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BVerfG 05.10.2022 - 1 BvR 856/22
BVerfG 05.10.2022 - 1 BvR 856/22 - Ablehnung eines Antrags auf Auslagenerstattung nach Erledigterklärung einer Verfassungsbeschwerde - keine Auslagenerstattung bei anfänglicher und durchgängiger Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde - Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegenüber einem Antrag auf Aufhebung einer eV gem §§ 936, 927 ZPO
Normen
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 927 ZPO, § 935 ZPO, § 936 ZPO
Vorinstanz
vorgehend OLG Zweibrücken, 21. März 2022, Az: 4 U 85/21, Beschluss
vorgehend OLG Zweibrücken, 17. Februar 2022, Az: 4 U 85/21, Urteil
Tenor
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Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Anordnung der Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betraf eine lauterkeitsrechtliche einstweilige Verfügung, welche auf - am selben Tag wie die Verfassungsbeschwerde eingelegten - Antrag der Beschwerdeführerin durch Versäumnisurteil des Landgerichts aufgehoben wurde. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen anzuordnen.
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II.
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Über die Verfassungsbeschwerde ist infolge der Erledigungserklärung der Beschwerdeführerin nicht mehr zu entscheiden (vgl. BVerfGE 85, 109 113>). Gegenstand des Verfahrens ist nur noch der Antrag bezüglich der Auslagen. Darüber zu entscheiden, obliegt der Kammer (vgl. BVerfGE 72, 34 38 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2020 - 1 BvR 2869/18 -, Rn. 1 und vom 10. März 2021 - 1 BvR 2583/20 -, Rn. 11). Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen Auslagen nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden, § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen dar (vgl. BVerfGE 66, 152 154>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2020 - 1 BvR 2869/18 -, Rn. 2 und vom 10. März 2021 - 1 BvR 2583/20 -, Rn. 12). Bei der Entscheidung ist eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer der Ersten Senats vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, Rn. 2; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. Januar 2019 - 1 BvR 2066/18 -, Rn. 2 und vom 30. September 2020 - 1 BvR 2869/18 -, Rn. 2 sowie vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 1054/20 -, Rn. 2 und vom 10. März 2021 - 1 BvR 2583/20 -, Rn. 12). Mit Blick auf die Funktion und Tragweite verfassungsgerichtlicher Entscheidungen kommt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde jedoch regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 85, 109 115>; 87, 394 398>; 133, 37 38 Rn. 2>.
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2. Hingegen kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Oktober 2021 - 1 BvR 609/21 -, Rn. 9; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Mai 2022 - 1 BvR 911/22 -, Rn. 2). Vor allem dann, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft und davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt gehalten hat, kann es billig sein, dem Beschwerdeführer seine Auslagen zu erstatten (vgl. BVerfGE 85, 109 114 f.>; 87, 394 397>; 133, 37 38 Rn. 2>). So lag es hier jedoch nicht. Denn das Landgericht hat die einstweilige Verfügung nicht aus geänderter Auffassung über ihr korrektes Zustandekommen aufgehoben, sondern auf Antrag der Beschwerdeführerin wegen nachträglich veränderter Umstände (§ 927 ZPO) und im Wege des Versäumnisurteils allein auf Vortrag der Beschwerdeführerin über die nicht binnen der Vollziehungsfrist erfolgte Sicherheitsleistung; die Verfassungsmäßigkeit des vorangehenden Erlasses der einstweiligen Verfügung war dabei nicht zu überprüfen.
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3. Die Auslagenerstattung entspricht auch regelmäßig nicht der Billigkeit, wenn die Verfassungsbeschwerde vom Zeitpunkt ihrer Einlegung an unzulässig war (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. Januar 2019 - 1 BvR 2066/18 -, Rn. 2 und vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 1054/20 -, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. September 2020 - 1 BvR 1977/20 -, Rn. 3; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Oktober 2021 - 1 BvR 609/21 -, Rn. 9) und dies bis zur Erledigung durch die Abhilfe im fachgerichtlichen Verfahren geblieben ist (BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. Januar 2019 - 1 BvR 2066/18 -, Rn. 2 und vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 1054/20 -, Rn. 2). Das war hier der Fall.
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Die vorliegend für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerde wahrte nicht den in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG angelegten Grundsatz der Subsidiarität. Zwar war mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge gegen das Urteil des Oberlandesgerichts der Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft. Aus dem subsidiären Charakter der Verfassungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf sowie der Kompetenzverteilung zwischen den Fachgerichten und dem Bundesverfassungsgericht folgt aber, dass der Beschwerdeführer über das Erfordernis einer Rechtswegerschöpfung im engeren Sinn hinaus vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich alle ihm zumutbaren, nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um den geltend gemachten Verstoß gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte zu verhindern oder dessen Korrektur zu erwirken (vgl. BVerfGE 81, 22 27>; 84, 203 208>; 95, 163 171>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. November 2021 - 1 BvR 576/19 -, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. April 2022 - 2 BvR 2194/21 -, Rn. 51; stRspr).
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Die Beschwerdeführerin hat vorliegend am 20. April 2022 und damit am selben Tag wie die Verfassungsbeschwerde den Antrag an das Landgericht Frankenthal auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände eingereicht. Ihrer eigenen Auffassung nach konnte die angegriffene einstweilige Verfügung also bereits zum Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde durch fachgerichtliche Aufhebung aus der Welt geschafft werden, womit sie schließlich auch Erfolg hatte.
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Dem steht auch nicht entgegen, dass mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Anhörungsrüge der Rechtsweg innerhalb des Verfügungsverfahrens erschöpft war und die Monatsfrist für die Verfassungsbeschwerde gegen die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts in Gang gesetzt wurde. Denn die Beschwerdeführerin hätte vorsorglich fristwahrend Verfassungsbeschwerde einlegen können (zur vorsorglichen Einlegung der Verfassungsbeschwerde BVerfGE 19, 323 330>; 28, 1 7>; 48, 341 346>). Dann hätte sie jedoch zur Vermeidung der Unzulässigkeit darlegen müssen, dass sie parallel fachgerichtlichen Rechtsschutz sucht; die Verfassungsbeschwerde hätte in dieser Konstellation bis zur Entscheidung gemäß § 927 ZPO zunächst im Allgemeinen Register geführt werden können (vgl. Henke, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf (Hrsg.), BVerfGG, 2. Aufl. 2022, § 90 Rn. 201). Die Beschwerdeführerin hat das parallel angestrengte fachgerichtliche Rechtsschutzersuchen in ihrer Verfassungsbeschwerde jedoch nicht erwähnt.
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Die allein auf die angebliche Verletzung rechtlichen Gehörs gestützte Verfassungsbeschwerde war zudem deshalb offensichtlich unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprach. Diese verlangen bei einer Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs die Vorlage der angegriffenen Entscheidungen, aber auch derjenigen Schriftstücke, ohne deren Kenntnis sich die Berechtigung der geltend gemachten Rügen nicht beurteilen lässt, zumindest aber deren Wiedergabe ihrem wesentlichen Inhalt nach (vgl. BVerfGE 93, 266 288>; 129, 269 278>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. April 2022 - 2 BvR 2194/21 -, Rn. 17; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 674/22 -, Rn. 17). Dem genügte die Verfassungsbeschwerde nicht. Denn sie legt das Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht nicht vor, auf welches das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung über die Anhörungsrüge ausdrücklich Bezug nimmt.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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