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BVerfG 20.10.2021 - 2 BvQ 95/21
BVerfG 20.10.2021 - 2 BvQ 95/21 - Erfolgloser Eilantrag zur Aussetzung einer Abschiebung - gesonderte Übermittlung der Begründung (§ 32 Abs 5 S 2 BVerfGG) - mangelnde Darlegungen zu geltend gemachten familiären Belangen
Normen
Art 6 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 32 Abs 5 S 2 BVerfGG, § 58 AufenthG 2004
Vorinstanz
vorgehend BVerfG, 20. Oktober 2021, Az: 2 BvQ 95/21, Ablehnung einstweilige Anordnung
Gründe
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I.
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1. Der Antragsteller ist ein ausreisepflichtiger nigerianischer Staatsangehöriger und leiblicher sowie rechtlicher Vater eines am 7. Januar 2019 geborenen Jungen nigerianischer Staatsangehörigkeit. Zudem ist er nach eigenen Angaben leiblicher Vater eines am 14. Februar 2017 geborenen Mädchens. Mutter beider Kinder ist eine nigerianische Staatsangehörige. Von der Existenz des Mädchens beziehungsweise der geltend gemachten Vaterschaft des Antragstellers erhielt die zuständige Ausländerbehörde ausweislich ihrer Antragserwiderung im fachgerichtlichen Eilverfahren erstmals am 13. Oktober 2021 Kenntnis. Der Junge und seine Mutter haben erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen. Beide besitzen derzeit eine Fiktionsbescheinigung.
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Die rechtliche Vaterschaft des Antragstellers zu dem Mädchen ist bislang nicht festgestellt. Da die Kindsmutter zum Zeitpunkt der Geburt anderweitig verheiratet war, besaß das Mädchen aufgrund der rechtlichen Vaterschaft des damaligen Ehemanns der Kindsmutter zunächst die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit Beschluss vom 12. August 2019 stellte das Familiengericht fest, dass das Mädchen nicht vom damaligen Ehemann der Kindsmutter abstammt. In der Folge wurde ihr die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Am 30. September 2021 stellte das Mädchen einen Asylantrag.
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Dem Antragsteller einerseits sowie der Kindsmutter und den Kindern andererseits wurden Wohnsitzauflagen für verschiedene Ortschaften auferlegt. Ein Antrag des Antragstellers auf Änderung seiner Wohnsitzauflage hin zu der Kindsmutter und den Kindern vom 14. Juli 2020 wurde abgelehnt. Dem Antragsteller zufolge sieht er seine Kinder regelmäßig von Donnerstag bis Montag und führt in dieser Zeit eine familiäre Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern und der Kindsmutter. Er nehme die Vaterrolle wahr und bringe seine Kinder beispielsweise zum Kindergarten.
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Der Antragserwiderung der zuständigen Ausländerbehörde im fachgerichtlichen Eilverfahren lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller am 8. Juni 2020 zur Niederschrift angab, er sei nicht bereit, freiwillig auszureisen. Bei einem Anhörungstermin am 13. Oktober 2021 habe er mitgeteilt, dass er seinen nigerianischen Reisepass verloren habe. An diesem Tag wurde der Antragsteller in Ausreisegewahrsam gemäß § 62b AufenthG genommen. Einen für den 18. Oktober 2021 geplanten Termin zur Vaterschaftsanerkennung und Abgabe einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung für beide Kinder beim Jugendamt konnte er daher nicht wahrnehmen.
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Am 18. Oktober 2021 wies der Antragsteller die Ausländerbehörde auf seine familiären Bindungen und das laufende Asylverfahren des Mädchens hin mit der Bitte, die Abschiebung auszusetzen. Am 19. Oktober 2021 beantragte er beim Verwaltungsgericht Arnsberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Am 20. Oktober 2021 - nach Erhebung der hiesigen Verfassungsbeschwerde - hat das Verwaltungsgericht dem Bundesverfassungsgericht mitgeteilt, dass es über den Eilantrag abschlägig entscheide. Die Gründe der Entscheidung sind hier nicht bekannt.
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2. Mit Fax vom 20. Oktober 2021, eingegangen beim Bundesverfassungsgericht gegen 9 Uhr, beantragt der Antragsteller, den Kreis Siegen-Wittgenstein im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine für den 20. Oktober 2021 um 11:15 Uhr geplante Abschiebung nach Nigeria auszusetzen.
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Die im Rahmen von § 32 BVerfGG vorzunehmende Abwägung falle zu seinen Gunsten aus. Er und seine Kinder hätten aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK einen Anspruch darauf, dass er jedenfalls bis zur vorliegenden Ausreisepflicht seiner Tochter nicht abgeschoben und die familiäre Lebensgemeinschaft nicht getrennt werde. Die Folgen seiner Abschiebung seien jedenfalls bis zum Abschluss des Asylverfahrens irreparabel, da er keine Möglichkeit der Wiedereinreise habe. Selbst ein Visum könne solange nicht erteilt werden. Die Dauer der Trennung zu seinem zweijährigen Sohn sei nicht absehbar. Auch die Ausreise der Kinder und Kindsmutter bis zum Abschluss des Asylverfahrens sei unzumutbar, da seiner Tochter in Nigeria Genitalverstümmelung drohe.
