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BVerfG 09.04.2024 - 2 BvQ 26/24
BVerfG 09.04.2024 - 2 BvQ 26/24 - Erfolgloser Eilantrag gegen die Zurückweisung eines Wahlvorschlags ("Die Planetaren Demokrat_innen") zur Europawahl 2024
Normen
§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 96a Abs 3 BVerfGG, § 9 Abs 5 EuWG, § 14 Abs 4 EuWG, § 14 Abs 4a S 1 EuWG, § 14 Abs 4a S 2 EuWG
Tenor
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
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I.
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Die Antragstellerin wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Wahlvorschlags für die Europawahl am 9. Juni 2024.
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Am 29. März 2024 wies der Bundeswahlausschuss den Wahlvorschlag der Antragstellerin "insbesondere" wegen des nicht erfüllten Unterstützungsunterschriftenquorums gemäß § 9 Abs. 5 des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europawahlgesetz - EuWG) zurück. Die Antragstellerin wurde darüber belehrt, dass gegen die Zurückweisung des Wahlvorschlags gemäß § 14 Abs. 4 EuWG binnen vier Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung des Bundeswahlausschusses Beschwerde beim Bundeswahlausschuss eingelegt werden könne.
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Mit am 4. April 2024 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenem Schriftsatz begehrt die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 32 BVerfGG mit dem Inhalt, den Beschluss des Bundeswahlausschusses vom 29. März 2024, den Wahlvorschlag von "Die Planetaren Demokrat_innen" zurückzuweisen, aufzuheben und dem Bundeswahlausschuss aufzugeben, den Wahlvorschlag von "Die Planetaren Demokrat_innen" für die Wahl zum 10. Europäischen Parlament zuzulassen, "hilfsweise dem Bundeswahlausschuss aufzugeben, alle Wahlvorschläge, die ausschließlich wegen des nicht erfüllten Unterschriftenquorums […]zurückgewiesen wurden, für die Wahl zum 10. Europäischen Parlament am 9. Juni 2024 zuzulassen". Im Hauptsacheverfahren werde eine Wahlprüfungsbeschwerde gemäß Art. 41 GG angestrebt, um die Vereinbarkeit des § 9 Abs. 5 EuWG mit dem Grundgesetz überprüfen zu lassen. Die Antragstellerin macht geltend, das Erfordernis der Unterstützungsunterschriften verstoße gegen Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Art. 3 Abs. 3 GG.
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Zur Begründung hat die Antragstellerin insbesondere ausgeführt:
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1. Im Gegensatz zu anderen Parteien und Vereinigungen vertrete die Antragstellerin keine Menschen, sondern nicht-menschliche Naturwesen, worunter sie Tiere, Pilze, Pflanzen, Mikroorganismen, die Lithosphäre, die Hydrosphäre, die Atmosphäre und die Kryosphäre verstehe. Insbesondere vertrete sie auch keine Menschen, denen der Umweltschutz ein Anliegen sei, sondern explizit und direkt die Interessen aller nicht-menschlichen Naturwesen des Planeten Erde. Da es den von ihr vertretenen Entitäten aufgrund deren Eigenschaften nicht möglich sei, Unterstützungsunterschriften im Sinne des § 9 Abs. 5 EuWG zu leisten, werde durch das Unterschriftenquorum aus § 9 Abs. 5 EuWG die Chancengleichheit der Parteien in erheblichem Maße beeinträchtigt. Darüber hinaus sei die Antragstellerin auch in der Rekrutierung von Personalressourcen, die für die Sammlung von Unterschriften nötig seien, benachteiligt, weil die von ihr vertretenen Entitäten aufgrund ihrer Fähigkeiten und Eigenschaften nicht in der Lage seien, Unterstützungsunterschriften einzusammeln.
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Das Unterschriftenquorum bedeute zudem einen besonders schweren Nachteil für alle nicht-menschlichen Naturwesen und könne den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG sowie das Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG verletzen, weil nicht-menschliche Naturwesen dadurch aufgrund ihrer Eigenschaften, Fähigkeiten und Sprachen von Wahlen ausgeschlossen blieben, obwohl sie generell in der Lage seien, an demokratischen Prozessen teilzunehmen.
