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BSG 14.01.2015 - B 4 AS 322/14 B
BSG 14.01.2015 - B 4 AS 322/14 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulässigkeit - ordnungsgemäße Beschwerdeeinlegung - Vertretungszwang vor dem BSG - Postulationsfähigkeit eines rumänischen avocat definitiv - europäischer Rechtsanwalt - vorübergehende Tätigkeit in Deutschland - Einvernehmen mit einem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt - Nachweis des Einvernehmens
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 1 S 2 SGG, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 73 Abs 4 S 2 SGG, § 73 Abs 2 S 1 SGG, § 4 BRAO, § 6 Abs 1 BRAO, § 206 BRAO, § 1 EuRAG, § 2 Abs 1 EuRAG, § 11 EuRAG, § 13 EuRAG, § 16 Abs 1 EuRAG, § 25 Abs 1 EuRAG, § 28 Abs 1 EuRAG, § 29 Abs 1 EuRAG, § 29 Abs 3 EuRAG, Art 57 AEUV
Vorinstanz
vorgehend SG Stuttgart, 24. Oktober 2013, Az: S 14 AS 2988/13, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 21. Oktober 2014, Az: L 13 AS 5193/13, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Oktober 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Der Antrag der Klägerin, ihr für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem zuvor bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsassessor/avocat definitiv P (B) beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit steht die Gewährung einer Mehrbedarfsleistung wegen Alleinerziehung nach dem SGB II an die Klägerin für die Monate Juni 2010, Dezember 2010 bis März 2011, Mai 2011 und Dezember 2011.
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Die weiteren Zeiträume zwischen Juli 2010 und November 2011 sind nicht mehr streitig. Der Beklagte hatte vorläufige Leistungen bewilligt und den Anspruch auf die Mehrbedarfsleistung im Zusammenhang mit der endgültigen Bewilligung anerkannt. Das SG hat die weitere Klage wegen des Ablaufs der Frist des § 44 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 40 Abs 1 S 2 SGB II abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24.10.2013). Das LSG hat die Entscheidung des SG bestätigt (Urteil vom 21.10.2014).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG. Sie rügt die fehlenden Unterschriften der LSG-Richter auf dem Urteil sowie die Verletzung des geltenden Rechts durch das LSG. Das Gericht hätte im vorliegenden Fall, um dem Sozialstaatsprinzip gerecht zu werden, trotz der gesetzlichen Regelung des § 40 Abs 1 S 2 SGB II eine Entscheidung zu Gunsten der Klägerin treffen müssen. Die Sache habe daher grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Zugleich beantragt die Klägerin PKH sowie Beiordnung von Rechtsassessor/avocat definitiv P (B) für das Beschwerdeverfahren.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde - über die hier nach dem ausdrücklichen Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.12.2014 neben dem PKH-Antrag zu befinden war - ist unzulässig.
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Sie ist nicht formgerecht iS des § 160a SGG eingelegt. Gemäß § 73 Abs 4 S 1 SGG müssen sich die Beteiligten vor dem BSG, außer im PKH-Verfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind - neben den hier nicht in Betracht kommenden in § 73 Abs 2 S 2 Nr 5 bis 9 bezeichneten Organisationen - nur die in Abs 2 S 1 bezeichneten Personen zugelassen. Dies sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen. Der Bevollmächtigte der Klägerin, der den Titel des Rechtsassessors erworben hat und über die Zulassung als avocat definitiv in Rumänien verfügt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
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Die Voraussetzungen für eine Tätigkeit als oder wie ein Rechtsanwalt bestimmen sich nach § 4 BRAO sowie für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz nach § 1 EuRAG und im Übrigen nach § 206 BRAO. Soweit danach eine Tätigkeit als oder wie ein Rechtsanwalt in Deutschland auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts nicht schon im Ansatz ausgeschlossen ist (§ 206 BRAO), setzt sie entweder eine Rechtsanwaltszulassung nach § 6 Abs 1 BRAO, §§ 11, 13 oder 16 Abs 1 EuRAG oder eine Aufnahme in die für den Ort der Niederlassung zuständige Rechtsanwaltskammer nach § 2 Abs 1 EuRAG oder die Zusammenarbeit mit einem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt nach § 28 Abs 1 EuRAG voraus. Nur unter diesen Voraussetzungen hat ein Bevollmächtigter das Recht, vor einem deutschen Gericht als oder wie ein Rechtsanwalt aufzutreten (BSG vom 8.4.2009 - B 5 R 46/09 B, juris RdNr 2).
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Der Bevollmächtigte der Klägerin ist in Deutschland nicht als Rechtsanwalt zugelassen und auch in keine deutsche Rechtsanwaltskammer aufgenommen. Auch die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union berechtigen den Bevollmächtigten der Klägerin nicht, wie ein Rechtsanwalt im hier anhängig gemachten Beschwerdeverfahren vor dem BSG aufzutreten.
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Zwar darf ein europäischer Rechtsanwalt gemäß § 25 Abs 1 EuRAG, worunter nach § 1 EuRAG iVm der Anlage zu dieser Vorschrift auch der rumänische avocat fällt, vorübergehend in Deutschland die Tätigkeit eines Rechtsanwalts nach den §§ 25 ff EuRAG ausüben, sofern er Dienstleistungen iS des Art 50 EGV (jetzt Art 57 AEUV) erbringt. Es bestehen bereits Zweifel daran, ob die vom Bevollmächtigten der Klägerin in Deutschland ausgeübte Tätigkeit eine vorübergehende Dienstleistung im vorstehenden Sinne ist.
