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BSG 12.02.2015 - B 10 ÜG 7/14 B
BSG 12.02.2015 - B 10 ÜG 7/14 B - Überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage - unangemessene Verfahrensdauer - sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit von 12 Monaten - keine weitere Klärungsbedürftigkeit
Normen
§ 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 2 GVG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Speyer, 2. Mai 2012, Az: S 7 KR 57/09, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 15. Mai 2013, Az: L 4 SF 5/12 EK, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert wird auf 2600 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 15.5.2013 einen Anspruch der Tochter des Klägers, D. S., auf Gewährung einer Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens vor dem SG Speyer (Az S 7 KR 57/09) gemäß § 198 GVG abgelehnt und die Revision nicht zugelassen. Die Entschädigungsklage sei unbegründet. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Erfordernis einer unverzüglichen und inhaltlich ausreichend bestimmten Verzögerungsrüge vorliege. Jedenfalls habe eine unangemessene Dauer des insgesamt drei Jahre, zwei Monate und acht Tage andauernden Ausgangsverfahrens nicht vorgelegen. Zwar habe eine Untätigkeit des Ausgangsgerichts in dem rechtlich nicht schwierigen Verfahren mit geringer Bedeutung von ca 17 Monaten vorgelegen. Allerdings habe das Verhalten des Vertreters der Klägerin wesentlichen Anteil an der langen Zeitdauer gehabt. Dieses sei von "Rechthaberei" auch in völlig unbegründeten Fällen geprägt, sodass eine Entschädigung unbillig sei.
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Nach Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags (PKH-Antrag) vom 19.6.2013 bezüglich einer Beschwerde beim BSG ist die frühere Klägerin am 12.12.2013 verstorben und hat der Senat mit Beschluss vom 25.3.2014 festgestellt, dass das PKH-Verfahren erledigt ist, weil dessen Fortführung durch den Erben als Rechtsnachfolger ausscheidet. Auf diesen Beschluss hat der Vater der Klägerin als deren Rechtsnachfolger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) begründet. Der Senat hat dem Kläger wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 15.5.2013 mit Beschluss vom 7.8.2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig aber unbegründet.
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1. Soweit der Kläger das Vorliegen einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) rügt, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG.
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Zur formgerechten Rüge eines Zulassungsgrundes der Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, auf den sich der Kläger hier ebenfalls beruft, ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss also darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung tragende Abweichung in deren rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Sie muss einen abstrakten Rechtssatz des vorinstanzlichen Urteils und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht dagegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29).
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Diese Begründungserfordernisse hat der Kläger nicht ausreichend berücksichtigt. Er trägt im Wesentlichen vor, es liege eine Abweichung des LSG von den Entscheidungen des BSG am 9.3.2014 vor, weil das LSG in seiner Entscheidung vom 15.5.2013 in Bezug auf die Unverzüglichkeit der Verzögerungsrüge vom Begriff des Handelns "ohne schuldhaftes Zögern" ausgegangen sei. Auf dieser Abweichung beruhe auch die Entscheidung des LSG. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger überhaupt in ausreichendem Maße aus dem angefochtenen Urteil des LSG einen abstrakten Rechtssatz herausgearbeitet hat, genügt die bloße Behauptung, dass die Entscheidung des LSG auf dieser Abweichung beruhe, nicht. Denn das LSG hat es gerade dahingestellt sein lassen, ob der Anspruch bereits an dem Erfordernis einer unverzüglichen und inhaltlich ausreichend bestimmten Verfahrensrüge scheitere, weil das Verfahren vor dem SG bereits nicht unangemessen lang gewesen sei iS von § 198 GVG. Damit stützt das Berufungsgericht seine abweisende Entscheidung nicht auf das Kriterium der rechtzeitigen und inhaltlich ausreichend bestimmten Verzögerungsrüge, sondern auf einen anderen als vom Kläger behaupteten Begründungsstrang.
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2. Soweit der Kläger als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht, genügt die Beschwerdebegründung zwar den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Die Beschwerde hat insoweit jedoch keinen Erfolg, denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr.
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Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Die von dem Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind in diesem Sinne nicht mehr klärungsbedürftig.
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Der Kläger hält folgende Fragen für Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung:
1.
Wann ist die Verzögerungsrüge nach § 198 Abs 1 GVG für bereits anhängige Verfahren noch als unverzüglich anzusehen, genauer, ob auch im Bereich des Sozialrechts der zivilrechtlich anerkannte Maßstab der Unverzüglichkeit anzuwenden ist;
2.
welche Ansprüche an den Inhalt einer Verzögerungsrüge zu stellen sind;
3.
wann von einer "unangemessenen Dauer" des Gerichtsverfahrens gesprochen werden kann und
4.
ob das Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände im jeweiligen konkreten Fall nicht auch zwingend die Verkürzung des Wertes für die einzuräumende Vorbereitungs- und Bedenkzeit für die Verfahrensdauer zur Folge haben muss.
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Soweit die Fragen zu 1. und 2. betroffen sind, entfällt die Klärungsbedürftigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung (vgl hierzu BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 11b AS 61/06 B - Juris RdNr 7 mwN) nunmehr deshalb, weil der Senat mit Urteilen vom 3.9.2014 (B 10 ÜG 9/13 R - RdNr 22 und B 10 ÜG 2/14 R - RdNr 19) entschieden hat, dass es für die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Art 23 S 2 Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) ausreichend ist, wenn die Rüge spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des ÜGG erfolgt ist. Insoweit hat sich der Senat der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 10.4.2014 - III ZR 335/13 - NJW 2014, 1967) und des BFH (Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126 = BStBl II/2014, 179) angeschlossen.
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Gleiches gilt auch hinsichtlich der unter 3. und 4. aufgestellten Rechtsfragen. Hierzu hat der Kläger selbst vorgetragen, dass das BSG bereits entschieden habe, dass sich die Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalles richte (vgl zB die Senatsentscheidung vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1). Diese Rechtsprechung hat der Senat in seiner Sitzung vom 3.9.2014 weiterentwickelt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs 1 S 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/13 R - RdNr 22 ff). Hinsichtlich der Prozessleitung des Ausgangsgerichts hat der Senat angenommen, dass eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit der Gerichte von einem Jahr je Instanz für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt. Aufgrund der aktuellen Situation der Sozialgerichtsbarkeit ist nach Ansicht des Senats eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten regelmäßig auch dann noch als angemessen anzusehen, wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann (B 10 ÜG 2/13 R - RdNr 43 ff, 46). Soweit der Kläger auf die Umstände des konkreten Einzelfalles abstellt, ist dies nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung zu begründen. Denn die vom Senat angenommene angemessene Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit von zwölf Monaten je Instanz ist vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls auch dann in Abzug zu bringen, wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann (BSG, aaO, RdNr 46 ff, 48). Damit ist die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzlich entfallen. Es ist nicht ersichtlich, dass die vorliegende Fallgestaltung Besonderheiten aufweist, die einer weitergehenden Klärung bedürfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
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Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 52 Abs 1 bis 3 GKG. Da der Kläger einen immateriellen Schaden in Höhe von 2600 Euro geltend macht, ist der Streitwert in entsprechender Höhe festzusetzen.
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