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BAG 22.06.2011 - 8 AZR 752/09
BAG 22.06.2011 - 8 AZR 752/09 - Betriebsübergang - fehlerhafte Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung
Normen
§ 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 242 BGB
Vorinstanz
vorgehend ArbG Hamburg, 24. März 2009, Az: 21 Ca 564/08, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg, 15. September 2009, Az: 2 Sa 136/09, Urteil
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 15. September 2009 - 2 Sa 136/09 - wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2005 hinaus.
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Die Klägerin war seit April 2000 bei dem Beklagten als Sozialberaterin für ausländische Arbeitnehmer im Bereich „Zuwanderung“ beschäftigt.
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Mit Schreiben vom 30. September 2005 teilte der Beklagte sämtlichen Mitarbeitern mit, dass beabsichtigt sei, mit Wirkung ab 1. Januar 2006 den Bereich „Zuwanderung“ herauszulösen und auf einen eigenständigen Rechtsträger zu übertragen. Eine Information nach § 613a Abs. 5 BGB sollte zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
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Mit einer schriftlichen Unterrichtung vom 9. November 2005 informierte der Beklagte die Klägerin über die zum Januar 2006 beabsichtigte Übertragung des Bereichs „Zuwanderung“ auf die gGmbH A (im Folgenden: A gGmbH). Auszugsweise lautet dieses Schreiben:
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„Die Übertragung des Bereichs Zuwanderung hat rechtlich zur Folge, dass das zwischen Ihnen und der A bestehende Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 613 a BGB auf die gGmbH A übergeht, ohne dass es einer zusätzlichen Vereinbarung zwischen Ihnen und der gGmbH A bedarf. Es findet also ein gesetzlicher Wechsel des Arbeitgebers in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis statt.
§ 613 a Abs. 5 BGB sieht vor, die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über folgende Punkte zu unterrichten:
1.
Zeitpunkt des Übergangs:
1.1.2006
2.
Grund für den Übergang:
Die Aufgabenstellung und Finanzierung des Bereiches ‚Zuwanderung‘ hat aufgrund des neuen Zuwanderungsgesetzes eine neue Struktur erfahren. Der Bund und das Land Hamburg finanzieren zukünftig jeder für sich Dienstleistungen, die klar voneinander abgrenzbar sind. Insbesondere die Dienstleistungen für die Freie und Hansestadt Hamburg wird im Rahmen einer Leistungsvereinbarung mit Hilfe von Kennzahlen gesteuert. Die Behörde für Soziales und Familie hat darüber hinaus angekündigt, die von ihr finanzierten Leistungen in 2006 für das Jahr 2007 öffentlich auszuschreiben. Angesichts des starken Wettbewerbs im Bereich der pädagogischen, beratenden und in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelnden Dienstleistungen in der Hansestadt, die u.a. auf die Einführung des Bildungsgutscheines seitens der Bundesagentur für Arbeit, in Zusammenhang mit Hartz IV und der Bildung der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) in Hamburg zurückzuführen sind, wird die A ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern müssen, um auch die Existenz des Bereiches ‚Dienstleistungen im Zuwanderungsbereich’ unter dem A-Dach sicher zu stellen und nach Möglichkeit darüber hinaus auch im Wettbewerb mit anderen Anbietern auszubauen.
3.
Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs:
Der Eintritt der gGmbH A als neuer Arbeitgeber in das jetzt noch mit Ihnen und der A Landesverband H bestehende Arbeitsverhältnis erfolgt, ohne dass sich die geschlossenen Arbeitsverträge inhaltlich verändern. Ihre bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen einschließlich Betriebszugehörigkeit bleiben voll inhaltlich in Kraft. Da die gGmbH A nicht tarifgebunden ist, gelten die bisher bei der A Landesverband H kollektiv angewendeten Tarifverträge als Bestandteil ihres Arbeitsverhältnisses weiter. Sollte die gGmbH A später eine Tarifbindung eingehen, treten die ab dem Betriebsübergang individualrechtlich gültigen Tarifregelungen wieder außer Kraft und werden durch die neuen Tarifregelungen ersetzt.
Bestehende Betriebsvereinbarungen werden ebenfalls so lange Bestandteil Ihres Arbeitsverhältnisses, bis sie durch neue Betriebsvereinbarungen im neu entstehenden Betrieb abgelöst werden.
Durch die Übertragung wird der Bereich Zuwanderung zu einem eigenständigen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Der bisher für Sie zuständige Betriebsrat bleibt zunächst zuständig, ist jedoch rechtlich verpflichtet, einen Wahlvorstand zu bestellen, um die Bildung eines neuen Betriebsrates in die Wege zu leiten.
