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BSG 25.04.2018 - B 14 AS 255/17 B
BSG 25.04.2018 - B 14 AS 255/17 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - vorschriftsmäßige Besetzung - Besetzung mit abgeordnetem Richter
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 30 Abs 1 SGG, § 33 Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Neubrandenburg, 19. November 2013, Az: S 14 AS 550/13, Urteil
vorgehend SG Neubrandenburg, 19. November 2013, Az: S 14 AS 549/13 -II, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 28. März 2017, Az: L 10 AS 567/13, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerden der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. März 2017 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Umstritten sind Leistungen nach dem SGB II für die Kläger, die das beklagte Jobcenter ablehnte. Das SG hat die auf Zahlung von Leistungen für verschiedene Zeiträume gerichteten Klagen abgewiesen (Urteile vom 19.11.2013), das LSG hat die Verfahren verbunden und die Berufungen der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 28.3.2017).
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Mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden rügen die Kläger insbesondere als Verfahrensmangel eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des LSG, weil an dem angefochtenen Urteil der Richter am SG (RSG) S mitgewirkt habe. Dieser sei zum Urteilszeitpunkt mehr als ein Jahr ans LSG abgeordnet gewesen, obwohl die übliche Erprobung in Mecklenburg-Vorpommern nur neun Monate dauere und keine Gründe für eine längere Abordnung ersichtlich seien. Kein planmäßiger Richter am LSG sei ausgefallen und es habe keinen zeitweiligen außergewöhnlichen Arbeitsanfall oder eine unvorhergesehene Überlastung beim LSG gegeben. Der Senat hat eine Auskunft der Präsidentin des LSG vom 10.1.2018 zur Abordnung des Richters und der Gründe hierfür in dem parallel gelagerten Verfahren mit dem Aktenzeichen - B 14 AS 157/17 B -, das sich gegen denselben Beklagten richtet und in dem die dortigen Klägerinnen von derselben Prozessbevollmächtigten vertreten werden, eingeholt und den Beteiligten des hiesigen Verfahrens zur Kenntnis übersandt. Die Kläger haben zur Begründung ihrer Beschwerden Auskünfte der Präsidentin des LSG vom 6.7.2017 und 17.10.2017 in einem Verfahren vor dem 13. Senat des BSG vorgelegt, in dem dieselbe Rüge in Bezug auf einen anderen an das LSG abgeordneten Richter erhoben worden ist.
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II. Die Beschwerden sind zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 28.3.2017 ist aufzuheben und die Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG zurückzuverweisen. Denn die Entscheidung des LSG beruht auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
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Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil die angefochtene Entscheidung des LSG unter Verletzung der Vorschriften über die Besetzung des LSG ergangen ist.
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Das LSG besteht nach § 30 Abs 1 SGG aus dem Präsidenten, den Vorsitzenden Richtern, weiteren Berufsrichtern und den ehrenamtlichen Richtern, und jeder Senat des LSG wird nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGG in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig. Die Verletzung der Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG sehen Art 92, 97 GG zur Sicherung der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Richter vor, dass die Gerichte, soweit Berufsrichter beschäftigt werden, grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern besetzt sind; die Zahl der persönlich nicht unabhängigen "Hilfsrichter" ist so klein wie möglich zu halten, zwingende Gründe für deren Beschäftigung sind zum Beispiel gegeben, wenn für eine planmäßig endgültige Anstellung als Richter in Betracht kommende Assessoren auszubilden sind, wenn planmäßige Richter unterer Gerichte an obere Gerichte abgeordnet werden, um ihre Eignung zu erproben, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige Richter, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen oder wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufzuarbeiten ist. Aber auch in solchen Fällen wäre die Verwendung von Hilfsrichtern nicht gerechtfertigt, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist, oder weil die Justizverwaltung es versäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen (BVerfG vom 3.7.1962 - 2 BvR 628/60 - BVerfGE 14, 156 - juris RdNr 12 ff; zuletzt etwa BVerfG vom 22.6.2006 - 2 BvR 957/05 - juris RdNr 7).
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Ausgehend von diesen Maßstäben war das LSG bei seinem Urteil vom 28.3.2017 aufgrund der Mitwirkung des RSG S nicht ordnungsgemäß besetzt. Ein zwingender Grund im obigen Sinne für das Tätigwerden des RSG S statt eines planmäßigen Richters am LSG lag nicht vor, wie sich aus den eingeholten Auskünften der Präsidentin des LSG ergibt.
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Die nach der Auskunft der Präsidentin des LSG vom 10.1.2018 erfolgte Abordnung des RSG S zur Erprobung vom 1.1. bis zum 30.9.2016 war beendet.
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Auch die Voraussetzungen für eine der zwei anderen vom BVerfG angeführten Ausnahmen - vorübergehender Ausfall planmäßiger Richter, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, oder zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall - waren nicht gegeben.
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Ein Ausfall planmäßiger Richter ist der Auskunft der Präsidentin vom 10.1.2018 nicht zu entnehmen. In dieser wird vielmehr ausgeführt: Die Abordnung des RSG S sei zunächst bis zum 31.12.2017 und dann zum 1.8.2017 vorzeitig bis zum 31.12.2019 verlängert worden, um dem Richter eine "kleine Verwaltungserprobung" zu ermöglichen, die nach dem Personalentwicklungskonzept des Landes Voraussetzung für die Übertragung zB des Amtes eines ständigen Vertreters des Direktors eines Gerichts sei. Zur Begründung der Verlängerung der Abordnung über den 30.9.2016 hinaus wird in der Auskunft mitgeteilt, dies sei mit Blick auf die Eingangsbelastung und insbesondere die erheblichen Bestände des LSG erfolgt. Alle dem LSG zugewiesenen Planstellen seien besetzt gewesen, den wiederholten Anzeigen eines erhöhten Stellenbedarfs gegenüber dem Ministerium sei erst im Herbst 2016 durch Ausschreibung einer weiteren Stelle Rechnung getragen worden, die dann Anfang 2017 besetzt werden konnte. Im Doppel-Haushalt 2018/2019 seien dem LSG zwei weitere Stellen zugewiesen worden. Die in der Auskunft der Präsidentin vom 17.10.2017 angesprochene Abordnung eines Vorsitzenden Richters am LSG in das Justizministerium ist kein Ausfall eines planmäßigen Richters im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG, sondern eine gezielte Personalmaßnahme.
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Ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall ist der Auskunft vom 10.1.2018 ebenfalls nicht zu entnehmen. Sie spricht vielmehr für eine dauerhafte erhebliche Belastung des LSG durch entsprechende Eingänge, die durch das Zahlenwerk in der Auskunft der Präsidentin vom 17.10.2017 untermauert wird und nahezu zwangsläufig zu einer Bestandsbelastung führt, sowie eine nicht ausreichende Ausstattung des LSG mit Planstellen - zumindest in der Vergangenheit.
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Ein möglicher anderer Grund für eine Ausnahme von der Besetzung des Senats des LSG mit hauptamtlichen Richtern am LSG, der mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben nach der Rechtsprechung des BVerfG vereinbar ist, ist nicht zu erkennen. Die Frage, ob die in der Auskunft angeführte "kleine Verwaltungserprobung" überhaupt ein Grund für eine Abordnung nach der Rechtsprechung des BVerfG ist, was schon aufgrund ihrer Länge Zweifeln unterliegt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da sie erst am 1.8.2017 begann.
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Angesichts dieses Verfahrensmangels kann eine Entscheidung über die von den Klägern außerdem erhobenen Rügen dahingestellt bleiben.
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Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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