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BVerfG 10.03.2022 - 1 BvR 484/22
BVerfG 10.03.2022 - 1 BvR 484/22 - Nichtannahmebeschluss: Anforderungen an die Gewährung von Eilrechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren - hier: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Darlegung einer Verletzung der Rechtsschutzgarantie (Art 19 Abs 4 S 1 BVerfGG) oder des Willkürverbots (Art 3 Abs 1 GG)
Normen
Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 86b Abs 2 S 4 SGG, § 920 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 9. Februar 2022, Az: L 4 KR 612/21 B ER, Beschluss
vorgehend SG München, 16. Dezember 2021, Az: S 29 KR 1965/21 ER, Beschluss
Tenor
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1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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2. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
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3. Der Antrag auf Erstattung der Auslagen wird abgelehnt, weil die Voraussetzungen nach § 34a Absatz 2 oder Absatz 3 BVerfGG nicht vorliegen.
Gründe
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1. Die - mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene - Verfassungsbeschwerde betrifft die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege in Form der speziellen Krankenbeobachtung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die überwiegende Ablehnung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht und das Landessozialgericht.
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2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerdeführer zeigt nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend substantiiert und schlüssig die Möglichkeit einer Verletzung in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten auf.
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a) Eine Verletzung in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) hat der Beschwerdeführer nicht schlüssig dargetan.
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aa) Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ansonsten dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 79, 69 74>; 126, 1 27>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juni 2020 - 1 BvR 1182/20 -, Rn. 3). Hieraus ergeben sich für die Gerichte Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen Gesetzesbestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGE 93, 1 13>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. März 2019 - 1 BvR 169/19 -, Rn. 14; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juni 2020 - 1 BvR 1182/20 -, Rn. 3). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt aber kein Recht auf eine materiell richtige Entscheidung (vgl. BVerfGK 20, 196 198>). Die Entscheidungen im fachgerichtlichen Eilverfahren dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (vgl. BVerfGE 126, 1 28>; BVerfGK 5, 237 242>; 20, 196 197>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Juni 2020 - 1 BvR 2846/16 -, Rn. 10; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Juli 2020 - 1 BvR 932/20 -, Rn. 11).
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Hinsichtlich der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) bedeutet dies, dass die Anforderungen an dessen Vorliegen, gemessen an der drohenden Rechtsverletzung, nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. März 2019 - 1 BvR 169/19 -, Rn. 14; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Juli 2020 - 1 BvR 932/20 -, Rn. 10; entsprechend zum Anordnungsgrund BVerfGE 93, 1 15>; stRspr). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. März 2019 - 1 BvR 169/19 -, Rn. 15 m.w.N.). Die Durchführung einer Folgenabwägung statt der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache steht unter der Bedingung, dass eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Juni 2020 - 1 BvR 2846/16 -, Rn. 10). Wenn die Fachgerichte die Erfolgsaussichten in der Hauptsache geprüft haben, ist für eine Folgenabwägung kein Raum (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. August 2014 - 1 BvR 1453/12 -, juris, Rn. 12).
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bb) Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass das Landessozialgericht diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hätte.
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Im vorliegenden Verfahren hat das Landessozialgericht - ebenso wie bereits zuvor das Sozialgericht - seine Entscheidung weder auf eine bloße Folgenabwägung noch auf eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage gestützt, sondern eine eingehende Prüfung vorgenommen. Das Landessozialgericht hat sich mit der Sach- und Rechtslage ausführlich auseinandergesetzt und die medizinischen Unterlagen, insbesondere die im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten, gewissenhaft und schlüssig ausgewertet. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine weitere Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht erforderlich sei. Aus der Entscheidung geht hervor, dass das Landessozialgericht die Sach- und Rechtslage für hinreichend sicher beurteilbar erachtet hat, um den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz - unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen - ablehnen zu können. Die Einschätzung, dass die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V nicht erfüllt seien, hat das Landessozialgericht auf der Grundlage einer weitgehenden Durchdringung der Sach- und Rechtslage getroffen, bei der es alle vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse ausgewertet hat, ohne zu erkennen zu geben, dass dies unter dem Vorbehalt weiterer im Hauptsacheverfahren von Amts wegen einzuholender Auskünfte und Gutachten stünde (vgl. BVerfGK 20, 196 199>).
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Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Fachgerichte seine Ausführungen pauschal zurückgewiesen und damit zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs gestellt hätten, ist nicht nachvollziehbar. Das Landessozialgericht hat sich mit beiden im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten und auch den diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Da das Landessozialgericht bereits den Anordnungsanspruch verneint und folgerichtig auf die Prüfung eines Anordnungsgrundes verzichtet hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 1241/16 -, Rn. 12), kommt es auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Anordnungsgrund nicht an.
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b) Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Gestalt des Willkürverbots genügt den Substantiierungsanforderungen nicht. Eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG rügt der Beschwerdeführer nur im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG.
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Eine willkürliche Entscheidung, also eine Entscheidung, die im Ergebnis unter keinem denkbaren Gesichtspunkt objektiv mehr vertretbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2015 - 1 BvR 3271/14 -, Rn. 10 ff.), hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Er stellt letztlich nur seine Rechtsauffassung derjenigen des Landessozialgerichts entgegen. Er trägt lediglich vor, dass seiner Auffassung nach die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V gegeben seien, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sofortige pflegerische/ärztliche Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen erforderlich sei. Dies genügt jedoch angesichts der nachvollziehbaren und auf die Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes sowie das Gutachten des Dr. Herrmann gestützten Ausführungen des Landessozialgerichts nicht, um eine mögliche Willkürlichkeit dessen gegenteiliger Auffassung darzutun. Ob die Entscheidung des Landessozialgerichts zwingend war oder auch nur die besseren Gründe für sich hatte, ist keine vom Bundesverfassungsgericht anhand von Art. 3 Abs. 1 GG zu entscheidende Frage. Die Feststellung und Würdigung des Sachverhaltes ist auch im Eilverfahren Sache der Fachgerichte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Januar 2017 - 1 BvR 2297/10 -, Rn. 58).
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c) Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG hat der Beschwerdeführer ebenfalls nicht substantiiert gerügt. Er wendet sich insoweit im Wesentlichen nur gegen das seiner Ansicht nach fehlerhafte Gutachten des Dr. Herrmann. Er trägt vor, dass der Sachverständige ungeeignet sei, dass das Gutachten fehlerhaft sei und dass bei dem Sachverständigen die Besorgnis der Befangenheit bestehe; hieraus ergibt sich aber nicht, dass das Landessozialgericht wesentliches Vorbringen nicht berücksichtigt hätte. Vielmehr greift der Beschwerdeführer letztlich ausschließlich die Richtigkeit der Beweiswürdigung an.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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