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BSG 01.10.2014 - B 9 SB 53/14 B
BSG 01.10.2014 - B 9 SB 53/14 B - Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens - Delegierung von Untersuchungen an Hilfskräfte - Qualitätsmängel - Untersuchungsmaxime - Bitte um Anhörung - hinreichend bestimmt formulierter Beweisantrag - Darlegungsanforderungen
Normen
§ 407a Abs 2 S 1 ZPO, § 407a Abs 2 S 2 ZPO, § 62 SGG, § 103 SGG, § 109 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Augsburg, 4. November 2010, Az: S 5 SB 367/09, Gerichtsbescheid
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 11. Juni 2014, Az: L 3 SB 182/10, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juni 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Mit Urteil vom 11.6.2014 hat das Bayerische LSG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft verneint. Es hat sich dabei wesentlich auf die Ergebnisse eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens gestützt, das einem zuvor auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Gutachten in wesentlichen Punkten widersprochen hatte.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung wird als Verfahrensfehler geltend gemacht, das Urteil sei unter Verletzung der §§ 103, 106 SGG iVm § 407a Abs 2 S 2 ZPO zustande gekommen. Entweder habe das Berufungsgericht die Grenze der erlaubten Mitarbeit anderer sachkundiger Personen bei der Erstellung des Gutachtens durch den von ihm bestellten Sachverständigen überschritten. Oder es habe dem Kläger wegen fehlender Information über den Umfang der Mitarbeit eines anderen Arztes die Möglichkeit genommen, die Grenzen der erlaubten Mitarbeit zu überprüfen. In beiden Fällen sei das Gutachten unverwertbar. Schließlich habe das LSG den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, weil es einem Beweisantrag des Klägers nicht gefolgt sei.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall des Klägers darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden.
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An einer solchen substantiierten Darlegung fehlt es.
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1. Dies gilt zunächst für die geltend gemachte Verletzung von § 407a Abs 2 S 1 ZPO durch unzulässige Delegation der Sachverständigentätigkeit auf eine ärztliche Hilfskraft. Nach dieser Vorschrift ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Andererseits erlaubt § 407a Abs 2 S 2 ZPO dem Sachverständigen, sich zur Erledigung des Gutachtenauftrags anderer Personen - auch anderer Ärzte - zu bedienen.Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu eigen gemacht, er sei aufgrund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden (BSG Beschluss vom 15.7.2004 - B 9 V 24/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 2 RdNr 7 mwN). Erst wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine - das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden - Zentralaufgaben delegiert, ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten und liegt somit ein unverwertbares Gutachten vor. Weder die Durchführung der Untersuchung noch die schriftliche Abfassung des Gutachtens gehören dabei in jedem Fall zu diesen unverzichtbaren Kernaufgaben, die der Sachverständige zwingend selbst wahrnehmen muss. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird und/oder es auf seinen persönlichen Eindruck während der gesamten Untersuchung ankommt, reicht es vielmehr aus, wenn der Sachverständige die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht oder sich auf andere Weise einen persönlichen Eindruck verschafft. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (vgl BSG Beschluss vom 30.1.2006 - B 2 U 358/05 B - Juris RdNr 4).
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Diesbezüglich teilt die Beschwerde selber mit, nach den Ausführungen des Berufungsgerichts habe ein wesentlicher Teil der Tätigkeit des Sachverständigen Prof. Dr. N im Akten- und Literaturstudium sowie im Abfassen des Gutachtens bestanden. Substantiierte Einwände gegen diese Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beschwerde nicht erhoben. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, warum der Sachverständige die genannten Aufgaben nicht auf seine ärztliche Hilfskraft delegieren durfte und deshalb seine Teilnahme am 15-minütigen Abschlussgespräch der Begutachtung nicht ausreichte.