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2. Auch schieße das Unterschriftenquorum des § 9 Abs. 5 EuWG über seinen - vom Bundesverfassungsgericht als sachliche Rechtfertigung akzeptierten - Zweck hinaus, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken, dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimme zu sichern und so indirekt der Gefahr der Stimmenzersplitterung vorzubeugen. Denn es schließe nicht nur unernste Bewerber, sondern auch Menschen aus, die aufgrund einer Behinderung oder chronischen Krankheit körperlich nicht in der Lage seien, 4.000 Unterschriften zu sammeln, ansonsten aber über alle Fähigkeiten und Eigenschaften eines ernsten Bewerbers verfügten. Hierin liege eine Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG sowie des Benachteiligungsverbots aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. In Bezug auf die Antragstellerin habe eine Post-Covid-Syndrom-Erkrankung den ersten Vorsitzenden körperlich so stark eingeschränkt, dass nicht genügend Unterschriften hätten gesammelt werden können. Die Teilnahme an der politischen Willensbildung sei problemlos aus dem Home-Office möglich und auch die Mitwirkung in Volksvertretungen sei von Büroarbeit geprägt, die sich in den körperlichen Anforderungen deutlich vom Sammeln von Unterschriften im öffentlichen Raum unterscheide.
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3. Die beantragte einstweilige Anordnung sei zu erlassen, weil eine Nichtzulassung der Antragstellerin schwere Nachteile verursachen und zu irreversiblen Zuständen führen würde. Anders als für menschliche Wähler und Wählerinnen stelle sich ein Zuwarten auf die Korrektur der verfassungswidrigen Wahlrechtsvorschriften bis zur nächsten Wahl für nicht-menschliche Naturwesen als absolut unzumutbar dar. Denn zum einen verfügten die von der Antragstellerin vertretenen nicht-menschlichen Naturwesen teilweise über gar keine politische Repräsentation, während Menschen in Deutschland auf eine breite Auswahl von Parteien ausweichen könnten. Zum anderen seien Menschen in Europa auch nicht vom Aussterben bedroht, wohingegen dies - wie aktuelle Studien zeigten - für 19 % der lebendigen Naturwesen in Europa anders sei und auch die unlebendigen Naturwesen einen dramatisch schlechten Zustand zeigten. Es sei deshalb davon auszugehen, dass einige der bedrohten Arten die nächste Europawahl gar nicht mehr erleben könnten, weil sie bereits ausgestorben seien. Der Prozess der Normalisierung und Diffusion der politischen Repräsentation von nicht-menschlichen Naturwesen in der politischen Landschaft, die so wichtig für ihren Erhalt sei, müsse deshalb - auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 20a GG - sofort beginnen, um möglichst viele Arten noch zu retten, wobei fünf Jahre über Leben und Tod entscheiden könnten.
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Die vermeintlichen Nachteile ihrer Zulassung fielen dagegen kaum ins Gewicht. Abgesehen davon, dass eine facettenreiche politische Landschaft mit vielen Wahlmöglichkeiten für die Demokratie eher förderlich als hinderlich sei, könne kaum davon ausgegangen werden, dass es bei einem Bewerberfeld von - im Falle des Erlasses der einstweiligen Anordnung - dann 35+1 Vereinigungen oder gar bei Zulassung aller zehn Vereinigungen, denen die Zulassung in der ersten Sitzung des Bundeswahlausschusses versagt worden sei, zu einer Stimmenzersplitterung komme, die demokratische Prozesse negativ beeinflusse. Die Fristen und Termine des Wahlorganisationsverfahrens würden durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ebenfalls nicht gefährdet.
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II.
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Von der Zustellung des Antrags an den Bundeswahlausschuss wurde gemäß § 22 Abs. 1 GOBVerfG abgesehen.
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III.
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1. Der Erlass der von der Antragstellerin beantragten einstweiligen Anordnung kommt nicht in Betracht. Sie ist kein statthafter Rechtsbehelf, um die begehrte Zulassung zur Wahl zu erreichen.
