werden. Zuständiges „Prozessgericht“ iSv. § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist im Streitfall das Bundesarbeitsgericht, weil bei diesem auch die Vollstreckungsgegenklage anhängig ist (vgl. LAG Düsseldorf 16. Juni 2017 - 3 Sa 862/16 - zu II der Gründe; Zöller/Herget ZPO 32. Aufl. § 769 Rn. 3; Musielak/Voit/Lackmann ZPO 15. Aufl. § 769 Rn. 2).
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2. Der Antrag ist nicht begründet. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr Schutzbedürfnis das Interesse der Beklagten an der Durchführung der Zwangsvollstreckung überwiegt.
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a) Ob die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung bereits daran scheitert, dass die Klägerin entgegen § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht glaubhaft gemacht hat, die Vollstreckung würde ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, kann dahinstehen.
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aa) Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG hat das Arbeitsgericht auf Antrag die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Nach § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kann in den Fällen des § 707 Abs. 1 ZPO und des § 719 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden. Seit dem 1. April 2008 bestimmt § 62 Abs. 1 Satz 4 ArbGG idF von Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444), dass die Zwangsvollstreckung in diesen Fällen ohne Sicherheitsleistung eingestellt wird.
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bb) Unter Berufung auf den Wortlaut des § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG wird vertreten, dass § 62 Abs. 1 ArbGG für die Fälle des § 769 ZPO keine Sonderregelung treffe. Daher sei für einstweilige Anordnungen nach § 769 ZPO kein nicht zu ersetzender Nachteil erforderlich. Die Zwangsvollstreckung könne auch gegen Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden (LAG Nürnberg 7. Mai 1999 - 7 Ta 89/99 - zu 2 der Gründe; AR/Heider 8. Aufl. § 62 ArbGG Rn. 9; GK-ArbGG/Vossen Stand Dezember 2015 § 62 Rn. 39; GMP/Schleusener 9. Aufl. § 62 Rn. 50; Düwell/Lipke/Dreher 4. Aufl. § 62 Rn. 24; ErfK/Koch 18. Aufl. § 62 ArbGG Rn. 2). Vor der Änderung des § 62 Abs. 1 Satz 4 ArbGG befürworteten einige Gerichte demgegenüber die analoge Anwendung des § 62 Abs. 1 ArbGG im Rahmen des § 769 ZPO. Der Gesetzgeber habe die inhaltlichen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung in den Verfahren vor den Arbeitsgerichten bewusst anders geregelt als in denjenigen vor den Zivilgerichten. Es sei nicht erkennbar, aus welchem Sachgrund diese Wertentscheidung bei der Vollstreckungsgegenklage nach §§ 767, 769 ZPO durchbrochen werden solle (vgl. LAG Nürnberg 5. Januar 2006 - 6 Ta 255/05 - zu II 2 der Gründe; LAG Bremen 24. Juni 1996 - 2 Ta 28/96 -; - ohne auf die Gesetzesänderung einzugehen - LAG Köln 10. Juli 2013 - 6 Ta 184/13 - zu II der Gründe mwN).
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b) Der Antrag führt bereits nach § 769 Abs. 1 ZPO nicht zur Einstellung der Zwangsvollstreckung. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr Schutzbedürfnis das Interesse der Beklagten an der Durchführung der Zwangsvollstreckung überwiegt.
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aa) Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung gemäß § 769 Abs. 1 Satz 2 ZPO kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht geltend macht, dass sie - wie nach dieser Bestimmung erforderlich - zur Sicherheitsleistung außerstande sei.
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bb) Der Antrag führt auch nicht zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung nach § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Es fehlt an der Darlegung eines das Interesse der Beklagten an der Durchführung der Zwangsvollstreckung überwiegenden Schutzbedürfnisses der Klägerin.
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(1) Der Erlass einer Anordnung nach § 769 ZPO ist in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist ausgeschlossen, wenn für den Antragsteller im Hauptverfahren keinerlei Erfolgsaussichten bestehen (LSG Niedersachsen-Bremen 9. Januar 2017 - L 3 KA 87/16 B ER - zu II 4 a der Gründe mwN; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann 5. Aufl. § 769 Rn. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 76. Aufl. § 769 ZPO Rn. 6; Zöller/Herget ZPO 32. Aufl. § 769 Rn. 6). In den übrigen Fällen kommt es auf die Abwägung der gegenläufigen Schutzbedürfnisse von Gläubiger und Schuldner an. Da das Gesetz die Interessen des Gläubigers im Verhältnis zum Schuldner in den Vordergrund stellt (Musielak/Voit/Lackmann ZPO 15. Aufl. § 769 Rn. 3; vgl. auch OLG Hamm 10. Februar 1993 - 17 W 23/92 - zu 3 b aa der Gründe), hat der Schuldner sein Schutzbedürfnis darzulegen und nach § 769 Abs. 1 Satz 3 ZPO glaubhaft zu machen, dass es in angemessenem Verhältnis zu den Aussichten des in der Hauptsache eingeleiteten Rechtsstreits steht (MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann aaO Rn. 17) und das Interesse des Gläubigers an der Durchführung der Zwangsvollstreckung überwiegt (BGH 4. Januar 2017 - I ZR 64/16 - Rn. 9; 4. Mai 2016 - I ZR 64/16 - Rn. 9).
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(2) Die Klägerin hat in ihrem Einstellungsantrag keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass sie vor der Durchführung der Zwangsvollstreckung durch die Beklagte geschützt werden muss. Ihren Ausführungen lässt sich auch nicht entnehmen, aus welchen Gründen ihr Schutzbedürfnis das Interesse der Beklagten an der Durchführung der Zwangsvollstreckung überwiegt. Sie hat lediglich Vortrag zu den nach ihrer Auffassung bestehenden Erfolgsaussichten für ihre Klage gehalten.
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