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BVerfG 19.07.2017 - 2 BvL 4/17
BVerfG 19.07.2017 - 2 BvL 4/17 - Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 27 Abs 1 Nr 1, Abs 2, Abs 4 Nr 2 ChemG - unzureichende Darlegung der Entscheidungserheblichkeit bei ausstehender Beweiswürdigung im Strafverfahren - unzureichende Auseinandersetzung mit Rspr des BVerfG zu Anforderungen der Art 103 Abs 2, 104 Abs 1 S 1 GG im Falle von Blankettstrafnormen
Normen
Art 80 Abs 1 S 2 GG, Art 100 Abs 1 GG, Art 103 Abs 2 GG, Art 104 Abs 1 S 1 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 27 Abs 1 Nr 1 ChemG, § 27 Abs 2 ChemG, § 27 Abs 4 Nr 2 ChemG, GefStoffV 2010
Vorinstanz
vorgehend AG Potsdam, 29. März 2017, Az: 86 Ds 75/16, Vorlagebeschluss
Tenor
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Die Vorlage ist unzulässig.
Gründe
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A.
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Gegenstand der Vorlage des Amtsgerichts Potsdam ist die Frage, ob § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 2 Chemikaliengesetz (ChemG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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I.
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§ 27 ChemG in der hier einschlägigen Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3498) hat folgenden Wortlaut:
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§ 27 Strafvorschriften
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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
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1. einer Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Nummer 2 Buchstabe b oder Nummer 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2, 3 Satz 1, Absatz 4 oder 6 über das Herstellen, das Inverkehrbringen oder das Verwenden dort bezeichneter Stoffe, Gemische, Erzeugnisse, Biozid-Wirkstoffe oder Biozid-Produkte zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist,
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2. einer vollziehbaren Anordnung nach § 23 Absatz 2 Satz 1 über das Herstellen, das Inverkehrbringen oder das Verwenden gefährlicher Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse zuwiderhandelt oder
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3. einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in Nummer 1 genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach Satz 2 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. Die Bundesregierung wird ermächtigt, soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union erforderlich ist, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Tatbestände zu bezeichnen, die als Straftat nach Satz 1 zu ahnden sind.
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(1a) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine in Absatz 1 Nummer 3 Satzteil vor Satz 2 bezeichnete Handlung dadurch begeht, dass er einen Bedarfsgegenstand im Sinne des § 2 Absatz 6 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches herstellt oder in Verkehr bringt.
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(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer durch eine in Absatz 1 oder Absatz 1a oder eine in § 26 Absatz 1 Nummer 4, 5, 7 Buchstabe b, Nummer 8 Buchstabe b, Nummer 10 oder Nummer 11 bezeichnete vorsätzliche Handlung das Leben oder die Gesundheit eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.
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(3) Der Versuch ist strafbar.
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(4) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe
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1. in den Fällen des Absatzes 1 oder Absatzes 1a Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe,
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2. in den Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
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(5) Das Gericht kann von Strafe nach Absatz 2 absehen, wenn der Täter freiwillig die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. Unter denselben Voraussetzungen wird der Täter nicht nach Absatz 4 Nummer 2 bestraft. Wird ohne Zutun des Täters die Gefahr abgewendet, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.
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(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht, wenn die Tat nach den §§ 328, 330 oder 330a des Strafgesetzbuches mit gleicher oder schwererer Strafe bedroht ist.
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II.
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Der Vorlage liegt ein strafgerichtliches Verfahren zugrunde, das sich gegen drei Angeklagte wendet und unter anderem den Vorwurf des fahrlässigen Verstoßes gegen das Chemikaliengesetz zum Gegenstand hat.