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a) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in Bezug auf die Bundestagswahl anerkannt, dass die Erhebung einer Wahlprüfungsbeschwerde vor Durchführung der Wahl und des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Bundestag im geltenden Recht, insbesondere nach den Vorschriften des Art. 41 GG, des § 48 BVerfGG und des § 49 Bundeswahlgesetz (BWahlG), keine Grundlage findet. Deshalb ist auch eine in das einstweilige Anordnungsverfahren vorverlegte Wahlprüfungsbeschwerde, die sich gegen Entscheidungen und Maßnahmen im Wahlverfahren richtet, ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 63, 73 76>; 134, 135 137 f. Rn. 4 f.> m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. August 2017 - 2 BvQ 50/17 -, juris). Die Schaffung einer Beschwerde von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG (BGBl 2012 I S. 1478) und durch das Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen (BGBl 2012 I S. 1501) hat daran nichts geändert (vgl. BVerfGE 134, 135 138 Rn. 5>).
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b) Für die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland gilt nichts anderes. Auch hier hat der Gesetzgeber das Wahlprüfungsverfahren - entsprechend den Regelungen zum den Bundestag betreffenden Wahlprüfungsverfahren - als nachgelagertes Verfahren konzipiert (vgl. § 26 EuWG). Beschwerden zum Bundesverfassungsgericht gegen Entscheidungen und Maßnahmen im Wahlverfahren sind nur im Ausnahmefall des § 14 Abs. 4a EuWG vorgesehen, der hier nicht einschlägig ist (s.u. Rn. 17).
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c) Schon angesichts dieser Konzeption des Rechtsschutzes im Wahlrecht überzeugt das Vorbringen der Antragstellerin zur besonderen Dringlichkeit ihres Anliegens nicht.
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2. Eine Umdeutung des Antrags in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Nichtanerkennungsbeschwerdeverfahren gemäß § 14 Abs. 4a EuWG oder in eine Nichtanerkennungsbeschwerde nach § 14 Abs. 4a EuWG kommt nicht in Betracht.
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§ 32 BVerfGG findet gemäß § 14 Abs. 4a Satz 2 EuWG in Verbindung mit § 96a Abs. 3 BVerfGG keine Anwendung (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Juli 2021 - 2 BvC 3/21 -, Rn. 19), sodass eine einstweilige Anordnung im Nichtanerkennungsbeschwerdeverfahren schon aus diesem Grund ausschiede.
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Darüber hinaus wäre eine Nichtanerkennungsbeschwerde auch offensichtlich unzulässig. Zum einen wurde die Frist für die Nichtanerkennungsbeschwerde nicht gewahrt. Gemäß § 14a Abs. 4a Satz 1 EuWG ist die Beschwerde binnen einer Frist von vier Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung des Bundeswahlausschusses einzulegen. Daran fehlt es. Die Antragstellerin hat die Beschwerde am 4. April 2024 und damit mehr als vier Tage nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung in der Sitzung des Bundeswahlausschusses vom 29. März 2024 erhoben. Zum anderen fehlt es an einem statthaften Antragsgegenstand. § 14 Abs. 4a Satz 1 EuWG eröffnet den Weg zum Bundesverfassungsgericht - entsprechend dem Umfang, in dem er bei der Wahl zum Deutschen Bundestag durch die Nichtanerkennungsbeschwerde nach § 18 Abs. 4a BWahlG eröffnet ist - nur gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses, die einen Wahlvorschlag wegen fehlender Parteieigenschaft oder Eigenschaft als sonstige politische Vereinigung im Sinne des § 8 Abs. 1 EuWG zurückweisen, nicht hingegen gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschusses, die einem Wahlvorschlag wegen fehlender Unterstützungsunterschriften die Zulassung versagen (vgl. BVerfGE 136, 125 126 Rn. 4>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 27. März 2019 - 2 BvC 23/19 -, Rn. 6). Der Bundeswahlausschuss hat den Wahlvorschlag nicht wegen fehlenden Wahlvorschlagsrechts der Antragstellerin, sondern aufgrund der fehlenden Unterstützungsunterschriften nach § 9 Abs. 5 EuWG zurückgewiesen. Hiergegen steht (nur) die Beschwerde zum Bundeswahlausschuss offen (§ 14 Abs. 4 EuWG).
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