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Der vorübergehende Charakter von unter die Dienstleistungsfreiheit fallenden Tätigkeiten (Art 50 Abs 3 EGV <jetzt Art 57 Abs 3 AEUV>) beurteilt sich unter Berücksichtigung von Dauer, Häufigkeit, regelmäßiger Wiederkehr und Kontinuität der Tätigkeit. Soweit es sich um eine stabile und kontinuierliche Berufstätigkeit handelt, die ein Rechtsanwalt in dem Aufnahmemitgliedstaat von einem festen Berufsdomizil aus ausübt, ist diese nicht als vorübergehende Dienstleistung anzusehen, sondern fällt unter die Vorschriften des Niederlassungsrechts (BVerfG vom 4.12.2013 - 2 BvE 6/13 - unter Hinweis auf EuGH Urteil vom 30.11.1995 - Rs C-55/94 - Gebhard, NJW 1996, 579). Zwar spricht hier Vieles dafür, dass der Bevollmächtigte der Klägerin zumindest über ein zweites Berufsdomizil in Deutschland verfügt. Dies brauchte der erkennende Senat jedoch nicht abschließend festzustellen, denn selbst wenn der Bevollmächtigte der Klägerin vorübergehend iS des EuRAG in Deutschland tätig geworden ist, wäre die Beschwerde nicht formgerecht erhoben. Es fehlt an dem nach § 29 Abs 1 EuRAG zwingenden schriftlichen Nachweis des Einvernehmens mit einem in Deutschland tätigen Rechtsanwalt zum Zeitpunkt der ersten Handlung gegenüber dem BSG.
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Ein Bevollmächtigter, der als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt iS des § 25 Abs 1 EuRAG tätig wird, kann in gerichtlichen Verfahren, in denen der Mandant nicht selbst den Rechtsstreit führen kann, als Vertreter eines Mandanten nur im Einvernehmen mit einem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt handeln (§ 28 Abs 1 EuRAG). Das Einvernehmen ist (spätestens) zusammen mit der ersten Handlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen (§ 29 Abs 1 EuRAG; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl 2010, § 29 EuRAG RdNr 1; Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl 2012, § 29 EuRAG RdNr 1). Ohne zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde vorliegenden Nachweis ist die Beschwerdeeinlegung unwirksam (§ 29 Abs 3 EuRAG; BSG vom 15.6.2010 - B 13 R 172/10 B, mit Anm von Keller, jurisPR-sozR 23/2010; ebenso BVerwG vom 11.1.2006 - 7 B 64/05, juris RdNr 2; BFH vom 30.12.2004 - II R 2.04, BFH/NV 2005, 718 mwN, juris RdNr 9; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl 2010, § 29 EuRAG RdNr 1; Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl 2012, § 29 EuRAG RdNr 1).
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Der Hinweis in der Adresszeile der Schriftsätze des Bevollmächtigten im vorinstanzlichen Verfahren: "In Einvernehmen/Kooperation mit Rechtsanwältin G" genügt bereits aus formellen Gründen nicht als Einvernehmenserklärung iS des § 29 Abs 1 EuRAG. Er beinhaltet keine Erklärung der benannten Rechtsanwältin, sondern umfasst - allenfalls - die Behauptung des Bevollmächtigten, dass er in ihrem Einvernehmen handele. Im Übrigen scheint dieses Einvernehmen zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde auch hinfällig geworden zu sein, denn der Bevollmächtigte hat im Beschwerdeverfahren vor dem BSG eine Einvernehmenserklärung des Rechtsanwaltes F vorgelegt, die vom 9.8.2014 datiert. Diese - nicht unterschriebene - Erklärung hat jedoch bei der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde am 25.11.2014 nicht vorgelegen. Sie ist erst mit dem am 18.12.2014 eingegangenen Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 17.12.2014 - also nach Ablauf der am 25.11.2014 endenden Beschwerdefrist und damit auf jeden Fall verspätet - beim BSG eingegangen.
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Die Unwirksamkeit der Beschwerde ist auch nicht durch die spätere Vorlage der Einvernehmenserklärung geheilt worden. Anders als bei einem zunächst vollmachtlosen Vertreter ist eine vor der Vorlage der Einvernehmenserklärung vorgenommene Prozesshandlung auf Dauer gemäß § 29 Abs 3 EuRAG unwirksam. Dem Bevollmächtigten der Klägerin fehlte bei Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde die Postulationsfähigkeit. Einem zunächst ohne Vollmacht auftretenden (inländischen) Rechtsanwalt fehlt es hingegen nicht an der Postulationsfähigkeit, sondern an der Rechtsmacht, Prozesshandlungen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen den Vollmachtgeber vorzunehmen. Entsprechend bestimmt § 29 Abs 3 EuRAG ausdrücklich, dass Handlungen, für die der Nachweis zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, unwirksam "sind". Daneben sehen weder das SGG noch das EuRAG - anders als § 73 Abs 6 S 2 SGG für die Vollmacht - vor, dass der Nachweis nachgeholt werden kann (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl 2010, § 29 EuRAG RdNr 3; vgl BFH Beschluss vom 28.7.1999 - II R 34/99, BFHE 189, 42, juris RdNr 8).
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Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.
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Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH und die Beiordnung des Bevollmächtigten der Klägerin sind nicht erfüllt. Es mangelt aus den zuvor dargelegten Gründen an dem Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung iS des § 73a SGG iVm § 114 ZPO.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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