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BVerfG 07.06.2023 - 2 BvR 2139/21
BVerfG 07.06.2023 - 2 BvR 2139/21 - Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Gehörsanspruchs im Zivilprozess durch Übergehen von Parteivortrag zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 286 BGB, § 288 BGB
Vorinstanz
vorgehend AG Sinzig, 4. November 2021, Az: 14 C 104/21, Beschluss
vorgehend AG Sinzig, 1. September 2021, Az: 14 C 104/21, Urteil
Tenor
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1. Das Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 1. September 2021 - 14 C 104/21 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 Grundgesetz. Das Urteil wird aufgehoben, soweit das Amtsgericht die Beschwerdeführerin zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 35,10 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2020 verurteilt hat und soweit das Amtsgericht hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung dieser außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen nicht die Berufung zugelassen hat.
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2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Amtsgericht Sinzig zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
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4. Im Umfang der Aufhebung ist der Beschluss des Amtsgerichts Sinzig vom 4. November 2021 - 14 C 104/21 - gegenstandslos.
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5. Das Land Rheinland-Pfalz hat der Beschwerdeführerin die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein amtsgerichtliches Urteil, mit dem die Beschwerdeführerin unter anderem zur Zahlung von Inkassokosten verurteilt wurde.
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1. Die Beschwerdeführerinunterzeichnete in einer Filiale der T. GmbH (im Folgenden: T.) einen Mobilfunkvertrag, der das Recht auf einen schnellen Internetzugang beinhaltete. Nachträglich kam sie zu der Auffassung, dass sie keinen derart umfangreichen Vertrag benötige und falsch beraten worden sei. Sie schickte die SIM-Karte an die T. zurück und schrieb in mehreren Schriftsätzen, der Vertrag sei sittenwidrig und damit unwirksam, sie sei nicht bereit, weiter zu bezahlen, werde auch Forderungen von Inkassounternehmen ignorieren und die von ihr bereits geleisteten Zahlungen in einem gerichtlichen Verfahren zurückfordern. Die T. ließ sich nicht auf eine Vertragsaufhebung ein und beauftragte ein Inkasso- unternehmen mit der Beitreibung ihrer Forderung. Dessen Bemühungen blieben erfolglos.
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2. Die T. erhob Klage zum Amtsgericht mit dem Antrag, die Beschwerdeführerin zur Zahlung der Hauptforderung sowie - nebst weiteren Verzugsschäden - zur Zahlung der Inkassokosten in Höhe von 70,20 Euro zu verurteilen. Inkassokosten seien grundsätzlich als Verzugsschaden erstattungsfähig. Die Forderung sei unbestritten gewesen. Die Beschwerdeführerin beantragte im Wege der Widerklage, die Klage abzuweisen und die T. zu verurteilen, die nach der Rücksendung der SIM-Karte geleisteten Beträge zu erstatten. Der Vertrag sei wegen Sittenwidrigkeit von Anfang an unwirksam gewesen, und man habe sie getäuscht. Ein Anspruch auf Ersatz der Inkassokosten bestehe entsprechend der ganz herrschenden Meinung - insoweit nahm die Beschwerdeführerin auf mehrere obergerichtliche Entscheidungen und Literatur Bezug - auch deshalb nicht, weil sie die Forderungen sehr wohl wiederholt bestritten habe. Die T. habe ihre Erklärungen ignoriert und kostentreibend Inkassobüros eingeschaltet. Sie beantrage, in einer abschließenden Entscheidung die Berufung zuzulassen.
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Das Amtsgericht Sinzig verurteilte die Beschwerdeführerin im angegriffenen Urteil vom 1. September 2021 zur Zahlung eines Geldbetrages unter 600 Euro, darunter 35,10 Euro außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Form von Inkassokosten. Die Berufung ließ es nicht zu. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, der Vertrag sei weder sittenwidrig noch wirksam angefochten worden. Weiter schrieb das Amtsgericht: "Die Beklagte ist aus Verzugsgesichtspunkten auch zur Tragung von Inkassokosten verpflichtet. Diese sind jedoch im Hinblick auf die spätere Beauftragung eines Rechtsanwalts nur in Höhe einer 0,65 Gebühr nach dem RVG erstattungsfähig. […] Eine Zulassung der Berufung ist nicht geboten. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist die Zulassung der Berufung zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten."
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3. Die Beschwerdeführerin legte Anhörungsrüge gegen das Urteil ein und führte unter anderem aus, das Urteil habe sich mit relevanten Teilen ihres Vortrages nicht auseinandergesetzt. Inkassokosten seien nur bei unbestrittenen Forderungen erstattungsfähig, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe. Insoweit verwies die Beschwerdeführerin auf den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2011 - 1 BvR 1012/11 - und den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Mai 2020 - 2 BvR 1762/16 -. Danach hätte das Amtsgericht die Berufung zulassen müssen, da es insoweit von der herrschenden Rechtsauffassung abgewichen sei.
