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BAG 18.05.2010 - 1 AZR 864/08
BAG 18.05.2010 - 1 AZR 864/08 - Feststellungsinteresse - Betriebsübergang - Parteiwechsel
Normen
§ 256 Abs 1 ZPO, § 613a Abs 1 S 1 BGB, § 265 ZPO, § 325 Abs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Frankfurt, 12. September 2007, Az: 9 Ca 9437/06, Urteil
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 17. September 2008, Az: 8 Sa 1454/07, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 17. September 2008 - 8 Sa 1454/07 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers, bei Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit unverzüglich eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen.
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Der Kläger war bei der Beklagten in der Flugabfertigung als „Load Controller“ beschäftigt. Mit Schreiben vom 27. November 2006 wurde er aufgefordert, für jede Krankmeldung unverzüglich eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Die Beklagte verlangte im Zeitraum von 2000 bis 2007 außer von dem Kläger von 16 Arbeitnehmern die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung. Den Betriebsrat beteiligte sie hierbei nicht.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei wegen der unterbliebenen Beteiligung des Betriebsrats nicht berechtigt, von ihm die unverzügliche Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu fordern.
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Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt
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festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, sofort für jede Krankmeldung eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unverzüglich bei der Beklagten vorzulegen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Feststellungsantrag weiter. Der Kläger hat während des Revisionsverfahrens mitgeteilt, sein Arbeitsverhältnis sei im Wege eines Betriebsübergangs auf die Firma A GmbH übergegangen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Feststellungsantrag ist allerdings im Revisionsverfahren unzulässig geworden.
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A. Das Revisionsverfahren war mit der Beklagten fortzuführen. Dem Antrag des Klägers, die A GmbH anstelle der Beklagten in das Verfahren einzubeziehen, konnte der Senat nicht entsprechen. Die Voraussetzungen für den damit verbundenen gewillkürten Parteiwechsel liegen nicht vor. Eine Auswechselung der beklagten Partei in der Rechtsmittelinstanz ist nur zulässig, wenn der bisherige Beklagte zustimmt oder sich dessen verweigerte Zustimmung als rechtsmissbräuchlich erweist(zum Beklagtenwechsel in der Berufungsinstanz: BGH 26. Februar 1987 - VII ZR 58/86 - mwN, NJW 1987, 1946, 1947). Daran fehlt es. Die Beklagte hat weder ihrer Entlassung aus dem Rechtsstreit zugestimmt noch sind Anhaltspunkte für die rechtsmissbräuchliche Verweigerung ihrer Zustimmung ersichtlich oder vorgetragen. Das zu der Beklagten begründete Prozessrechtsverhältnis besteht danach fort. Es kann daher dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Austausch der beklagten Partei nach einem Betriebsinhaberwechsel während des Revisionsverfahrens überhaupt in Betracht kommt.
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B. Der Feststellungsantrag ist unzulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht nicht mehr.
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I. Der Antrag bedarf der Auslegung.
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Er ist nach seinem Wortlaut auf die von keinen weiteren Voraussetzungen abhängige Feststellung gerichtet, wonach die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht berechtigt ist, die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit vor dem durch § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG bestimmten Zeitpunkt zu fordern. Ein solches weites Antragsverständnis würde dem Begehren des Klägers aber nicht gerecht. Dieser hat in den Rechtsmittelinstanzen die individualrechtliche Befugnis der Beklagten, von der ihr durch § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, nicht mehr in Abrede gestellt. Aus Sicht des Klägers ist die Beklagte jedoch erst nach vorheriger Beteiligung des Betriebsrats berechtigt, von ihm die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vor Ablauf des dritten Kalendertages zu fordern. Der Kläger hat daher in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass die im Antrag begehrte Feststellung unter dem Vorbehalt einer vorherigen Beteiligung eines bei der Beklagten errichteten Betriebsrats steht.