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Soweit die Beschwerde darüber hinaus kritisiert, für das Gutachten hätten Aspekte der Umweltmedizin erhebliche Relevanz besessen, für die Frau Dr. L als Neurologin per se nicht das entsprechende Fachwissen besitze, so fehlt es an der substantiierten Darlegung, warum Frau Dr. L und weitere Mitarbeiter des Instituts nicht gleichwohl zumindest die zugrunde liegenden Untersuchungen durchführen konnten. Bereits das genaue Beweisthema und die dem Sachverständigen gestellten Beweisfragen teilt die Beschwerde nicht mit. Ebenso wenig legt sie dar, warum bereits die Durchführung der auf der Grundlage der - nicht mitgeteilten - Beweisanordnung angestellten Untersuchungen die unverzichtbare Sachkunde speziell des Sachverständigen Prof. Dr. N erforderten. Im Gegenteil, die Beschwerde trägt selber vor, umweltmedizinische Untersuchungen hätten während der Begutachtung gerade nicht stattgefunden. Sie legt dabei aber nicht substantiiert dar, dass diese von ihr für erforderlich gehaltenen Untersuchungen gerade wegen der fehlenden Sachkunde der ärztlichen Hilfskraft und nicht etwa infolge der Beschränkungen der - nicht mitgeteilten - Beweisanordnung oder aufgrund einer Entscheidung des Sachverständigen unterblieben sind. Falls die Beschwerde in Wirklichkeit rügen will, das Gutachten leide wegen einer solchen Unvollständigkeit der Beweisanordnung oder einer Fehlentscheidung des Sachverständigen an Qualitätsmängeln, so wendet sie sich im Kern gegen die anderslautende Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Dies kann der Beschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG von vornherein nicht zum Erfolg verhelfen.
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2. Ebenfalls nicht substantiiert dargetan ist eine Verletzung von § 407a Abs 2 S 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift hat der Sachverständige eine Person, deren Mitarbeit er sich bedient, namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Ein Sachverständigengutachten kann bei Fehlen der danach erforderlichen Angaben (Name und Qualifikation des mitarbeitenden Arztes sowie Umfang der Mitarbeit) unverwertbar sein, wenn das Gericht einen auf entsprechende Information gerichteten Antrag eines Beteiligten übergeht und dieser ein berechtigtes Interesse an den genannten Angaben hat (BSG Beschluss vom 15.7.2004 - B 9 V 24/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 2). Ein solches berechtigtes Interesse liegt vor, wenn die zugänglichen Informationen objektiv nicht darauf schließen lassen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein weiterer Arzt an der Erstellung eines Gutachtens mitgearbeitet hat und über welche Qualifikation dieser verfügt.
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Die Beschwerde hat indes nicht substantiiert dargelegt, warum der Kläger ein solches berechtigtes Interesse an weiteren Informationen über die Hilfsperson des Sachverständigen gehabt haben sollte. Vielmehr kritisiert der Kläger selber den Umfang der Mitarbeit der zur Unterstützung herangezogenen Neurologin sowie ihre angeblich unzureichende Qualifikation; demnach waren ihm beide bekannt.
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Zudem hat die Beschwerde nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger im Berufungsverfahren einen Antrag gestellt habe, ihm die genannten Informationen zu übermitteln. Sein von der Beschwerdeschrift wiedergegebener Schriftsatz vom 10.2.2014 enthält keinen solchen Antrag, sondern übt inhaltliche Kritik an dem Gutachten des Prof. Dr. N, die ihrerseits auf der Kenntnis des Klägers von der Mitarbeit der Ärztin Dr. L fußt.
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3. Auch seine Rüge, das LSG sei einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Zur Darlegung eines solchen prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN).
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Einen solchen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag hat die Beschwerde nicht bezeichnet. Soweit sie sich auf den Schriftsatz des Klägers vom 10.2.2014 bezieht und mitteilt, darin habe der Kläger darum "gebeten", den zuvor von ihm nach § 109 SGG benannten Gutachter Prof. Dr. H erneut zu hören, so lässt sich daraus bereits nicht entnehmen, ob es sich bei dieser Bitte um einen hinreichend bestimmt formulierten Beweisantrag oder eine bloße Beweisanregung handelt. Solchen Beweisanregungen kommt prozessual und im Hinblick auf die Aufklärungsrüge nicht dieselbe Bedeutung zu wie einem förmlichen Beweisantrag (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20).
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Jedenfalls hat der auch im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Kläger nicht dargetan, einen eventuellen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten zu haben. Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten wie dem Kläger regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN).
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Die Beschwerde hat nicht behauptet, in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag gestellt bzw wiederholt zu haben. Insoweit genügt es auch nicht, dass sich das LSG in seinem Urteil mit dem Begehren des Klägers auf weitere Sachaufklärung inhaltlich auseinandergesetzt hat. Denn die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das LSG in seinem Urteil von einem förmlichen Beweisantrag des Klägers ausgegangen wäre und diesen beschieden hätte (vgl BSG Beschluss vom 31.5.1996 - 2 BU 16/96 - Juris).
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Die Rüge einer auf die unterbliebene Sachaufklärung gestützte Gehörsverletzung (§ 62 SGG) geht damit ebenfalls ins Leere.
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Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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