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1. Mit Anklageschrift vom 2. März 2016 legte die Staatsanwaltschaft Potsdam insgesamt drei Angeschuldigten zur Last, im Oktober 2014 in Potsdam fahrlässig einer Rechtsverordnung nach § 17 ChemG über das Herstellen, das Inverkehrbringen oder das Verwenden dort bezeichneter Stoffe, Gemische, Erzeugnisse, Biozid-Wirkstoffe oder Biozid-Produkte zuwider gehandelt zu haben, nämlich entgegen § 8 Abs. 8 in Verbindung mit Anhang I Nr. 2.4.2., Abs. 3 und 4 der Gefahrstoffverordnung Abbrucharbeiten durchgeführt und dadurch das Leben und die Gesundheit anderer gefährdet zu haben, sowie tateinheitlich hiermit fahrlässig unbefugt Abfälle, die für einen Menschen krebserzeugend sind, unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren behandelt und gelagert zu haben, strafbar gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 2 ChemG, § 22 Abs. 2, § 24 Abs. 2 Nr. 1 und 8 Abs. 8 in Verbindung mit Anhang I Nr. 2.4.2., Abs. 3 und 4 GefStoffV, § 326 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 5 Nr. 1, § 52 StGB.
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Der Angeschuldigte Ki. sei von einer Immobilienfirma mit der Komplettsanierung der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärinstallation eines Hauses in Potsdam beauftragt worden. Das Angebot habe unter anderem Abrissarbeiten beinhaltet. Der Angeschuldigte Ki. hätte mithin zu prüfen gehabt, welche Materialien aus dem Haus zu entfernen gewesen seien. Diese Prüfung habe er unterlassen. Er habe deshalb nicht festgestellt, dass die zu sanierenden Leitungsstränge mit Asbestplatten verkleidet gewesen seien. Den Auftrag für die Abrissarbeiten zur Freilegung der zu sanierenden Leitungen habe der Angeschuldigte Ki. an die Firma G. weitergegeben, dessen Inhaber der Angeschuldigte Ku. sei. Im Oktober 2014 seien die entsprechenden Abrissarbeiten durchgeführt worden. Dabei seien entgegen den technischen Regeln für Gefahrstoffe ohne Einschaltung einer Fachfirma mit Sachkundenachweis für Asbestarbeiten und ohne Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsbestimmungen Asbestplatten durch mehrere nicht namentlich bekannte Mitarbeiter der Firma G. abgebrochen und im Flur sowie in offen zugänglichen Räumen des Hauses über mehrere Tage zwischengelagert worden. Während der Abbrucharbeiten seien mehrere Personen einer erheblichen gesundheitlichen Gefährdung durch freiwerdende Asbestfasern ausgesetzt gewesen.
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Die Angeschuldigten Ki. und Ku. sowie der auf der Baustelle als Bauleiter eingesetzte Angeschuldigte S. hätten aufgrund ihrer Fachkenntnisse und Berufserfahrung davon ausgehen können und müssen, dass die Sanitärschächte aufgrund zurückliegend üblicher Bauverfahren und Verwendung von Asbest als feuerfestes Baumaterial mit Asbestplatten verkleidet gewesen seien. Dies wäre auch durch eine einfache Prüfung mittels Sichtung zu erkennen gewesen, da die Platten mit entsprechenden Stempeln versehen gewesen seien. Gleichwohl hätten die Angeschuldigten keinerlei Prüfungen vorgenommen, sondern die Abrissarbeiten ohne Schutzmaßnahmen und nicht von einer Fachfirma ausführen lassen. Alle drei Angeschuldigten hielten sich zeitweilig als Verantwortliche auf der Baustelle auf. Der Angeschuldigte Ku. sei insofern auch für die nicht sachgerechte und vorschriftswidrige Zwischenlagerung der Asbestplatten in dem Haus verantwortlich.
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2. Mit Beschluss vom 29. Dezember 2016 ließ das Amtsgericht Potsdam die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Verfahren vor dem Amtsgericht Potsdam - Strafrichter.
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III.
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Mit Beschluss vom 29. März 2017 hat das Amtsgericht Potsdam das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 27 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2, Absatz 4 Nr. 2 ChemG mit Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar und daher nichtig ist.
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1. Das Amtsgericht ist der Auffassung, die aufgeworfene Vorlagefrage sei für die vorliegende Rechtssache und den Verfahrensablauf relevant. Danach komme für alle drei Angeklagten nach der am 16. Februar 2017 durchgeführten Hauptverhandlung ein Schuldspruch wegen des von der Staatsanwaltschaft Potsdam mit Anklageschrift vom 2. März 2016 gegenüber allen Angeklagten erhobenen Vorwurfs des fahrlässigen Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 2 Chemikaliengesetz in Verbindung mit § 22 Abs. 2, § 24 Abs. 2 Nr. 1 und § 8 Abs. 8 in Verbindung mit Anhang I Nr. 2.4.2, Abs. 3 und 4 der Gefahrstoffverordnung in Betracht. Der zudem tateinheitlich für den Angeklagten Ku. in Betracht kommende Schuldspruch wegen des Vorwurfs eines fahrlässigen unerlaubten Umgangs mit Abfällen gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2 StGB bleibe von der Vorlage unberührt.