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II. Diesem Feststellungsantrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
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1. Der Antrag ist allerdings auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Ein Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift ist auch ein einzelner, aus einem Schuldverhältnis resultierender Anspruch. Dies ist vorliegend die Frage, ob die Beklagte ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats berechtigt ist, von dem Kläger die unverzügliche Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit zu verlangen. Dem Interesse des Klägers an alsbaldiger Feststellung steht der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage nicht entgegen. Der Kläger ist nicht darauf verwiesen, ausschließlich gegen mögliche Ermahnungs- bzw. Abmahnungsschreiben der Beklagten vorzugehen. Er kann vielmehr davon losgelöst die Rechtmäßigkeit der ihn belastenden Anordnung vom 27. November 2006 zur gerichtlichen Überprüfung stellen.
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2. Das Feststellungsinteresse ist aber während des Revisionsverfahrens entfallen.
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a) Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO ist eine in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Maßgebender Zeitpunkt für das Bestehen des Feststellungsinteresses ist der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht. Wird ein zunächst gegenwärtiges Rechtsverhältnis während des Rechtsstreits beendet, bleibt die Feststellungsklage nur zulässig, wenn sich aus der beantragten Feststellung noch Rechtswirkungen für die Zukunft ergeben können. Allerdings muss die begehrte Feststellung geeignet sein, die zwischen den Parteien weiterhin bestehenden Streitfragen abschließend zu klären. Fehlen solche künftigen Rechtswirkungen und trägt der Kläger der geänderten Prozesssituation nicht durch eine Erledigungserklärung und eine entsprechende Änderung seines Antrags Rechnung, ist die Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen(BAG 6. Mai 2003 - 1 AZR 340/02 - zu 1 der Gründe, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 80).
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b) Die Beklagte hat den im Revisionsverfahren gehaltenen Vortrag des Klägers, wonach das Arbeitsverhältnis nunmehr mit der A GmbH fortgeführt wird, nicht bestritten. Einer weiteren Sachaufklärung, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die A GmbH übergegangen oder mit dieser neu begründet worden ist, bedarf es nicht. Sowohl der mit einem Betriebsübergang verbundene Arbeitgeberwechsel wie auch der fehlende Vollzug eines nach einem Betriebsinhaberwechsel fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten führen zum Wegfall des Feststellungsinteresses.
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aa) Der Senat kann zu Gunsten des Klägers unterstellen, dass seine nicht näher substantiierte Rechtsbehauptung zutrifft, der Arbeitgeberwechsel sei aufgrund eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfolgt. In diesem Fall wäre eine der Klage stattgebende Entscheidung für die Rechtsbeziehungen der Parteien ohne Bedeutung. Die Beklagte ist nach dem Betriebsübergang nicht mehr Arbeitgeber des Klägers. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die begehrte Feststellung für die Zeit bis zum Eintritt des Betriebserwerbers in die Arbeitgeberstellung von Bedeutung ist. Der Senat kann auch nicht davon ausgehen, dass ein für den Kläger günstiges Urteil Rechtswirkungen auf ein mit der A GmbH fortgeführtes Arbeitsverhältnis hat. Zwar kann eine zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebsveräußerer bindend festgestellte Rechtslage auch gegenüber dem Betriebserwerber gelten (MünchKommBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 613a Rn. 214). Die Rechtskraft eines gegen den früheren Arbeitgeber ergehenden Urteils wirkt in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den neuen Arbeitgeber, wenn der Betriebsübergang nach Rechtshängigkeit erfolgt ist (BAG 9. Juli 2003 - 5 AZR 595/02 - zu I 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 158 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 3). Dazu müssen aber die Voraussetzungen für den Übergang des Arbeitsverhältnisses gerichtlich festgestellt oder zwischen den Beteiligten unstreitig sein, woran es vorliegend fehlt. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass die nicht am Verfahren beteiligte A GmbH von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeht und sich deshalb an die im vorliegenden Rechtsstreit getroffene Entscheidung gebunden sieht.
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bb) Kein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die A GmbH übergegangen wäre und mangels eines § 623 BGB genügenden Beendigungstatbestands mit der Beklagten fortbestehen würde. Es ist weder vom Kläger darlegt oder in anderer Weise ersichtlich, warum er für ein nicht mehr in Vollzug befindliches Arbeitsverhältnis eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung vom 27. November 2006 benötigt.
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