4.
Hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommene Maßnahmen:
Es sind keine Änderungen geplant.
Ihnen steht gemäß § 613 a Abs. 6 BGB das Recht zu, dem automatischen Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die gGmbH A zu widersprechen. Sollten Sie Widerspruch gegen den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses erklären wollen, bitten wir darum, diesen innerhalb einer Frist von einem Monat seit Erhalt dieses Schreibens zu tun.“
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Am 30. November 2005 teilte die Klägerin dem Beklagten über ihre frühere Bevollmächtigte schriftlich mit, dass die Unterrichtung über den Betriebsübergang nicht ausreichend erfolgt sei und die Widerspruchsfrist daher noch nicht laufe. Der Beklagte reagierte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts darauf mit Schreiben vom 30. Januar 2006 (richtig wohl „30. Dezember 2005“). Dort heißt es ua.:
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„Wir haben bezüglich der Informationspflicht des § 613a BGB eine andere Sicht und können Ihre Ausführungen nicht nachvollziehen.“
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Am 15. Dezember 2005 wurde der Gesellschaftsvertrag zur Gründung der A gGmbH notariell beurkundet. Die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister erfolgte eine Woche später. Zum Geschäftsführer der neu gegründeten Gesellschaft wurde der Geschäftsführer des Beklagten bestellt.
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Zum 1. Januar 2006 übertrug der Beklagte den Bereich „Zuwanderung“ auf den neuen Rechtsträger A gGmbH.
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Am 22. Februar 2006 fand im Betrieb der A gGmbH eine Betriebsratswahl statt, bei der die Klägerin zum Ersatzmitglied des Betriebsrats gewählt wurde.
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Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 teilte die Geschäftsführung der A gGmbH sämtlichen Mitarbeitern die beabsichtigte Stilllegung und Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 31. Dezember 2008 mit. Auszugsweise ist ausgeführt:
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„Wir möchten Sie darüber informieren, dass der Vorstand der A, Landesverband H, auf der Sitzung des Landesvorstandes am 23.06.2008 beschlossen hat, die Geschäftsführung der AG anzuweisen, unter Beachtung von Beteiligungsrechten nach dem Betriebsverfassungsrecht, die AG zum 31.12.2008 komplett stillzulegen. Die AG stellt somit zum 31.12.2008 ihren Geschäftsbetrieb ein.
Ausgenommen von der Einstellung des Geschäftsbetriebes zum 31.12.2008 sind die Projekte Hi II und Hi III, die am 30.06.2009 auslaufen werden.
Die A wird alle Mitarbeiter, die für die prekäre Situation der AG nicht verantwortlich zu machen sind, in den nächsten Monaten tatkräftig unter Einschaltung der Kontakte zum A Bundesverband, der B und den anderen Trägern in der Migrationsarbeit bei der Suche nach einer beruflichen Anschlussperspektive unterstützen.
Die A gGmbH ist nicht existenzfähig. Die A, Landesverband H, stellt die finanziellen Mittel sicher, die notwendig sind, um den Geschäftsbetrieb bis zum 31.12.2008 aufrechtzuerhalten.
Die Geschäftsführung wird mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Sozialplan aufnehmen.“
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Am 1. Juli 2008 wurde für die A gGmbH ein Liquidator bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 1. November 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A gGmbH eröffnet.
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Unter Vollmachtsvorlage widersprach der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 6. November 2008 gegenüber dem Beklagten dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die A gGmbH.
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Mit Schreiben vom 12. November 2008 wies der Beklagte die Auffassung der Klägerin, es bestehe wegen des Widerspruchs weiterhin ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien, zurück.
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Der Betrieb der A gGmbH wurde zum 31. Dezember 2008 eingestellt.
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Die Klägerin meint, das Arbeitsverhältnis sei nicht auf die A gGmbH übergegangen, da sie dem Übergang rechtzeitig und wirksam widersprochen habe. Im Zeitpunkt des Widerspruchs sei die Widerspruchsfrist nicht abgelaufen gewesen, da das Unterrichtungsschreiben vom 9. November 2005 nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe und inhaltlich unzutreffend gewesen sei. So sei beispielsweise die Anschrift der A gGmbH nicht angegeben worden. Auch sei ein Hinweis auf den Grund des Betriebsübergangs genauso zu vermissen, wie ein Hinweis auf die Haftungsbeschränkung nach § 613a Abs. 2 BGB.
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Die Klägerin hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Dezember 2005 hinaus fortbesteht.