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Das Amtsgericht Sinzig wies die Anhörungsrüge mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 4. November 2021 zurück. Zur Begründung heißt es: "Die Beklagte ist nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Das Gericht hat den Vortrag der Beklagten berücksichtigt. Dass dieser von dem Gericht anders bewertet wurde als von der Beklagten, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar."
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II.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 1. September 2021 und den Beschluss vom 4. November 2021. Sie sieht sich durch diese Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
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Der Zugang zu dem Rechtsmittel der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO sei unzumutbar eingeschränkt und sie in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden. Sie habe ihre Zahlungsunwilligkeit gegenüber der T. klar zum Ausdruck gebracht und das Amtsgericht darauf auch hingewiesen. Das Amtsgericht habe sich mit diesem Vortrag nicht auseinandergesetzt und entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung Inkassokosten festgesetzt, ohne die Berufung zuzulassen. Der Mobilfunkvertrag sei im Übrigen insgesamt sittenwidrig gewesen, und sie habe ihn wirksam angefochten.
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III.
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Dem Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz und der T. ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz hat ausdrücklich von einer Stellungnahme abgesehen. Die T. hat vorgetragen, das Amtsgericht habe weder formelles noch materielles Recht verletzt. Man erkenne insbesondere keinen Grundrechtseingriff.
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Dem Bundesverfassungsgericht hat die Akte des Ausgangsverfahrens vorgelegen.
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IV.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Entscheidung an (§ 93b Satz 1 BVerfGG) und gibt ihr insoweit statt. Dies ist zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die knappen Begründungen des Amtsgerichts im Urteil und im Beschluss über die Zurückweisung der Anhörungsrüge deuten auf eine generelle Vernachlässigung der Grundrechte durch das Amtsgericht hin und sind geeignet, juristisch unerfahrene Personen davon abzuhalten, um Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. BVerfGE 90, 22 25>). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen, insoweit die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen wird, vor.
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1. Das Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 1. September 2021 verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.
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a) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren. Der Einzelne soll nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um als Subjekt Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 84, 188 190>; 107, 395 409>). Da dies nicht nur durch tatsächliches Vorbringen, sondern auch durch Rechtsausführungen geschehen kann, gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 60, 175 210 ff.>; 64, 135 143>; 65, 227 234>; 86, 133 144>; stRspr).
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet auch, dass das entscheidende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss (vgl. BVerfGE 21, 191 194>; 96, 205 216>; stRspr). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Art. 103 Abs. 1 GG ist indes verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 25, 137 140 f.>; 85, 386 404>; 96, 205 216 f.>; stRspr).
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Bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe hat das Gericht eine gewisse Freiheit. Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen. Wenn aber ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde, sofern der Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 47, 182 188 f.>; 86, 133 145 f.>; 88, 366 375 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Mai 2022 - 2 BvR 1982/20 -, Rn. 41).
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b) Diesen Maßstäben wird das Urteil des Amtsgerichts nicht gerecht.
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aa) Das Amtsgericht ist auf den Vortrag der Beschwerdeführerin zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten nicht eingegangen.
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Die Beschwerdeführerin hat gegenüber dem Amtsgericht mehrfach vorgetragen, dass sie nicht zum Ersatz der Inkassokosten verpflichtet sei, da die T. das Inkassounternehmen beauftragt habe, obwohl sie die Forderungen wiederholt bestritten habe. Im Urteil heißt es demgegenüber nur, die Beschwerdeführerin sei aus Verzugsgesichtspunkten auch zur Tragung von Inkassokosten verpflichtet.
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Dass das Amtsgericht die Inkassokosten "im Hinblick auf die spätere Beauftragung eines Rechtsanwalts" um die Hälfte reduziert hat, rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Frage, ob Inkassokosten auf die Verfahrensgebühr eines später beauftragten Rechtsanwalts anzurechnen sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2020 - 1 BvR 2373/19 -, Rn. 14; BGH, Versäumnisurteil vom 7. Dezember 2022 - VIII ZR 81/21 -, juris, Rn. 30 ff.), stellt sich erst, wenn die Frage, ob die Inkassokosten überhaupt erstattungsfähig sind, bejaht wird.
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bb) Das Amtsgericht wäre mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG gehalten gewesen, auf den Vortrag der Beschwerdeführerin zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten einzugehen. Denn die Beschwerdeführerin hatte ihr kontinuierliches Bestreiten der Hauptforderung der T. in das Zentrum ihres Vortrages gerückt (hierzu unter Rn. 21) und ihr diesbezüglicher Vortrag war für den Prozessausgang in Bezug auf die eingeklagten Inkassokosten eindeutig von entscheidender Bedeutung (hierzu unter Rn. 23).
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(1) Die Beschwerdeführerin hatte nicht nur mehrfach, sondern teilweise sogar in Fettdruck und unter Verweis auf einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung und Literatur ausgeführt, dass sie aufgrund ihres wiederholten Bestreitens nicht verpflichtet sei, die Inkassokosten zu erstatten. Im direkten Anschluss an ihre Ausführungen zu den Inkassokosten hatte sie - ebenfalls in Fettdruck - beantragt, dass das Amtsgericht im Sinne der Förderung eines fairen Verbraucherschutzes die Berufung zulasse.