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2. Das Amtsgericht ist überdies von der Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften überzeugt. § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ChemG sei als Blanketttatbestand ausgestaltet und enthalte eine dynamische Verweisung mit Rückverweisungsklausel, wodurch sie gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 104 GG verankerten Gesetzesvorbehalt verstoße. Denn der Gesetzesvorbehalt stehe im vorliegenden konkreten Fall einer Regelung durch die Exekutive entgegen und verpflichte die Legislative dazu, zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen auf eine Normverletzung mit den Mitteln des Strafrechts als ultima ratio reagiert werde. Dem werde die in § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ChemG enthaltene dynamische Verweisung mit Rückverweisungsklausel nicht gerecht.
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Während statische Verweisungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegneten, stünden dynamische Verweisungen mit Rückverweisungsklausel auf dem Prüfstand. Bislang habe sich das Bundesverfassungsgericht nur mit dem ersten Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2 GG befasst, mithin lediglich geprüft, ob Rückverweisungsklauseln die Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens ermöglichten, also mit dem Grundsatz der Normenklarheit in Einklang zu bringen seien. Unter dem Topos "Expertenwissen" sehe das Bundesverfassungsgericht so lange kein Problem, wie es dem Adressaten möglich sei, sich über die blankettausfüllenden Vorschriften zu informieren.
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In der Literatur werde dem indes zu Recht entgegengehalten, dass damit eine Informationspflicht postuliert werde, deren Verletzung mit dem Verstoß gegen den Blanketttatbestand gleichgesetzt werde, und in den Fällen, in denen mehrfachgestufte Verweisungsketten den "Charakter von Kaskaden" annähmen, die Regelung selbst für den "Experten" nur schwer zu durchschauen sei und das strafbewehrte Verhalten nicht mehr auf zumutbare Weise bestimmt werden könne.
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Mit dieser Rechtsprechung aber habe das Bundesverfassungsgericht den zweiten Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG bislang unbeleuchtet gelassen, mithin die Frage, ob der Gesetzgeber der Exekutive die Entscheidung darüber überlassen dürfe, "ob" eine Zuwiderhandlung gegen durch Rechtsverordnung statuierte Verhaltenspflichten strafbar sei, unbeantwortet gelassen. Immerhin habe das Bundesverfassungsgericht auf die Gefahren hingewiesen, die mit dynamischen Verweisungen verbunden seien.
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Ausgehend von dieser Rechtsprechung sei § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ChemG mit Art. 103 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar und daher nichtig. Strafe berühre den Wert- und Achtungsanspruch des Betroffenen. Strafrecht werde daher als "ultima ratio" des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und "für das geordnete Menschen" [sie] unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich sei. Der Gesetzgeber dürfe daher vom Mittel der Strafnorm nur behutsam und zurückhaltend Gebrauch machen. Ungeachtet der aktuellen Diskussion über Voraussetzungen und Grenzen staatlichen Strafens bestehe Einigkeit, dass die Entscheidung darüber, wann Strafe erforderlich sei, in der Hand des Gesetzgebers liege; der Gesetzgeber - und nicht zum Beispiel der Verordnungsgeber - bringe durch Strafandrohung zum Ausdruck, dass er ein bestimmtes Verhalten für besonders sozialschädlich halte und daher im Sinne einer Ultima-Ratio-Kriminalstrafe für erforderlich erachte. Die Strafnorm stelle die "ultima ratio" im Instrumentarium des Gesetzgebers dar. Dem Gesetzgeber stehe es insoweit nicht frei, sich der Verantwortung für die Entscheidung über das "Ob" von Strafe durch Delegation an die Exekutive zu entziehen. Genau dies habe aber der Gesetzgeber mit § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ChemG getan. Er sei seiner Pflicht, mit hinreichender Deutlichkeit selbst zu bestimmen, was strafbar sein soll, nicht nachgekommen.
