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BSG 16.01.2020 - B 10 ÜG 15/19 B
BSG 16.01.2020 - B 10 ÜG 15/19 B - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - überlanges Gerichtsverfahren - Widerlegung der Vermutung eines immateriellen Nachteils - tatsachengerichtliche Würdigung - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - Unzulässigkeit einer nachträglichen Richterablehnung - keine Ablehnungsgründe aufgrund des abschließenden Urteils - Darlegungsanforderungen
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 60 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 42 ZPO, § 547 Nr 1 ZPO, § 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 2 S 1 GVG, RVG, Art 101 Abs 1 S 2 GG
Vorinstanz
vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 10. April 2019, Az: L 12 SF 52/17 EK AS, Urteil
vorgehend SG Neubrandenburg, 10. März 2015, Az: S 16 AS 2121/11, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 15. Mai 2017, Az: L 8 AS 170/15 NZB, Beschluss
Tenor
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Der Antrag der Klägerin, ihr für Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. April 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H aus U zu bewilligen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1200 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine Entschädigung in Höhe von 1200 Euro für die unangemessene Dauer einer von ihr bei dem LSG Mecklenburg-Vorpommern eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde (L 8 AS 170/15 NZB) gegen ein klageabweisendes Urteil des SG Neubrandenburg vom 10.3.2015 (S 16 AS 2121/11). Das LSG als Entschädigungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch verneint (Urteil vom 10.4.2019). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Gegenstand des vor dem SG Neubrandenburg anhängig gewesenen Klageverfahrens sei zuletzt eine Fortsetzungsfeststellungsklage gewesen. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufrechterhaltung dieser Klage sei von der Klägerin allein mit den Kosten für das Widerspruchsverfahren begründet worden. Dies gelte erst recht für das sich dem Klageverfahren anschließende Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem LSG. Es fehle jedoch bereits an einem Nachteil der Klägerin iS des § 198 Abs 1 Satz 1 GVG als alleinige Inhaberin des Entschädigungsanspruchs. Dieser liege wegen fehlender Rechnungslegung der Prozessbevollmächtigten gegenüber der Klägerin für Kosten des dem Klageverfahren vorgeschalteten Widerspruchsverfahren nicht vor. Trotz Aufforderung mit Fristsetzung habe die Prozessbevollmächtigte eine entsprechende Rechnungslegung an die Klägerin dem Entschädigungsgericht nicht vorgelegt.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Zugleich hat sie für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin H aus U beantragt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und macht einen Verfahrensmangel geltend.
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II. Der Antrag der Klägerin auf PKH ist unzulässig.
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Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Dies ist hier nicht der Fall. Aus diesem Grund kommt auch die Beiordnung von Rechtsanwältin H aus U nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 28.10.2019 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 35/17 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6, jeweils mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Die Klägerin hält die folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Darf der Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG von der Rechnungslegung des Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Entschädigungskläger für dessen Vertretung im Ausgangsverfahren, sei (es) im Hinblick auf das Vorverfahren und/oder das gerichtliche Verfahren, abhängig gemacht werden?"
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Es ist bereits fraglich, ob die Klägerin damit überhaupt eine klärungsbedürftige Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet hat. Denn im Kern ihrer Fragestellung wendet sich die Klägerin gegen die vom Entschädigungsgericht bejahte Widerlegung der Vermutung eines Nachteils gemäß § 198 Abs 2 Satz 1 GVG. Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 29.10.2018 (B 10 ÜG 6/18 B - juris RdNr 12) aber bereits in einem Verfahren zum Erlass einer Kostengrundentscheidung ebenfalls vor dem Hintergrund einer fehlenden Rechnungslegung durch den Prozessbevollmächtigten auf Folgendes hingewiesen: Wenn das Entschädigungsgericht im Rahmen der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG die Vermutung in § 198 Abs 2 Satz 1 GVG eines Nachteils durch eine überlange Verfahrensdauer als widerlegt bewertet, kann darauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Zielt eine Fragestellung daher - wie hier - auf die Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet sie damit im Kern letztlich eine Frage der Beweiswürdigung, kann ein Beschwerdeführer die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrüge in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht dadurch erfolgreich umgehen, dass er die Rüge in eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu kleiden sucht (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 10.9.2018 - B 9 SB 40/18 B - juris RdNr 6 mwN). Dass im vorliegenden Fall eine andere rechtliche Bewertung der von ihr bezeichneten Frage geboten ist, zeigt die Klägerin nicht auf.
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Unabhängig davon hat die Klägerin auch die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der formulierten Fragestellung nicht dargelegt. Denn gemäß § 198 Abs 1 Satz 1 GVG wird angemessen nur derjenige entschädigt, der infolge unangemessener Verfahrensdauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Deshalb hätte die Klägerin unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Senats (zB Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - BSGE 117, 21 = SozR 4-1720 § 198 Nr 3; Urteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 7/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 10) zunächst darlegen müssen, dass das hier in Rede stehende Ausgangsverfahren eine unangemessene Verfahrensdauer aufweist. Denn nur wenn diese vorliegen sollte, kommt es darauf an, ob die Klägerin als Entschädigungsklägerin einen Nachteil trotz der fehlenden Rechnungslegung ihrer Prozessbevollmächtigten über die Kosten des dem Ausgangsverfahren vorgeschalteten Widerspruchsverfahren hat. Da Ausführungen zu einer unangemessenen Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens fehlen, ist es dem Senat nicht möglich, allein anhand der Beschwerdebegründung zu beurteilen, ob es auf die formulierte Rechtsfrage in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren überhaupt ankommt. Allein der schlichte Hinweis auf eine PKH-Bewilligung des Entschädigungsgerichts für die Durchführung einer Entschädigungsklage reicht nicht.
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2. Ebenso wenig hat die Klägerin einen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Entschädigungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der angefochtenen Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Entschädigungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Die Klägerin rügt, das Urteil des Entschädigungsgerichts verstoße gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 GG. Es liege der Entzug des gesetzlichen Richters vor. Das Urteil wecke die Besorgnis der Befangenheit sämtlicher Senatsmitglieder, die an dem Urteil mitgewirkt hätten. Ein Ablehnungsgesuch im Entschädigungsverfahren sei nicht geboten gewesen. Denn die Ersetzung des notwendigen Beklagtenvortrags im Rahmen der Beweislastregeln ergebe sich erstmals aus der Entscheidung selbst.
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Mit diesem und ihrem weiteren Vorbringen hat die Klägerin jedoch keinen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG bezeichnet. Selbst wenn man ihren Vortrag als nachträgliches Ablehnungsgesuch deuten wollte, wäre dieses unzulässig, weil das Entschädigungsverfahren vor dem LSG bereits beendet ist. Aus Sinn und Zweck des Ablehnungsgesuchs ergibt sich, dass es nur bis zum Erlass der Endentscheidung des Gerichts zulässig ist, dem der abgelehnte bzw die abgelehnten Richter angehören. Nach Beendigung der Instanz kann ein Ablehnungsgesuch nicht mehr gestellt werden; es ist dann prozessual überholt (BSG Beschluss vom 6.6.2007 - B 8 KN 8/07 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 13.7.1998 - B 9 VS 8/98 B - juris RdNr 5). Dies gilt selbst dann, wenn der Betreffende den Ablehnungsgrund erst nach Erlass der Endentscheidung des Gerichts, dem der abgelehnte Richter angehört, erfahren hat (BSG Beschluss vom 6.6.2007, aaO).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 6, § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 Satz 1, § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.
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