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BVerfG 22.12.2021 - 2 BvR 491/21, 2 BvR 1235/21
BVerfG 22.12.2021 - 2 BvR 491/21, 2 BvR 1235/21 - Nichtannahmebeschluss: Verfassungsbeschwerde in einer Strafvollzugssache mangels hinreichender Begründung unzulässig
Normen
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 7 Abs 2 Nr 6 StVollzG, § 7 Abs 3 S 1 StVollzG, § 109 StVollzG, § 109ff StVollzG
Vorinstanz
vorgehend OLG Dresden, 10. Februar 2021, Az: 2 Ws 13/21, Beschluss
vorgehend LG Chemnitz, 27. Oktober 2021, Az: DL II StVK 204/19, Beschluss
vorgehend OLG Dresden, 4. Juni 2021, Az: 2 Ws 10/21, Beschluss
vorgehend OLG Dresden, 25. März 2021, Az: 2 Ws 10/21, Beschluss
vorgehend LG Chemnitz, 28. Oktober 2020, Az: DL II StVK 238/19, Beschluss
Tenor
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Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, ohne dass es auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ankommt.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe mit angeordneter Sicherungsverwahrung. Zunächst war er in der Justizvollzugsanstalt T. inhaftiert. Ab dem 27. Mai 2016 absolvierte er eine Sozialtherapie in der Justizvollzugsanstalt W. Die Verfassungsbeschwerde - 2 BvR 491/21 - betrifft die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 25. März 2019 festgelegte Beendigung der Sozialtherapie des Beschwerdeführers. Die Verfassungsbeschwerde - 2 BvR 1235/21 - betrifft die den Vollzugsplan umsetzende Verfügung der Justizvollzugsanstalt W. vom 22. Juli 2019, die neben der Beendigung der Sozialtherapie die (noch nicht vollzogene) Rückverlegung des Beschwerdeführers in die Justizvollzugsanstalt T. vorsah.
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II.
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Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen, da Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben sind. Die Verfassungsbeschwerden sind bereits unzulässig, weil sie entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht substantiiert begründet sind (vgl. BVerfGE 81, 208 214>; 89, 155 171>; 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>; 113, 29 44>; 129, 269 278>; 130, 1 21>; stRspr).
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1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren der die behauptete Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorzutragen. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 49>; 86, 122 127>; 88, 40 45>; 105, 252 264>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll; soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, müssen diese herangezogen werden (vgl. BVerfGE 77, 170 214 ff.>; 78, 320 329>; 101, 331 345 f.>; 105, 252 264>; 130, 1 21>).
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2. Soweit der Beschwerdeführer die Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans der Justizvollzugsanstalt W. vom 25. März 2019, den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. Februar 2021 und den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 27. Oktober 2020 angreift, hat er die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte nicht substantiiert dargelegt.
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a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 58>; 96, 27 39>; 104, 220 231>; 110, 77 85>; 129, 1 20>). Diese verfassungsrechtliche Garantie gerichtlichen Rechtsschutzes wird im Bereich des Strafvollzugsrechts durch §§ 109 ff. StVollzG konkretisiert. § 109 StVollzG eröffnet dem Strafgefangenen die Möglichkeit, gegen Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs eine gerichtliche Entscheidung zu erlangen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2006, - 2 BvR 1383/03 -, Rn. 12). Der Begriff der Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Sinne des § 109 StVollzG ist im Lichte der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auszulegen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Handeln oder Unterlassen der Justizvollzugsanstalt eine regelnde Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG darstellt, kommt es deshalb darauf an, ob die Möglichkeit besteht, dass dieses Handeln oder Unterlassen Rechte des Gefangenen verletzt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2006, - 2 BvR 1383/03 -, Rn. 13). Diese Maßstäbe gelten auch mit Blick auf die Erstellung und Fortschreibung eines Vollzugsplans (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2006, - 2 BvR 1383/03 -, Rn. 12 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2012 - 2 BvR 166/11 -, juris, Rn. 15 ff.).
