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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BAG 13.03.2013 - 7 ABR 67/11
BAG 13.03.2013 - 7 ABR 67/11 - Betriebsratswahl - Minderheitengeschlecht - kein Ausschluss Überrepräsentanz - Wahlanfechtung
Normen
§ 15 Abs 2 BetrVG, § 5 BetrVGDV1WO, § 3 Abs 2 Nr 5 BetrVGDV1WO, § 19 Abs 1 BetrVG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Oberhausen, 15. Oktober 2010, Az: 3 BV 37/10, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 16. Juni 2011, Az: 4 TaBV 86/10, Beschluss
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Juni 2011 - 4 TaBV 86/10 - aufgehoben.
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Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 15. Oktober 2010 - 3 BV 37/10 - wird zurückgewiesen.
Gründe
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A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Antragstellerin ist eine im Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft.
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Die Arbeitgeberin beschäftigt 643 Arbeitnehmer. Mit Wahlausschreiben vom 24. März 2010 leitete der Wahlvorstand das Verfahren zur Wahl des Betriebsrats ein. In dem - teils handschriftlich vervollständigten - Wahlausschreiben heißt es auszugsweise:
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„Der Wahlvorstand hat beschlossen, dass die Betriebsratswahl stattfindet am: 17.05.2010 in der Zeit von: 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr im Wahllokal O.
Der künftige Betriebsrat besteht aus 11 Mitgliedern.
Im Betrieb sind 515 Frauen und 124 Männer als Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Leitende Mitarbeiter wurden nicht berücksichtigt. Gemäß § 15 Abs. 2 BetrVG muss das Geschlecht, das im Betrieb in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis in der Belegschaft vertreten sein. In der Minderheit sind Frauen Männer (nicht Zutreffendes streichen). Danach müssen mindestens 9 Frauen / 2 Männer (nicht Zutreffendes streichen) dem Betriebsrat angehören.
...“
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Der Wahlvorstand ließ zwei Vorschlagslisten zur Wahl zu. An der Wahl nahmen 329 Arbeitnehmer teil. Das Wahlergebnis wurde am 17. Mai 2010 - dem Tag der Betriebsratswahl - bekannt gemacht. Aus der Wahl ging der zu 3. beteiligte elfköpfige Betriebsrat hervor.
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Mit am 31. Mai 2010 bei Gericht eingegangener Antragsschrift hat die Gewerkschaft die Wahl aus mehreren Gründen angefochten. Sie hat unter anderem die Auffassung vertreten, das Wahlausschreiben sei fehlerhaft, weil die Anzahl der auf das Geschlecht in der Minderheit entfallenden Mindestsitze im Betriebsrat fehlerhaft angegeben worden sei. Es seien nicht mindestens neun Frauen, sondern mindestens zwei Männer zu wählen gewesen. Das fehlerhafte angegebene Mindestquorum von neun Frauen habe möglicherweise dazu geführt, dass weitere geeignete Wahlvorschläge nicht eingebracht worden seien.
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Die Antragstellerin hat beantragt,
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die Betriebsratswahl vom 17. Mai 2010 für unwirksam zu erklären.
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Arbeitgeberin und Betriebsrat haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Ihrer Ansicht nach sind die behaupteten Verstöße jedenfalls nicht geeignet, um das Wahlergebnis zu beeinflussen.
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Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen und die Wahl für unwirksam erklärt. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gewerkschaft ihren Anfechtungsantrag weiter, während die Arbeitgeberin die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde begehrt.
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B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Wahlanfechtungsantrag der Gewerkschaft Erfolg.
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I. Der Wahlanfechtungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist als eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BetrVG anfechtungsberechtigt. Die Betriebsratswahl wurde rechtzeitig binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 17. Mai 2010 angefochten. Unschädlich ist, dass die am 31. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Antragsschrift den weiteren Beteiligten erst am 4. Juni 2010 und damit nach Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses förmlich zugestellt wurde. Es genügt, dass die Antragsschrift innerhalb der Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG beim Arbeitsgericht eingeht, wenn die Zustellung - wie hier - demnächst iSd. § 167 ZPO erfolgt (vgl. BAG 25. Juni 1974 - 1 ABR 68/73 - zu II 3 b der Gründe mwN).
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II. Der Wahlanfechtungsantrag ist begründet. Die Betriebsratswahl vom 17. Mai 2010 ist unwirksam. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass die „Verteilung“ der Mindestsitze auf Frauen und Männer im Wahlausschreiben zutreffend erfolgt ist, hält einer rechtsbeschwerderechtlichen Prüfung nicht stand. Das Wahlausschreiben verstößt gegen § 3 Abs. 2 Nr. 5 Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO) vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3494). Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren. Der Verstoß war geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen.
