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BSG 23.07.2012 - B 13 R 280/12 B
BSG 23.07.2012 - B 13 R 280/12 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Beschwerdefrist - Wiedereinsetzung - Verschulden des Prozessbevollmächtigten - Adressierung an unzuständiges Gericht
Normen
§ 160a Abs 1 S 2 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 73 Abs 6 S 7 SGG, § 85 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Landshut, 22. Februar 2010, Az: S 7 R 772/09 A-FdV, Gerichtsbescheid
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 8. Mai 2012, Az: L 6 R 240/10, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Mai 2012 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Das Bayerische LSG hat im Urteil vom 8.5.2012 einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente unter Berücksichtigung fiktiver Beitragszeiten nach dem ZRBG im Hinblick auf ihren Arbeitseinsatz von Mai 1942 bis zum 28.8.1944 im Lager Sered verneint.
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Das Urteil des LSG wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Deutschland am 29.5.2012 zugestellt. Diese haben mit einem an das Bayerische LSG adressierten Schriftsatz vom 26.6.2012, der dort per Telefax am 27.6.2012 eingegangen ist, Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte, mit Datum und Aktenzeichen bezeichnete Urteil erhoben und zugleich die Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde um einen Monat beantragt. Das LSG hat dieses Schreiben samt Verfahrensakten am 5.7.2012 an das BSG übersandt, wo es am 9.7.2012 eingegangen ist; zugleich hat es den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Abgabenachricht erteilt.
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Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Telefax vom 11.7.2012 auf diesen Sachverhalt sowie die versäumte Beschwerdefrist hingewiesen und vor einer Entscheidung über die Wiedereinsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 18.7.2012 gegeben. Weder die Klägerin noch die Beklagte haben sich geäußert.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig. Denn sie ist nicht - wie § 160a Abs 1 S 2 SGG dies vorschreibt - innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils "bei dem Bundessozialgericht" eingelegt worden. Sie ist vielmehr erst am 9.7.2012 und damit nach Ablauf der am 29.6.2012 um 24 Uhr endenden einmonatigen Beschwerdefrist beim BSG eingegangen. Mithin hat die Klägerin die Beschwerdefrist versäumt.
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Der Klägerin kann keine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist (§ 67 SGG) gewährt werden. Sie war nicht "ohne Verschulden" an der Einhaltung der Beschwerdeeinlegungsfrist verhindert. Die Fristversäumnis beruht hier ausschließlich darauf, dass ihre Prozessbevollmächtigten den Beschwerdeschriftsatz vom 26.6.2012 entgegen der Rechtslage und der klaren Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils nicht an das BSG, sondern an das Berufungsgericht adressiert und versandt haben. Umstände, die ein fehlendes Verschulden der Prozessbevollmächtigten an dieser Fehladressierung des Rechtsmittels begründen könnten, haben diese nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin zurechnen lassen (§ 73 Abs 6 S 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO).
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Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten ist vorliegend auch nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil ein pflichtwidriges Verhalten des LSG für die Fristversäumung primär ursächlich war. Allerdings ist anerkannt, dass Wiedereinsetzung auch dann zu gewähren ist, wenn eine fristwahrende Rechtsmittelschrift an das unzuständige Gericht übersandt worden ist und aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens dieses Gerichts erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingeht (BSG <Großer Senat> BSGE 38, 248, 258 ff = SozR 1500 § 67 Nr 1 S 8 ff; BSG Beschlüsse vom 14.12.2010 - B 10 EG 4/10 R - Juris RdNr 13, und vom 20.12.2011 - B 4 AS 161/11 B - Juris RdNr 9, jeweils mwN). Dies setzt jedoch voraus, dass die Rechtsmittelschrift bei Behandlung durch das unzuständige Gericht im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Rechtsmittelgericht eingegangen wäre (BSG vom 14.12.2010 - aaO; BGH vom 8.2.2012 - XII ZB 165/11 - NJW 2012, 1591 RdNr 21 f). Denn die Gerichte sind im Rahmen ihrer nachwirkenden Fürsorgepflicht nicht verpflichtet, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, um den rechtzeitigen Eingang einer vom Rechtsmittelführer falsch adressierten Rechtsmittelschrift bei dem zuständigen Gericht zu gewährleisten (BSG vom 14.12.2010 - aaO; BVerwG vom 9.1.2008 - 6 B 51/07 - NJW 2008, 932 RdNr 5).
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Hier ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeschrift der Klägerin bei einer Behandlung durch das LSG im ordentlichen Geschäftsgang zuverlässig noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist an das BSG gelangt wäre. Das Telefax mit der Beschwerdeschrift ist am Morgen des 27.6.2012 beim LSG eingegangen. In dem Schriftsatz war nicht angegeben, wann das LSG-Urteil den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden war; für die Mitarbeiter der Poststelle oder der Geschäftsstelle war mithin nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich um eine eilige Sache handelte, bei der der Fristablauf unmittelbar bevorstand. Unter diesen Umständen waren besondere beschleunigende Maßnahmen im Rahmen der nachwirkenden Fürsorgepflicht nicht geboten (s aber BVerwG Beschluss vom 15.7.2003 - 4 B 83/02 - NJW-RR 2003, 901, Juris RdNr 12 f, das bei Erkennbarkeit des Fristablaufs aus dem Schriftsatz eine Weiterleitung noch am selben Tag verlangt hat). Eine Behandlung hätte demnach jedenfalls noch als ordnungsgemäß angesehen werden müssen, die dazu führt, dass das Schreiben am 28.6.2012 dem zuständigen Richter vorliegt und die Geschäftsstelle Gelegenheit hat, dessen Verfügung am 29.6.2012 umzusetzen (vgl OLG Köln Beschluss vom 25.2.2011 - 4 UF 26/11 - Juris RdNr 4; BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 161/11 B - Juris RdNr 10 hält im Ergebnis eine Bearbeitung jedenfalls am dritten Arbeitstag nach Eingang für geboten). Dann hätte aber eine Zuleitung an das BSG im ordentlichen Geschäftsgang - dh mit normaler Post, ohne Übermittlung als Telekopie - nicht mehr bewirkt, dass die falsch adressierte Beschwerdeschrift noch vor Fristablauf beim BSG eingegangen wäre. Ein möglicherweise hier pflichtwidrig zu langes Zuwarten des LSG mit der Weiterleitung der Beschwerdeschrift wäre somit für die Fristversäumung jedenfalls nicht kausal geworden; weiterer Ermittlungen beim LSG bedarf es daher nicht, zumal die Klägerin selbst zu alledem nichts vorgetragen hat.
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Die mithin nicht fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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