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BSG 17.04.2023 - B 9 V 38/22 B
BSG 17.04.2023 - B 9 V 38/22 B
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. November 2022 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung eines Impfschadens nach dem Infektionsschutzgesetz aufgrund einer 1995 mit dem Wirkstoff Impfstoff Oral-Virelon T1 durchgeführten Auffrischungsimpfung gegen Poliomyelitis verneint (Beschluss vom 10.11.2022).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und mit Verfahrensmängeln begründet.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Die Klägerin hat den von ihr allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der danach vorgeschriebenen Weise bezeichnet.
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1. Die Klägerin macht geltend, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf einem Verfahrensmangel, weil das LSG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt und gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) verstoßen habe.
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 10.6.2021 - B 9 V 56/20 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16, jeweils mwN). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
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a) Den an die Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) zu stellenden Anforderungen genügt der Beschwerdevortrag der Klägerin nicht. Sie legt zwar dar, welches Vorbringen das LSG ihrer Meinung nach nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt haben soll. Ihrer Begründung lässt sich aber - anders als erforderlich - nicht entnehmen, aus welchen Umständen geschlossen werden könnte, dass das LSG dieses Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen haben könnte. Hierzu fehlen bereits Angaben zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Deren Begründung wird von der Klägerin in nur drei Sätzen zusammengefasst. Danach hat das LSG ua ausgeführt, ihr Vortrag im Berufungsverfahren begründe keine andere Entscheidung. Dem ist jedoch zu entnehmen, dass das LSG das Berufungsvorbringen sehr wohl zur Kenntnis genommen hat, diesem aber nicht gefolgt ist. Hierin liegt jedoch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Denn dieser gebietet lediglich, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - juris RdNr 12 f; BSG Beschluss vom 26.1.2022 - B 9 SB 68/21 B - juris RdNr 10). Vielmehr entscheidet das Gericht nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, und ein Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung dieser Vorschrift gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Diese Regelungen dürfen auch nicht durch die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs umgangen werden (BSG Beschluss vom 1.6.2022 - B 9 SB 7/22 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 6.4.2022 - B 12 R 31/21 B - juris RdNr 18).
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b) Unzulässig ist die Beschwerde auch mit Blick auf die von der Klägerin in die Gehörsrüge eingebundene Rüge, wonach das LSG, wie bereits das in erster Instanz mit der Sache befasste SG, verfahrensfehlerhaft davon abgesehen habe, weitere Sachverständigengutachten von Amts wegen nach § 103 SGG einzuholen.
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Wie bereits ausgeführt, kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; zB BSG Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - das LSG von der ihm durch § 153 Abs 4 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der in einem solchen Fall den Beteiligten zugestellten Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 SGG muss jedenfalls ein anwaltlich vertretener Beteiligter auch entnehmen, dass das Berufungsgericht keine weitere Sachaufklärung mehr beabsichtigt und dass es etwaige schriftsätzlich gestellte Beweisanträge lediglich als Beweisanregungen, nicht aber als förmliche Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ansieht. Nach Zugang der Anhörungsmitteilung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich bereits gestellte Beweisanträge aufrechterhalten will, dem LSG ausdrücklich die Aufrechterhaltung dieser Anträge mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 16.7.2019 - B 13 R 150/19 B - juris RdNr 14). Dass dies der Fall gewesen wäre, hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung ebenso wenig dargetan wie eine Erwähnung von Beweisanträgen durch das LSG in der angefochtenen Entscheidung. Das Verbot der Umgehung der Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG gilt auch für die Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (stRspr; zB BSG Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 17/22 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris RdNr 8).
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c) Dass die Klägerin die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 6.7.2022 - B 10 EG 2/22 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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2. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Kaltenstein
Ch. Mecke
Othmer
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