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Mit Beschluss vom 20. Oktober 2021 hat die Kammer den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Dies ist angesichts der Eilbedürftigkeit gemäß § 32 Abs. 5 BVerfGG ohne Begründung erfolgt.
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II.
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Der isolierte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) ist abzulehnen, da er nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügt.
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1. Zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gehört die substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2021 - 1 BvQ 15/21 -, Rn. 2; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2020 - 2 BvR 336/20 -, Rn. 7). Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei gelten, selbst wenn eine Verfassungsbeschwerde in der Sache Aussicht auf Erfolg hat, für den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der insoweit grundsätzlich maßgeblichen Folgenabwägung strenge Maßstäbe (vgl. BVerfGE 71, 158 161>; 88, 185 186>; 91, 252 257 f.>; 111, 147 152 f.>; stRspr).
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2. Der Antragsteller hat - auch unter Zugrundelegung reduzierter Anforderungen wegen der besonderen Eilbedürftigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2017 - 2 BvQ 7/17 -, Rn. 3; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. September 2017 - 2 BvQ 56/17 -, Rn. 11 m.w.N.) - nicht hinreichend substantiiert dargelegt, welche konkreten Nachteile ihm und seiner Familie im Falle seiner Abschiebung drohen.
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Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass der Antragsteller zumindest das Bestehen einer gelebten Vater-Sohn-Beziehung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG noch hinreichend substantiiert dargelegt hat. Jedenfalls dürfte allein der Umstand, dass Vater und Sohn an unterschiedlichen Orten gemeldet sind, mit Blick auf die entsprechenden behördlichen Wohnsitzauflagen einer derartigen Annahme noch nicht entgegenstehen.
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Der Antragsteller beruft sich jedoch lediglich pauschal darauf, dass die Dauer der Trennung von seinem zweijährigen Sohn nicht absehbar sei, ohne sich mit der Argumentation der Ausländerbehörde in ihrer Erwiderung im fachgerichtlichen Eilverfahren auseinanderzusetzen, wonach die Familiengemeinschaft alsbald in Nigeria wiederhergestellt werden könne. Der Ausländerbehörde zufolge ist beabsichtigt, die Anträge der Kindsmutter und des Jungen auf Erteilung beziehungsweise Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Der Kindsmutter stehe kein Aufenthaltsrecht zu. Daher könnten auch die Kinder über sie kein Aufenthaltsrecht ableiten. Zudem sei mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der Asylantrag des Mädchens abgelehnt werde, da bereits die Asylanträge der Kindsmutter und des Jungen abgelehnt worden seien, zumal das Mädchen einen Asylantrag erst dreieinhalb Jahre nach Geburt gestellt habe. Die Familieneinheit könne daher in Nigeria hergestellt werden. Die Ausländerbehörde geht also ersichtlich davon aus, dass der Asylantrag des Mädchens alsbald abgelehnt und die Kindsmutter mit den Kindern sodann - mangels Bleiberecht - nach Nigeria zurückkehren wird. Zwar wird bei einer Abschiebung des Antragstellers die Familie zwangsläufig für die Dauer des Asylverfahrens getrennt. Wenn aber davon auszugehen ist, dass nach erfolglosem Asylverfahren die Familieneinheit in Nigeria hergestellt werden kann, legt der Antragsteller nicht dar, dass dies eine unzumutbar lange Trennungszeit bedingen würde. Aus den hier insoweit unkommentiert vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass eine persönliche Anhörung in dem Asylverfahren bereits für den 2. November 2021 terminiert ist.
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Zwar dürfte der Antragsteller implizit vom Erfolg des nunmehr gestellten Asylantrags des Mädchens sowie einem dadurch bedingten zukünftigen Bleiberecht der Kinder und ihrer Mutter und in der Folge einer über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehenden Trennungszeit ausgehen. Die Ausländerbehörde hat die Erfolgswahrscheinlichkeit dieses Asylantrags jedoch unter Verweis auf die bereits erfolglosen Asylanträge der Kindsmutter und des Jungen verneint. Dem setzt der Antragsteller lediglich seinen schlagwortartigen Verweis auf die dem Mädchen in Nigeria drohende Genitalverstümmelung entgegen, ohne die möglichen Asylgründe konkreter auszuführen oder entsprechende Dokumente (beispielsweise den Asylantrag des Mädchens) vorzulegen und so eine - auch nur geringe - Erfolgswahrscheinlichkeit in dem Asylverfahren aufzuzeigen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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