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BVerfG 31.12.2019 - 1 BvR 2852/19
BVerfG 31.12.2019 - 1 BvR 2852/19 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der Rückführung von Kindern gem Art 12 HKÜ (juris: KiEntfÜbk Haag) - mangelnde Alleinvertretungsbefugnis der Mutter nach maßgeblichem argentinischem Zivilrecht - Zudem unzureichende Beschwerdebegründung (§§ 23 Abs 1 S 2, 92 BVerfGG)
Normen
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 12 Abs 1 KiEntfÜbk Haag
Vorinstanz
vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 21. November 2019, Az: 2 UF 485/19, Beschluss
vorgehend AG Jena, 24. Oktober 2019, Az: 47 F 519/19, Beschluss
Tenor
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen gerichtliche Entscheidungen, durch die die Beschwerdeführerin zu 1) auf der Grundlage von Art. 12 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen (Haager Kindesentführungsübereinkommen - HKÜ) verpflichtet wurde, die Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3), ihre zwei und vier Jahre alten Töchter, nach Argentinien zurückzuführen.
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I.
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1. Die Beschwerdeführerin zu 1) hatte sich in Absprache mit ihrem argentinischen Ehemann vom 30. Dezember 2018 bis 30. Januar 2019 zusammen mit den beiden gemeinsamen Töchtern in Deutschland aufgehalten. Nach Ablauf der vereinbarten Aufenthaltsdauer verblieb sie jedoch absprachewidrig und gegen den Willen ihres Ehemannes in Deutschland. Diesem gegenüber erklärte sie, unter anderem wegen der derzeitigen Wirtschaftskrise in Argentinien dort keine Zukunft mehr zu sehen.
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Auf Antrag des durch das Bundesamt für Justiz vertretenen Ehemannes verpflichtete das Familiengericht die Beschwerdeführerin zu 1) mit Beschluss vom 24. Oktober 2019 dazu, die Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3), für die im fachgerichtlichen Verfahren ein Verfahrensbeistand bestellt wurde, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Rechtskraft des vorgenannten Beschlusses nach Argentinien zurückzuführen. Im fachgerichtlichen Beschwerdeverfahren berief sich die Beschwerdeführerin zu 1) vor allem auf der Rückführung entgegenstehende Gründe nach Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b HKÜ. So genüge das Einkommen des Ehemannes wegen der hohen Inflationsrate in Argentinien nicht, um die Ernährung der Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3) sicherzustellen; außerdem drohe der Beschwerdeführerin zu 2) im Falle der Rückkehr in den väterlichen Haushalt eine Retraumatisierung, weil sie in der Vergangenheit Opfer eines sexuellen Missbrauchs durch ihren (vormals) dort ebenfalls lebenden Halbbruder geworden sei. Die Beschwerde wies das Oberlandesgericht mit nicht angegriffenem Beschluss vom 5. Dezember 2019 zurück.
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2. Mit der Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin zu 1) insbesondere unter Berufung auf die bereits im fachgerichtlichen Beschwerdeverfahren vorgetragenen Umstände geltend, die Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3) würden durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG verletzt; zudem sei gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen worden.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde aus verschiedenen Gründen unzulässig ist.
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1. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1) eine Verletzung von Grundrechten beziehungsweise grundrechtsgleichen Rechten der minderjährigen Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3) geltend macht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sie alleine zur Vertretung ihrer Töchter im Verfassungsbeschwerdeverfahren befugt ist.
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Ausweislich der Gründe des amtsgerichtlichen Beschlusses tragen die Beschwerdeführerin zu 1) und ihr Ehemann nach dem maßgeblichen argentinischen Zivilrecht die gemeinsame Elternverantwortung für die Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3). Die Begründung der Verfassungsbeschwerde zeigt nicht eine dennoch bestehende alleinige Befugnis eines jeden Elternteils zur gerichtlichen Vertretung der beiden Töchter auf. Nach dem Zivil- und Handelsgesetzbuch Argentiniens (Código Civil y Comercial de la Nación; Ley 26.994), insbesondere dessen Art. 641 Buchstabe a und b sowie Art. 643, liegt eine Befugnis zur Ausübung der gemeinsamen Elternverantwortung allein durch die Beschwerdeführerin zu 1) auch nicht auf der Hand.
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2. Soweit die Verfassungsbeschwerde dahin zu verstehen sein sollte, dass die Beschwerdeführerin zu 1) auch die Verletzung eigener Grundrechte geltend machen will, mangelt es bereits an der erforderlichen Bezeichnung eines möglicherweise durch die angegriffenen Entscheidungen verletzten Grundrechts (vgl. BVerfGE 130, 1 21> m.w.N.). Damit wird entgegen den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG die Möglichkeit der Verletzung eines beschwerdefähigen Rechts nicht substantiiert und schlüssig dargelegt (vgl. BVerfGE 123, 267 329>; 130, 1 21>).
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3. Darüber hinaus genügt die Verfassungsbeschwerde insgesamt nicht den Begründungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Ihr sind nicht alle für die Entscheidung über sie erforderlichen Unterlagen beigefügt (vgl. BVerfGE 78, 320 327>). Es fehlt unter anderem an der Vorlage des Vermerks der am 17. Oktober 2019 durch das Familiengericht durchgeführten Kindesanhörung, auf die das Gericht im angegriffenen Beschluss vom 24. Oktober 2019 ausdrücklich Bezug nimmt. Der als Anlage (AVB 5) der Verfassungsbeschwerde beigefügte Vermerk über die mündliche Verhandlung des Familiengerichts vom 17. Oktober 2019 gibt den Inhalt der Kindesanhörung nicht wieder, sondern verweist lediglich auf deren zuvor in Anwesenheit des Verfahrensbeistands erfolgte Anhörung. Vortrag ihres wesentlichen Inhalts ist nicht ersichtlich.
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Zudem fehlt die gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit den angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen (vgl. BVerfGE 130, 1 21> m.w.N.). Die Verfassungsbeschwerde beschränkt sich weitgehend auf eine Wiederholung des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu 1) im fachgerichtlichen Verfahren, insbesondere auf eine von den Fachgerichten abweichende Bewertung der wirtschaftlichen Lage der Familie in Argentinien. Soweit eine Verfassungsrecht verletzende Anwendung von Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b HKÜ darin gesehen werden soll, dass die Fachgerichte die Gefahr eines vermeintlich erneuten sexuellen Übergriffs des Halbbruders der Beschwerdeführerin zu 2) auf diese verneint haben, wird die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht aufgezeigt. Die Verfassungsbeschwerde setzt sich bereits nicht hinreichend damit auseinander, dass die Fachgerichte eine solche Gefahr sowohl im Hinblick auf den rechtskräftigen Freispruch des Halbbruders in Argentinien vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs als auch wegen dessen Auszug aus dem väterlichen Haushalt nachvollziehbar verneint haben.
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4. Von einer Begründung im Übrigen wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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