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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Er vertritt die Ansicht, die Unterrichtung der Klägerin über den Betriebsübergang sei ordnungsgemäß erfolgt, so dass deren Widerspruch vom 6. November 2008 verspätet erfolgt sei. Jedenfalls sei das Widerspruchsrecht verwirkt, da im Hinblick auf die verstrichene Zeit von nahezu drei Jahren das Zeitmoment ebenso wie das Umstandsmoment verwirklicht sei. Die Klägerin habe trotz Information über die prekäre Lage der A gGmbH erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihren Widerspruch erklärt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter, während der Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten ist im Wege eines Betriebsteilübergangs ab dem 1. Januar 2006 gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf die A gGmbH übergegangen.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Unterrichtungsschreiben vom 9. November 2005 entspreche nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. So habe der Beklagte nicht ausreichend über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs im Sinne von § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB informiert, denn es fehle eine Darstellung der begrenzten gesamtschuldnerischen Nachhaftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB. Die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB sei daher nicht in Lauf gesetzt worden. Allerdings sei das Widerspruchsrecht der Klägerin zum Zeitpunkt seiner Ausübung verwirkt gewesen. Bei einem Zeitraum von nahezu drei Jahren zwischen der Unterrichtung mit Schreiben vom 9. November 2005 und dem Widerspruch der Klägerin vom 6. November 2008 sei das Zeitmoment erfüllt. Die Klägerin habe zudem auch das Umstandsmoment verwirklicht. Die Dauer des Zeitmoments und sämtliche für das Umstandsmoment maßgeblichen Faktoren seien in Wechselwirkung zu setzen. Zwar könne im Hinblick auf das Benachteiligungsverbot für Betriebsratsmitglieder nicht auf die Kandidatur der Klägerin bei den Betriebsratswahlen abgestellt werden. Jedoch genüge für die Annahme des Umstandsmoments im Hinblick auf das Zeitmoment, dass die Klägerin nach Erhalt der Mitteilung über die prekäre wirtschaftliche Lage und die beabsichtigte Stilllegung der A gGmbH zum 31. Dezember 2008 (Schreiben der A gGmbH vom 27. Juni 2008) noch bis zum 6. November 2008 für den Widerspruch zugewartet habe. Hinzu komme, dass es die Klägerin bei der inhaltsleeren Antwort des Beklagten vom 30. Januar 2006 (richtig wohl: 30. Dezember 2005) habe bewenden lassen.
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II. Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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1. Die zulässige Feststellungsklage ist nicht begründet. Zwischen den Parteien besteht über den 31. Dezember 2005 hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses ist mit Wirkung zum 1. Januar 2006 im Wege eines Betriebsteilübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die A gGmbH übergegangen. Diesem Übergang des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin nicht wirksam widersprochen.
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2. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom 9. November 2005 über den am 1. Januar 2006 erfolgten Betriebsteilübergang nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprochen hat und dadurch die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die Klägerin nicht in Gang gesetzt wurde (vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 840/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 14), so dass das Widerspruchsrecht nicht verfristet war, als es von der Klägerin am 6. November 2008 ausgeübt wurde.
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Zu den rechtlichen Folgen, über die nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer zu unterrichten sind, gehören zunächst die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen. Dies erfordert insbesondere auch einen Hinweis auf das Haftungssystem des § 613a Abs. 2 BGB (st. Rspr., vgl. BAG 23. Juli 2009 - 8 AZR 538/08 - BAGE 131, 258 = AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114).
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Die Ausführungen im Unterrichtungsschreiben, die A gGmbH trete als neuer Arbeitgeber in das jetzt noch mit dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis ein, ohne dass sich die geschlossenen Arbeitsverträge inhaltlich veränderten, besagt nichts über die Verteilung der Haftung infolge des Betriebsübergangs.
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Schließlich wurde die Klägerin auch nicht in ausreichender Weise über ihr Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB unterrichtet, weil ein Hinweis auf die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) fehlt.
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3. Das Recht der Klägerin zum Widerspruch war zum Zeitpunkt seiner Ausübung mit Schreiben vom 6. November 2008 allerdings verwirkt.
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a) Das Widerspruchsrecht kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (st. Rspr., vgl. BAG 12. November 2009 - 8 AZR 751/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 12).
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b) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
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c) Angesichts der gesetzlichen Regelung ist hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine bestimmte Monatsfrist abzustellen. Entscheidend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles. Auch ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Zeitmoment und Umstandsmoment beeinflussen sich wechselseitig, dh. beide Elemente sind bildhaft im Sinne „kommunizierender Röhren“ miteinander verbunden. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken (BAG 24. Juli 2008 - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347). Umgekehrt gilt, je mehr Zeit seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs verstrichen ist und je länger der Arbeitnehmer bereits für den Erwerber gearbeitet hat, desto geringer sind die Anforderungen an das Umstandsmoment.
