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BSG 23.03.2017 - B 9 V 51/16 B
BSG 23.03.2017 - B 9 V 51/16 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - keine gerichtliche Hinweispflicht zur sachgerechten Stellung von Beweisanträgen - Beweisermittlung - Konkretisierung eines nur vage benannten Zeugen
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 106 SGG, § 103 SGG, § 373 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Bayreuth, 15. September 2015, Az: S 4 VJ 4/14, Urteil
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 25. Mai 2016, Az: L 18 VJ 9/15, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Mai 2016 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. In der Hauptsache begehrt die Klägerin die Anerkennung einer rechtsseitigen Halbseitenparese als Impfschaden nach Pockenimpfung am 26.4.1949 und entsprechende Versorgungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz. Der beklagte Freistaat lehnte den Antrag vom 31.7.2008 ab, weil Unterlagen über eine Pockenimpfung bzw -wiederimpfung nicht mehr vorhanden seien, die Klägerin widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt des Eintritts ihrer rechtsseitigen Lähmungen gemacht habe und der sozialmedizinische Gutachter festgestellt habe, dass die bei der Klägerin vorhandene Symptomatik nicht ohne Weiteres mit einer Pockeninfektion, sondern eher mit einer Poliomyelitis in Einklang zu bringen sei (Bescheid vom 19.8.2013, Widerspruchsbescheid vom 7.10.2014). In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin vorgetragen, der Schaden sei einer Gemeindeschwester E. P. gemeldet worden. Das SG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, zwar könne mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass eine Pockenimpfung durchgeführt worden sei. Es stehe aber weder ein Impfschaden noch die nötige Kausalität fest. Die in der mündlichen Verhandlung erstmals vage benannte Gemeindeschwester sei nach Ablauf der der Klägerin gesetzten Beibringungsfrist nicht mehr als Beweismittel zuzulassen. Eine Google-Abfrage habe zudem keinen Hinweis über den Verbleib der genannten Person erbracht. Alternative Ermittlungsmöglichkeiten ohne Mitwirkung der Klägerin bestünden für das Gericht nicht (Urteil vom 15.9.2015). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin gerügt, der sozialmedizinische Gutachter habe ihre Angaben zu den zeitlichen Abläufen verdreht und angegeben, sie sei von der Fürsorgeschwester G. P. wegen des gemeldeten Impfschadens nach A. geschickt worden. Sie hat zudem eine Umkehr der Beweislast wegen eines Beweisnotstands geltend gemacht. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, an einer Primärschädigung (Impfkomplikation) bestünden erhebliche Zweifel. Die Einvernahme der benannten Gemeindeschwester scheitere zwar nicht am Verstreichen der vom SG gesetzten Frist, jedoch handele es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, da die Klägerin keine näheren Angaben gemacht habe, inwieweit gerade die benannte Person Impfkomplikationen bezeugen könnte, und auch keine ladungsfähige Anschrift benannt habe (Urteil vom 25.5.2016).
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Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Hinweispflicht (§ 106 SGG).
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der aufgeführte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Einen prozessordnungsgemäß gestellten Beweisantrag behauptet die Beschwerdebegründung nicht. Sie stellt nicht in Abrede, dass dem Berufungsgericht der Verbleib der schon dem Namen nach nur vage benannten Zeugin nicht bekannt war, sodass sie sich mit der Rechtsprechung des BSG hätte auseinandersetzen müssen, wonach die Angabe der ladungsfähigen Anschrift in solchen Fällen nicht entbehrlich ist (vgl BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 B - RdNr 9 mwN). Daran fehlt es. Die Beschwerdebegründung trägt vielmehr vor, das LSG habe die im Berufungsverfahren anwaltlich nicht vertretene Klägerin vor einer Ablehnung der Einvernahme der Gemeindeschwester nach den bisher noch nicht in das Verfahren eingeführten Grundsätzen über den Ausforschungsbeweis (BSG Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B) darauf hinweisen müssen, dass die behaupteten Angaben der benannten Gemeindeschwester zu konkretisieren seien und auch eine Anschrift nicht habe ermittelt werden können. Der geltend gemachte Verstoß gegen die Hinwirkungspflicht des Vorsitzenden (§ 106 SGG) ist damit nicht ausreichend dargelegt. Die Tatsachengerichte sind nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken oder im Rahmen von Beweisanträgen sonstige Formulierungshilfen zu geben. Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es keinen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, so muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinwirken und damit helfen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - RdNr 10 mwN). Hiernach hätte sich die Beschwerdebegründung damit beschäftigen müssen, wieso das Hinwirken auf eine Vervollständigung des Beweis(ermittlungs)antrags überhaupt Gegenstand einer Hinweispflicht nach § 106 SGG gewesen sein könnte. Dies gilt erst recht, nachdem bekanntermaßen Internet-Recherchen über den Verbleib der Zeugin schon im erstinstanzlichen Verfahren erfolglos waren.
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Soweit sie mit ihrem Vortrag sinngemäß eine Überraschungsentscheidung behauptet, rügt die Klägerin allerdings eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG). Auch diese legt sie indes nicht ausreichend dar. Eine Gehörsverletzung liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist. Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten. Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann. Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG aaO RdNr 8). Die Klägerin behauptet zwar, dass sie bei einem vorherigen Hinweis des Vorsitzenden nähere Angaben zum Beweisthema und Beweismittel hätte machen können. Schon die ladungsfähige Anschrift der benannten Gemeindeschwester teilt die Beschwerdebegründung aber weiterhin nicht mit.
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2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG) .
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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