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(2) Inkassokosten sind nach der höchst- und vielfachen obergerichtlichen Rechtsprechung sowie der herrschenden Meinung in der Literatur zwar grundsätzlich als Schadensersatz erstattungsfähig. Dies gilt mit Blick auf die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB aber nicht, wenn der Schuldner erkennbar zahlungsunwillig war, etwa weil er Einwendungen gegen die Forderung erhoben hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1967 - VIII ZR 278/64 -, juris, Rn. 29; Versäumnisurteil vom 7. Dezember 2022 - VIII ZR 81/21 -, juris, Rn. 23 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Dezember 1972 - 8 W 490/72 -, AnwBl 1973, S. 46; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. November 1973 - 5 U 7/73 -, MDR 1974, S. 226 226 f.>; OLG München, Urteil vom 29. November 1974 - 19 U 3081/74 -, NJW 1975, S. 832 832>; OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. Juni 1986 - 6 U 234/85 -, NJW-RR 1987, S. 1506; OLG Hamm, Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 24 W 23/05 -, juris, Rn. 40; Dornis, in: Gsell/Krüger/Lorenz/ Reymann, BeckOGK, § 286 BGB Rn. 340 <Okt. 2022>; Grüneberg, in: ders., BGB, 81. Aufl. 2022, § 286 Rn. 46; Ernst, in: MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, § 286 Rn. 186; Schulte-Nölke, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 286 Rn. 16; Gierl, in: Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 91 Rn. 29; Feldmann, in: Staudinger, BGB, § 286 Rn. 234 f. 2019>; Jäckle, NJW 2013, S. 1393 1393, 1397>; Löwisch, NJW 1986, S. 1725 1727>).
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Vereinzelt werden von dieser Ausnahme, wonach Inkassokosten nicht erstattungsfähig sind, wenn der Schuldner erkennbar zahlungsunwillig war, zwar Rückausnahmen gemacht. So wird teilweise vertreten, dass Inkassokosten auch im Falle des Bestreitens durch den Schuldner erstattungsfähig seien, wenn der Gläubiger aufgrund besonderer Gründe darauf habe vertrauen dürfen, dass der Schuldner ohne gerichtliche Hilfe leisten werde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 24 W 23/05 -, juris, Rn. 40; Grüneberg, in: ders., BGB, 81. Aufl. 2022, § 286 Rn. 46) oder wenn die Einwendungen offensichtlich unbegründet gewesen seien und nur dem Hinhalten hätten dienen sollen (vgl. Feldmann, in: Staudinger, BGB, § 286 Rn. 235 2019>; Löwisch, NJW 1986, S. 1725 1727>). Die Annahme einer solchen Rückausnahme lag hier jedoch fern und hätte jedenfalls einer vertieften Begründung durch das Amtsgericht bedurft, an der es indes fehlt.
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c) Durch den Beschluss vom 4. November 2021 über die Zurückweisung der Anhörungsrüge wurde die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht beseitigt, sondern vertieft. Das Amtsgericht hat das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten auch im Anhörungsrügeverfahren nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und erwogen, dies sogar trotz des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin das Amtsgericht mit der Anhörungsrüge ergänzend auf zwei Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen hatte, in welchen die herrschende Meinung zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten ebenfalls wiedergegeben ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. September 2011 - 1 BvR 1012/11 -; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Mai 2020 - 2 BvR 1762/16 -). Im Beschluss über die Zurückweisung der Anhörungsrüge heißt es gleichwohl nur allgemein, das Gericht habe den Vortrag der Beschwerdeführerin berücksichtigt, dass es diesen anders bewertet habe, stelle keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.
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d) Soweit das Amtsgericht die Beschwerdeführerin zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verurteilt und hinsichtlich der Entscheidung über die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten die Berufung nicht zugelassen hat, beruht das Urteil auf dem Gehörsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht, hätte es den Vortrag der Beschwerdeführerin zur fehlenden Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, insoweit zu einem anderen, für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Anderes gilt hingegen für die Kostenentscheidung. Denn das Amtsgericht hat diese nicht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gestützt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. April 1988 - IX ZR 127/87 -, juris, Rn. 28 f.), sondern auf § 91 ZPO.
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2. Ob das Urteil die Beschwerdeführerin daneben auch in ihrem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. dazu BVerfGK 19, 364 367>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. Mai 2019 - 1 BvR 2006/16 -, 1 BvR 2029/16 -, Rn. 17; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Januar 2022 - 2 BvR 946/19 -, Rn. 28) und in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. dazu BVerfGE 42, 237 241>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2020 - 1 BvR 2373/19 -, Rn. 11) verletzt, bedarf nach dem Vorstehenden keiner Entscheidung.
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V.
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Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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VI.
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Das Urteil des Amtsgerichts vom 11. August 2021 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG).
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VII.
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Der die Anhörungsrüge zurückweisende Beschluss vom 4. November 2021 wird im Umfang der Aufhebung des vorausgegangenen Urteils gegenstandslos.
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VIII.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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