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d) Diese Voraussetzungen für die Annahme der Verwirkung liegen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts im Streitfalle vor. Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. BAG 11. November 2010 - 8 AZR 185/09 -; 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119).
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e) Diesem Überprüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand.
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Zwischen der Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom 9. November 2005 über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und ihrem Widerspruch mit Schreiben vom 6. November 2008 liegt ein Zeitraum von nahezu drei Jahren. Damit ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, das sogenannte Zeitmoment erfüllt. Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu laufen, insbesondere nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung oder Kenntnis des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und dessen Folgen. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, wie sie in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, immer eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei welcher das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind (BAG 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106). Nach der Rechtsprechung des Senats kann je nach den Umständen des Einzelfalles zur Erfüllung des Zeitmoments ein Zeitraum von neun Monaten (vgl. 24. Februar 2011 - 8 AZR 699/09 -), von über einem Jahr (vgl. 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - aaO; 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64) oder ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren (vgl. 9. Dezember 2010 - 8 AZR 614/08 -) genügen.
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Das Schreiben der früheren Bevollmächtigten der Klägerin vom 30. November 2005 hat die Verwirkung nicht gehemmt. Zwar hat die Klägerin in diesem Schreiben die Auffassung vertreten, das Informationsschreiben vom 9. November 2005 sei unzureichend gewesen und entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, so dass der Lauf der Widerspruchsfrist nicht ausgelöst werde. Einen Widerspruch hat die Klägerin gleichwohl nicht erklärt, sondern den Beklagten lediglich aufgefordert, ihr die nach § 613a BGB vorgeschriebenen Informationen „… im erforderlichen Umfange“ mitzuteilen. Ob bzw. welche Konsequenzen die Klägerin aus der bisherigen Informationserteilung zu ziehen beabsichtigte, ist ebenso wenig mitgeteilt worden wie ein etwaiges Verhalten der Klägerin nach einer möglicherweise noch zu erteilenden, ausreichenden Unterrichtung. Damit hat die Klägerin nicht ausgeschlossen, auf die Ausübung ihres Widerspruchsrechts möglicherweise zu verzichten. Deshalb verhinderte das Schreiben der Klägerin vom 30. November 2005 beim Beklagten nicht eine Vertrauensbildung dahin gehend, die Klägerin werde ihr Recht zum Widerspruch letztlich doch nicht ausüben.
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Mit dem Landesarbeitsgericht ist weiter davon auszugehen, dass die Klägerin auch das Umstandsmoment verwirklicht hat.
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Soweit die Klägerin ab dem 1. Januar 2006 zunächst ohne Widerspruch bei der A gGmbH weitergearbeitet hat, begründet dies für sich allein betrachtet noch keine Verwirkung ihres Widerspruchsrechts (st. Rspr., vgl. BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119).
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Allerdings führen die weiter zu berücksichtigenden Umstände in Wechselwirkung mit dem Zeitmoment zur Verwirkung des Widerspruchsrechts.
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Im Schreiben vom 27. Juni 2008 wurden alle Mitarbeiter durch die A gGmbH über die beabsichtigte Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 31. Dezember 2008 informiert. Ausdrücklich heißt es, dass die Erwerberin (A gGmbH) „nicht existenzfähig“ sei und der Beklagte die Mittel sicherstelle, die notwendig seien, um den Geschäftsbetrieb bis zum 31. Dezember 2008 aufrechtzuerhalten. In diesem Schreiben wird ausdrücklich auf die „prekäre“ Situation bei der Erwerberin hingewiesen. Zum 1. Juli 2008 wurde darüber hinaus für die A gGmbH ein Liquidator bestellt. Damit hatte die Klägerin von den für sie maßgeblichen Umständen Kenntnis, um eine Entscheidung darüber, ob sie den Arbeitgeberwechsel hinnimmt oder ihm widerspricht, treffen zu können. Gleichwohl hat sie von ihrem Widerspruchsrecht zunächst keinen Gebrauch gemacht. Erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des AG Hamburg vom 1. November 2008 sah sie sich zum Widerspruch vom 6. November 2008 veranlasst. