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BSG 28.09.2011 - B 5 RS 8/10 R
BSG 28.09.2011 - B 5 RS 8/10 R - Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung - VEB
Normen
§ 1 Abs 1 S 1 AAÜG, § 1 Abs 1 S 2 AAÜG, § 8 Abs 2 AAÜG, § 8 Abs 3 S 1 AAÜG, § 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG, Anl 1 Nr 1 AAÜG, § 1 ZAVtIV, § 1 Abs 1 ZAVtIVDBest 2, § 1 Abs 2 ZAVtIVDBest 2, Anlage II Kap VIII H EinigVtr, Anlage II Kap VIII H III Nr 9 EinigVtr
Vorinstanz
vorgehend SG Cottbus, 26. Februar 2007, Az: S 8 R 533/03, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 26. August 2010, Az: L 27 R 533/07, Urteil
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. August 2010 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.
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Der im Jahre 1953 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur und den akademischen Grad Diplom-Ingenieur zu führen. Vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 war er beim VEB W. C., Kombinatsbetrieb Projektierung, tätig, zuletzt als Abteilungsleiter Elementeprojektierung.
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Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.
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Seinen Antrag auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 22.2.2002 und Widerspruchsbescheid vom 7.5.2003).
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Während das SG Cottbus die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.2.2007 abgewiesen hat, hat das LSG Berlin-Brandenburg die Beklagte mit Urteil vom 26.8.2010 verurteilt, die Zeit vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein fiktiver bundesrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu. Ein derartiger Anspruch setze voraus, dass die persönliche, sachliche und betriebliche Voraussetzung erfüllt sei, von denen hier allein die betriebliche im Streit stehe. Diese liege vor, wenn der Anspruchsteller am Stichtag 30.6.1990 eine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt habe. Ersteres sei hier der Fall. Der konkrete Beschäftigungsbetrieb des Klägers, der Kombinatsbetrieb Projektierung, auf den abzustellen sei, sei zwar nicht mit der eigentlichen Bauwerkserrichtung betraut gewesen. Als Produktionsbetrieb im Bereich des Bauwesens sei aber auch ein solcher Kombinatsbetrieb zu qualifizieren, dessen Aufgabe elementarer Bestandteil - wenn auch vorgelagert - der eigentlichen Errichtung von Bauwerken im Großserienverfahren sei und bei unterbliebener Ausgliederung von den mit der Bauwerkserrichtung betrauten Kombinatsbetrieben in Eigenregie durchgeführt, also nicht typischerweise durch externe Auftragnehmer erbracht werde. Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe Planungsaufgaben in so engem Zusammenhang mit der eigentlichen Bauwerkserrichtung erfüllt, dass sie als deren elementarer Bestandteil anzusehen seien.
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte sinngemäß insbesondere eine Verletzung des § 1 Abs 1 AAÜG und eine Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das LSG habe zu Unrecht das Vorliegen der sog betrieblichen Voraussetzung bejaht. Das Berufungsgericht verkenne, dass für die Prüfung dieser Voraussetzung ausschließlich auf den Hauptzweck desjenigen Betriebs abzustellen sei, mit dem der Versicherte in einem Arbeitsrechtsverhältnis gestanden habe und nicht auf das wirtschaftsleitende Organ (Kombinat). Der Arbeitgeber des Klägers, der Kombinatsbetrieb Projektierung, habe keine eigene Bauleistung erbracht. Mit seinen Überlegungen ua arbeitsorganisatorischer Art entwickele das LSG eine Sichtweise, die nicht mit dem oberstgerichtlichen Grundsatz in Einklang stehe, wonach Betriebe des Bauwesens nur solche seien, die Bauleistungen mit den eigenen betrieblichen, personellen und materiellen Ressourcen unmittelbar selbst erbringen würden.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. August 2010 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Februar 2007 zurückzuweisen.
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Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
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Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27 (§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).
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Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung <Rentenüberleitungsgesetz - RÜG> vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.
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Der Kläger ist vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst. Er hat weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO inne und hatte am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht auch keine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft.
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A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).
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Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).
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B. Der Kläger hat auch nicht "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt.
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Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.
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Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,
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von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2.
von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),
3.
und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
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Feststellungen zum Vorliegen der persönlichen und sachlichen Voraussetzung hat das LSG nicht getroffen. Eine Zurückverweisung der Sache insoweit ist indes nicht erforderlich, da der Kläger jedenfalls die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt.
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Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers am Stichtag 30.6.1990 war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Die Auffassung des LSG, unter einem Produktionsbetrieb im Bereich des Bauwesens sei auch ein solcher Kombinatsbetrieb zu verstehen, dessen Aufgabe elementarer Bestandteil - wenn auch vorgelagert - der eigentlichen Errichtung von Bauwerken im Großserienverfahren sei und bei unterbliebener Ausgliederung von den mit der Bauwerkserrichtung betrauten Kombinatsbetrieben in Eigenregie durchgeführt, also nicht typischerweise durch externe Auftragnehmer erbracht werde, steht mit der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang. Zuletzt hat der erkennende Senat in mehreren am 19.7.2011 verkündeten Urteilen (ua B 5 RS 7/10 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) nochmals betont, dass nur solche Betriebe erfasst sind, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion - und nicht bloße Vorbereitungshandlungen - das Gepräge gibt. Dies kann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen vorliegend nicht bejaht werden.
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Ebenso wenig hat es sich nach den Feststellungen des LSG bei dem Kombinatsbetrieb Projektierung des VEB W. C. um einen gleichgestellten Betrieb iS von § 1 Abs 2 2. DB gehandelt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
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