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b) Gemessen daran lässt sich dem Beschwerdevorbringen eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG nicht entnehmen. Insbesondere wurde eine vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsschutzlücke nur unzureichend dargelegt. Zwar verwarf das Landgericht Chemnitz mit angegriffenem Beschluss vom 27. Oktober 2020 den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung als unzulässig, dass die Feststellungen im Vollzugsplan zu einer möglichen Beendigung der sozialtherapeutischen Behandlung keine Rechtswirkung nach außen entfalten würden, da sich aus der festgestellten Fortschreibung nicht ergebe, dass die Verlegung unverzüglich erfolgen solle. Die Beendigung der Sozialtherapie war aber Gegenstand der angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Chemnitz vom 28. Oktober 2020 sowie des Oberlandesgerichts Dresden vom 25. März 2021 betreffend die konkrete, diesbezügliche Verfügung der Justizvollzugsanstalt W. vom 22. Juli 2019. Die Forderung des Beschwerdeführers nach eigenständiger gerichtlicher Anfechtbarkeit der vorangegangenen Festlegung im Vollzugsplan bezieht sich demnach auf eine zusätzliche, zweite gerichtliche Überprüfung desselben Lebenssachverhalts. Ein solcher Anspruch ist für den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht abzuleiten. Die Rüge mangelnder Rechtsmittelklarheit des Beschwerdeführers greift ebenfalls nicht durch, zumal es ihm unbenommen bleibt - so wie hier geschehen - sowohl den Vollzugsplan als auch die Verfügung anzugreifen. Beide Verfahren richten sich nach § 109 StVollzG und sind vor demselben Gericht anzustrengen.
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3. Soweit der Beschwerdeführer die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Juni 2021 und vom 25. März 2021 sowie den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 28. Oktober 2020 betreffend die den Vollzugsplan umsetzende Verfügung der Justizvollzugsanstalt W. vom 22. Juli 2019 angreift, hat er eine Verletzung seiner Grundrechte ebenfalls nicht substantiiert dargetan.
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a) Unabhängig von einer etwaigen Beschränkung des Beschwerdegegen-stands durch den Beschwerdeführer ist bezüglich der ursprünglich geplanten Rückverlegung von der Justizvollzugsanstalt W. in die Justizvollzugsanstalt T. jedenfalls der Rechtsweg nicht erschöpft. Nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist eine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich erst nach Erschöpfung des Rechtsweges zulässig. Danach muss ein Beschwerdeführer zunächst die ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden, nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfe ergreifen; namentlich muss er den ihm nach der jeweiligen Verfahrensordnung eröffneten Instanzenzug durchlaufen (BVerfGE 68, 376 380>). Durch die umfassende fachgerichtliche Vorprüfung der Beschwerdepunkte soll dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Fachgerichte vermittelt werden. Zugleich entspricht es der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren und etwaige im Instanzenzug auftretende Fehler durch Selbstkontrolle beheben (BVerfGE 68, 376 380> m.w.N.). Mit Beschluss vom 25. März 2021 des Oberlandesgerichts Dresden wurde die Sache insoweit, als sie den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung gegen seine Rückverlegung in die Justizvollzugsanstalt T. betraf, zur diesbezüglichen Entscheidung an das Landgericht Chemnitz zurückverwiesen. Diese Entscheidung in der Hauptsache steht nach dem Vortrag des Beschwerdeführers noch aus.
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b) Soweit er sich gegen die Beendigung der Sozialtherapie wendet, hat der Beschwerdeführer eine Verletzung des Resozialisierungsgebots aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG oder von Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht ausreichend dargetan. Er hat sich insoweit nicht genügend mit der Argumentation des Landgerichts Chemnitz und des Oberlandesgerichts Dresden auseinandergesetzt, nach der die Justizvollzugsanstalt W. von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei. Nach Auffassung des behandelnden Therapeuten seien keine weiteren Therapieerfolge zu erwarten; die positiven Entwicklungen bezögen sich gerade nicht auf die Therapiebereitschaft bezüglich der begangenen Straftaten. Konkrete Umstände, die auf eine Fehlerhaftigkeit dieser Prognose schließen ließen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Sofern sich die Therapieeignung des Beschwerdeführers seit der Verfügung der Justizvollzugsanstalt W. vom 22. Juli 2019 positiv entwickelt haben sollte, könnte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme der Sozialtherapie stellen und eine etwaige Ablehnung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 StVollzG gerichtlich überprüfen lassen. Eine fortlaufende und regelmäßige strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle der Betreuungsangebote wird bei wie vorliegend angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung darüber hinaus über das von Amts wegen durchzuführende Verfahren gemäß § 119a StVollzG gewährleistet.
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4. In Anbetracht der Ausführungen des Oberlandesgerichts Dresden im Beschluss vom 4. Juni 2021, weshalb das nicht vor der Entscheidung an den Beschwerdeführer übermittelte Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung vom 8. Februar 2021 nicht entscheidungserheblich gewesen sei, hat der Beschwerdeführer nicht ausreichend begründet, dass die angegriffene Entscheidung auf einem Gehörsverstoß beruht (vgl. BVerfGE 105, 252 264>). Denn eine Entscheidung kann wegen eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nur dann aufgehoben werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die vorherige Übersendung des Schreibens im Ergebnis zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung geführt hätte; nur dann beruht die Entscheidung auf dem Gehörsverstoß (vgl. BVerfGE 7, 239 241>; 13, 132 145>; 52, 131 152 f.>; 89, 381 392 f.>).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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