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BSG 17.12.2020 - B 12 R 23/20 B
BSG 17.12.2020 - B 12 R 23/20 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Gehörsverletzung - Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung
Normen
§ 62 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG München, 25. Juli 2019, Az: S 27 BA 145/18, Urteil
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 8. Mai 2020, Az: L 14 BA 141/19, Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Mai 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
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Der Streitwert wird auf 2714,27 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um eine Beitragsnachforderung aufgrund einer bei dem Kläger als Arbeitgeber durchgeführten Betriebsprüfung wegen der Sozialversicherungspflicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge in Höhe von 2714,27 Euro (Bescheid vom 7.12.2017, Widerspruchsbescheid vom 27.2.2018). Klage- und Berufungsverfahren sind erfolglos geblieben (Urteil des SG München vom 25.7.2019; Beschluss des Bayerischen LSG vom 8.5.2020). Die Zuschläge seien bei der Entgeltfortzahlung im Fall von Krankheit und Urlaub im Sozialversicherungsrecht als laufende Einnahmen - unabhängig von deren Auszahlung - nach dem Entstehungsprinzip entsprechend höchstrichterlicher Rechtsprechung zu verbeitragen. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
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II. Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Er hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend bezeichnet.
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann. Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf die Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG).
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Das Vorbringen des Klägers wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
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1. Er rügt vor allem eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) und insbesondere des § 153 Abs 4 Satz 2 SGG als Ausprägung dieses Grundsatzes. Es fehle die erforderliche Ermessensausübung des LSG für eine Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 SGG. Es sei insbesondere nicht zu erkennen, dass sich das Gericht nach der erstmals in der Berufungsinstanz erfolgten Beiladung der Kranken- und Pflegekassen damit auseinandergesetzt habe, dass diese bislang keine Gelegenheit zur Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung gehabt hätten. Außerdem fänden sich keine Nachweise für den Zugang der mit einfachem Brief vom 23.4.2020 datierenden Anhörung dieser - neu - Beigeladenen. Das LSG habe sich nicht vergewissert, dass das Anhörungsschreiben allen Beteiligten zugegangen sei. Zwischen dem möglichen Zugang des Schreibens, der frühestens am 27.4.2020 anzusetzen sei, und dem Beschluss vom 8.5.2020 lägen auch nicht mindestens zwei Wochen, so dass die Beigeladenen jedenfalls keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass der Beschluss darauf beruhe, da eine Stellungnahme ggf die Auffassung des Gerichts geändert hätte. Bei einer Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter hätte die Entscheidung ggf anders ausfallen können. Es liege damit ein absoluter Revisionsgrund wegen fehlerhafter Besetzung (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO) vor.
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Das LSG habe außerdem zu Unrecht die betroffenen Arbeitnehmer und die Bundesagentur für Arbeit nicht beigeladen. Sowohl diese als auch die Kranken- und Pflegekassen seien in erster Instanz nicht beigeladen gewesen. Damit habe im vorliegenden Rechtsstreit keine mündliche Verhandlung für sie stattgefunden; dies verletze das Recht auf mindestens eine mündliche Verhandlung (Art 6 Abs 1 der Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK). Eine Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG scheide damit aus.
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Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Kläger nicht, einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel darzulegen. Denn er macht mit seinen Rügen ausschließlich Anhörungsrechte der Beigeladenen geltend. Das Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich jedoch nur auf ein eigenes Recht. Dieses Verfahrensgrundrecht stellt eine justizielle Ausprägung der Würde der Person dar, die insoweit fordert, dass über ihr Recht nicht kurzerhand von Obrigkeitswegen verfügt wird; der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (stRspr; vgl BVerfG Beschluss vom 9.3.1983 - 2 BvR 315/83 - BVerfGE 63, 332, 337 f = juris RdNr 22; s auch BVerfG Kammerbeschluss vom 14.1.1991 - 1 BvR 41/88 - juris RdNr 3). Hieraus folgt, dass derjenige, der sich auf eine Gehörsverletzung beruft, darlegen muss, dass er selbst von dieser betroffen ist, ihm selbst also die Äußerungsmöglichkeit versagt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 279/16 B - juris RdNr 10). Das macht der Kläger aber nicht geltend, vielmehr beruft er sich ausschließlich auf die den Beigeladenen versagten bzw eingeschränkten Äußerungsmöglichkeiten.
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Selbst wenn eine mittelbare Betroffenheit durch die Verletzung des Gehörs anderer Beteiligter in Betracht käme, so mangelt es an Darlegungen dazu, was die Beigeladenen vorgebracht hätten, und dass auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu Gunsten des Klägers hätte ergehen können. Vorbringen dazu, welche tatsächlichen Angaben oder für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen auch bezüglich der Rechtsstellung des Klägers diese hätte machen können, fehlen. Ausführungen zum Beruhen sind grundsätzlich auch bei einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten Anhörung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG erforderlich. Weder die unvollkommen formulierte Anhörungsmitteilung noch der mangelnde Zustellungsnachweis oder eine unangemessen kurze Anhörungsfrist lassen die in § 153 Abs 4 Satz 1 SGG festgelegten Voraussetzungen für die Befugnis des LSG, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, zwangsläufig entfallen. Davon könnte nur dann die Rede sein, wenn der Fehler den Betroffenen an Vorbringen gehindert hat, welches das LSG hätte veranlassen müssen, von einem Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG Abstand zu nehmen (vgl BSG Beschluss vom 18.7.2019 - B 13 R 259/17 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 19). Die pauschale Behauptung, dass eine Stellungnahme der Beigeladenen ggf die Auffassung des Gerichts geändert hätte, reicht hierfür nicht.