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1. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
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a) Eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren enthält § 3 Abs. 2 Nr. 5 WO. Danach muss das Wahlausschreiben ua. die Angabe der „auf das Geschlecht in der Minderheit entfallenden Mindestsitze im Betriebsrat (§ 15 Abs. 2 des Gesetzes)“ enthalten. Eine insoweit unzutreffende Angabe ist geeignet, die Anfechtung der Wahl zu rechtfertigen (vgl. BAG 10. März 2004 - 7 ABR 49/03 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 110, 27; Fitting 26. Aufl. § 3 WO 2001 Rn. 11). Nach § 15 Abs. 2 BetrVG muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus drei oder mehr Mitgliedern besteht. Mit der Regelung schützt das Gesetz die Minderheit im Betriebsrat, ohne dessen Überrepräsentanz auszuschließen (vgl. BAG 16. März 2005 - 7 ABR 40/04 - zu B III 3 a cc (2) der Gründe, BAGE 114, 119; Fitting § 15 Rn. 11 mwN). Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852, 2518 ff.) in das BetrVG eingefügt. § 15 Abs. 2 BetrVG-RegE war zunächst dahingehend gefasst, dass die Geschlechter entsprechend ihres zahlenmäßigen Verhältnisses im Betriebsrat vertreten sein müssen (BT-Drucks. 14/5741 S. 9 und S. 37). Die anfänglich vorgesehene „starre Geschlechterquote“ wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zugunsten der nunmehr in § 15 Abs. 2 BetrVG normierten sog. „Mindest-Klausel“ aufgegeben (vgl. BT-Drucks. 14/6352 S. 10 und S. 54). Die Mindestsitzzahl für das Minderheitengeschlecht wird gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 4, Abs. 2 WO nach dem Grundsatz der Verhältniswahl auf der Grundlage des d´Hondtschen Höchstzahlverfahrens ermittelt.
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b) Danach mussten vorliegend nach § 15 Abs. 2 BetrVG, § 5 WO bei einer Belegschaft von 515 Frauen und 124 Männern die Männer mit mindestens zwei Sitzen im Betriebsrat vertreten sein. Hierauf - aber auch nur hierauf - hätte das Wahlausschreiben gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 5 WO hinweisen müssen. Es durfte insoweit nur die Angabe enthalten, dass mindestens zwei Sitze im Betriebsrat auf Männer entfallen. Im vorliegenden Wahlausschreiben heißt es dagegen, „danach müssen mindestens 9 Frauen/2 Männer (nicht Zutreffendes streichen) dem Betriebsrat angehören“. Zu wählen waren aber nicht „mindestens 9 Frauen“. Richtigerweise hätte der Wahlvorstand in dem formularmäßigen Wahlausschreiben bei Frauen, die im zahlenmäßigen Verhältnis in der Belegschaft stärker vertreten sind, nicht die Zahl neun einfügen dürfen, sondern statt dessen den Passus „mindestens … Frauen“ streichen müssen. Der Hinweis, es müssten „mindestens 9 Frauen/2 Männer“ dem Betriebsrat angehören, konnte aus Sicht der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebes auch im Zusammenhang mit dem vorstehenden Satz nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit dahin verstanden werden, dass sich der Minderheitenschutz nicht auf die zu wählenden Frauen, sondern nur auf die zu wählenden Männer beziehen soll. Das Wort „mindestens“ kann auch nicht so verstanden werden, dass es sich sowohl auf „Frauen“ als auch auf „Männer“ bezieht, denn dann wäre es sinnentleert. Im Übrigen verstieße ein solches Verständnis gegen § 15 Abs. 2 BetrVG, der die Gruppe des Geschlechts in der Minderheit schützt, ohne dessen verhältnismäßige Überrepräsentation auszuschließen.
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2. Der Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 5 WO war geeignet, das Wahlverhalten der Arbeitnehmer und damit das Ergebnis der Betriebsratswahl zu beeinflussen.
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a) Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn sie das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten. Dafür ist entscheidend, ob eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände bei einer hypothetischen Betrachtung zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (st. Rspr., vgl. etwa BAG 21. Januar 2009 - 7 ABR 65/07 - Rn. 29).
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b) Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Vorschlagslisten eingebracht worden wären, wenn das Wahlausschreiben nicht den fehlerhaften Hinweis enthalten hätte, dass mindestens neun Frauen in den Betriebsrat zu wählen sind. Es ist insbesondere keineswegs fernliegend, dass durch den unzutreffenden Hinweis männliche Bewerber von einer - als wenig aussichtsreich erscheinenden - Kandidatur abgehalten wurden.
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3. Auf mögliche weitere Anfechtungsgründe kam es nicht an.
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