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr als vier Monate seit dem Schreiben vom 27. Juni 2008 verstrichen, in denen die Klägerin das Vertrauen beim Beklagten, sie werde ihr Widerspruchsrecht nicht ausüben, gestärkt hat. Diese Untätigkeit erlangt auch deshalb besonderes Gewicht, weil die Klägerin mit Schreiben ihrer früheren Bevollmächtigten vom 30. November 2005 noch auf die Unzulänglichkeit der Unterrichtung hingewiesen und ausreichende Information verlangt hatte, also zunächst für ihr Recht eingetreten war, dann aber - widersprüchlich - über einen sehr langen Zeitraum untätig blieb. Die Klägerin blieb nicht nur trotz des inhaltsleeren Schreibens des Beklagten vom 30. Dezember 2005 untätig, sondern selbst dann noch über vier Monate, nachdem sie über die beabsichtigte Betriebsstilllegung der A gGmbH informiert worden war. Für die Klägerin war nicht nur die prekäre wirtschaftliche Situation der A gGmbH infolge des Schreibens vom 27. Juni 2008 offenkundig, sondern darüber hinaus musste sie aufgrund dieses Schreibens davon ausgehen, dass spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008 ihre berufliche Situation und Zukunft ungesichert sein werde. Trotz dieser Perspektive reagierte die Klägerin nicht zeitnah auf das Schreiben vom 27. Juni 2008. Für den Beklagten wurde so der Eindruck, die Klägerin werde dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen, nachhaltig verstärkt. Ob die Klägerin gehalten war, den Widerspruch unverzüglich (dh. ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erklären, kann vorliegend dahinstehen. Auf jeden Fall war mit einem Zeitraum von mehr als vier Monaten ein der Klägerin zuzubilligender, angemessener Zeitraum, in dem sie ggf. Rechtsrat einholen und sich über die Ausübung ihres Widerspruchsrechts klar werden konnte, für die Erklärung des Widerspruchs abgelaufen. Mit ihrem Verhalten hatte die Klägerin den Eindruck erweckt und damit die Vertrauensbildung beim Beklagten verstärkt, dass sie auch angesichts der ausweglosen Situation für die Betriebserwerberin von einem etwaigen Widerspruchsrecht keinen Gebrauch machen werde. Ob die Wahl der Klägerin zum Ersatzmitglied des bei der A gGmbH gebildeten Betriebsrats ein weiteres Umstandsmoment für die Annahme der Verwirkung darstellt, durfte nach alldem dahinstehen.
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Zu Unrecht rügt die Revision, zur Bejahung des Umstandsmoments hätte es der Feststellung einer „Vertrauensinvestition“ des Beklagten durch das Landesarbeitsgericht bedurft. Entgegen der Ansicht der Klägerin setzt der Verwirkungseinwand nicht voraus, dass der Verpflichtete eine konkret feststellbare Vermögensdisposition im Vertrauen auf die Nichtinanspruchnahme getroffen haben muss. Richtig ist vielmehr, dass die Verwirkung eines Rechts nur in Betracht kommt, wenn die verspätete Inanspruchnahme für die Gegenseite - wie hier - unzumutbar erscheint. Diese Unzumutbarkeit muss sich jedoch nicht aus wirtschaftlichen Dispositionen des Verpflichteten ergeben. Solche können das Umstandsmoment zwar verstärken, sind jedoch nicht Voraussetzung für die Annahme desselben (MünchKommBGB/Roth 5. Aufl. § 242 BGB Rn. 333; Staudinger/Looschelders/Olzen [2009] § 242 Rn. 295, 311). Zudem ist in diesem Zusammenhang im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen eine typisierende Betrachtungsweise angezeigt (vgl. Birr Verjährung und Verwirkung 2. Aufl. Rn. 267; Palandt/Grüneberg 70. Aufl. § 242 BGB Rn. 95). Nach einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang kann davon ausgegangen werden, dass der Betriebsveräußerer mit zeitlichem Abstand zum Betriebsübergang zunehmend seine Kalkulation auf der Grundlage vorgenommen hat, dass die nach seiner und des Erwerbers Ansicht übergegangenen Arbeitsverhältnisse nicht mehr mit ihm bestehen. Einer konkret feststellbaren Vermögensdisposition des Verpflichteten, dh. des bisherigen Arbeitgebers, bedarf es daher nicht.
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f) Zur Verwirkung des Widerspruchsrechts genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer für sich in Anspruch nehmen kann. Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen, eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (st. Rspr., vgl. BAG 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328 = AP BGB § 613a Nr. 262 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).
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Danach käme es für die Annahme der Verwirkung nicht auf die Kenntnis der die Verwirkung begründenden Umstände beim Beklagten an. Allerdings lag diese beim Beklagten vor, da der Geschäftsführer der A gGmbH zugleich Geschäftsführer des Beklagten war.
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III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Böck
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Volz
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