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Ein Verfahrensmangel ist auch nicht aufgrund des Vortrags des Klägers dargetan, dass die Anhörungsmitteilung nur von der Berichterstatterin verfügt worden sei und sich in der Akte keine Hinweise auf eine vorherige "einstimmige" Abstimmung des Senats über die Unbegründetheit der Berufung fänden. Denn einer Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG steht nicht entgegen, dass die Anhörungsmitteilung vom Berichterstatter unterzeichnet wird und diese ggf auch vor der Meinungsbildung des Senats über die Erfolgsaussichten des Verfahrens ergeht. Eine Anhörungsmitteilung ist vielmehr selbst dann zulässig, wenn sich das Berufungsgericht über seine Verfahrensweise noch nicht schlüssig geworden ist, es aber zweckmäßig und sachgerecht erscheint, die äußeren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss zu schaffen (vgl BSG Urteil vom 21.6.2001 - B 7 AL 94/00 R - SozR 31500 § 153 Nr 14 S 44). Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Einstimmigkeit über die Unbegründetheit im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegt (vgl BSG Urteil vom 21.6.2001, aaO). Warum dies entgegen den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses nicht der Fall gewesen sein soll, legt der Kläger nicht dar.
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Dass die mit dem Beschluss zugleich getroffene Entscheidung, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, im Verhältnis zum Kläger pflichtgemäßem Ermessen widerspricht, trägt der Kläger nicht vor. Er legt insbesondere nicht dar, dass der Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht besonders schwierig gelagert sei. Soweit bei der Ermessensentscheidung auch die prozessrechtliche Garantie des Art 6 Abs 1 Satz 1 EMRK zu berücksichtigen ist (vgl hierzu ausführlich BSG Beschluss vom 8.11.2005 - B 1 KR 76/05 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 7), wonach grundsätzlich ein Recht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in mindestens einer Instanz besteht, hat der Kläger eine eigene Verletzung dieses Anspruchs nicht aufgezeigt. Dies wäre aber Voraussetzung, um einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG geltend zu machen. Soweit er darauf abstellt, dass die beigeladenen Kranken- und Pflegekassen erstmals in der Berufungsinstanz zu Beteiligten wurden und keine Gelegenheit zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung des SG hatten, macht er - anders als in den von ihm herangezogenen Entscheidungen - mit diesem Vortrag wiederum fremde Rechte geltend. Für eine mittelbare Betroffenheit bedürfte es auch hier weiterer Darlegungen, welche Argumente den Beigeladenen durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung abgeschnitten worden sein sollen und dass das LSG bei Würdigung dieser Argumente zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Solcher Vortrag fehlt aber. Der Kläger legt auch nicht dar, dass er selbst im Rahmen der Anhörung geltend gemacht habe, dass er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen der Beteiligung der Beigeladenen für geboten halte und ihm deshalb weiterer Vortrag abgeschnitten worden sei.
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Soweit der Kläger die unterbliebene notwendige Beiladung der betroffenen Arbeitnehmer und der Bundesagentur für Arbeit nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG rügt, handelt es sich nicht um einen absoluten Revisionsgrund (vgl Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl, Stand 15.7.2017, § 75 RdNr 180). Auch insoweit fehlen Darlegungen, inwieweit der angefochtene Beschluss auf der unterlassenen Beiladung beruhen könne. Die Beschwerdebegründung stellt den notwendigen Bezug des gerügten Verfahrensfehlers zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung, insbesondere zur rechtlichen Herleitung und Begründung des Beschlusses, nicht her (vgl zu dieser Anforderung BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 12 KR 50/16 B - juris RdNr 20; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 3 P 6/17 B - juris RdNr 9 f). Allein der Beiladungsmangel als solcher berührt den Kläger noch nicht in eigenen Rechten. Auch das Risiko, bei Unwirksamkeit der Entscheidung gegenüber den nicht Beigeladenen in einen weiteren Prozess einbezogen zu werden, ändert daran nichts (vgl BVerwG Beschluss vom 16.9.2009 - 8 B 75/09 - juris RdNr 3; BVerwG Beschluss vom 22.4.2020 - 10 B 18/19 - juris RdNr 19).
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2. Soweit der Kläger auch eine "Aufklärungsrüge" erhebt, weil konkrete Feststellungen zu den Nachforderungen und den betroffenen Arbeitsnehmern fehlen würden, hat er die Darlegungsanforderungen hierfür (vgl zur Sachaufklärungsrüge allgemein BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN) nicht erfüllt. Hierzu wäre aufzuzeigen, dass er einen Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt hat (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG). Dass dies geschehen sei, legt der Kläger aber nicht dar.
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3. Die Behauptung, der Beschluss sei inhaltlich falsch, ist von vorneherein nicht geeignet, zur Zulassung der Revision zu führen (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).
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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.
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6. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und entspricht der Festsetzung des LSG hinsichtlich der im Berufungsverfahrens noch streitigen Beitragsnachforderung unter Berücksichtigung der vom Kläger selbst eingeräumten offenbaren Unrichtigkeit.
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