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Denn er stelle es in das nicht weiter determinierte Ermessen des Verordnungsgebers, über Sachverhalte zu entscheiden, die den Straftatbestand bestimmen sollen. Der Verordnungsgeber könne also auch von einer Strafbewehrung absehen, er sei nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gezwungen, von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen. Unter diesen Umständen aber komme es zu einer aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht hinnehmbaren verdeckten Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen. Dass sich diese Gefahr bereits realisiert habe, zeige Art. 2 der Verordnung vom 3. Februar 2015 (BGBl I S. 49), mit der die Gefahrstoffverordnung vom 26. November 2010 (BGBl I S. 1643 f.) geändert worden und zahlreiche Richtlinien des Rates, der Kommission und des Europäischen Parlaments umgesetzt worden seien - mit der Folge, dass es allein der Entscheidung des insoweit in keiner Weise gesetzlich präjudizierten deutschen Verordnungsgebers oblegen habe, über die Strafbewehrung der entsprechenden Verhaltenspflichten zu entscheiden.
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Dass § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ChemG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge, gelte dabei umso mehr, als die Vorschrift nicht nur Geldstrafe, sondern auch Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren respektive bis zu fünf Jahren androhe. Da durch den Straftatbestand bloßer Verwaltungsungehorsam geahndet werde, seien auch unter diesem Gesichtspunkt an die erforderliche Bestimmtheit strenge Anforderungen zu stellen, die vorliegend nicht erfüllt seien.
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B.
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Die Vorlage ist unzulässig, denn das vorlegende Gericht hat sie nicht hinreichend begründet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Die Unzulässigkeit der Vorlage kann die Kammer durch einstimmigen Beschluss feststellen (§ 81a Satz 1 BVerfGG).
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I.
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Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei seiner Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 355 f.>; stRspr). Hierfür muss das vorlegende Gericht in nachvollziehbarer und für das Bundesverfassungsgericht nachprüfbarer Weise darlegen, dass es bei seiner anstehenden Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommt und aus welchen Gründen es von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist (vgl. BVerfGE 105, 61 67>; stRspr). Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 190 f.>; 105, 61 67>; 129, 186 203>; 133, 1 11>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, juris, Rn. 92).
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Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss der Sachverhalt umfassend dargestellt werden. Die Schilderung des Sachverhalts muss aus sich heraus, also ohne Studium der beigefügten Verfahrensakten, verständlich sein (vgl. BVerfGE 88, 187 194>; 107, 59 85>). Es muss dargelegt sein, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle der Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 173 f.>; 79, 240 243>; 121, 108 117>). Das Gericht muss sich dabei eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen und die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen, die für die Auslegung der vorgelegten Rechtsvorschrift von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 65, 308 316>; 94, 315 323>; 97, 49 60>; 105, 61 67>; 121, 233 237 f.>).
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Das vorlegende Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sein und die für diese Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 171 f.>; 86, 71 77 f.>; 88, 70 74>; 88, 198 201>; 93, 121 132>). Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich sowohl mit der einfachrechtlichen als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen, dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen und insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen (vgl. BVerfGE 76, 100 104>; 79, 240 243 f.>; 86, 52 57>; 86, 71 77 f.>; 88, 198 202>; 94, 315 325>), wobei § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG das vorlegende Gericht allerdings nicht verpflichtet, auf jede denkbare Rechtsauffassung einzugehen (vgl. BVerfGE 141, 1 10 f. Rn. 22>).
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II.
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Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht.
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1. Dem Vorlagebeschluss ist bereits nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Vorlagefrage entscheidungserheblich ist, weil das Amtsgericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit. Die Vorlage lässt insbesondere nicht erkennen, ob der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und die erforderlichen Beweise erhoben worden sind. Das vorlegende Gericht hat in diesem Zusammenhang lediglich mitgeteilt, auf der Grundlage der am 16. Februar 2017 durchgeführten Hauptverhandlung komme "für alle drei Angeklagten ein Schuldspruch in Betracht". Damit lässt die Vorlage nicht erkennen, ob der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und die erforderlichen Beweise erhoben worden sind; eine Begründung ist dem Vorlagebeschluss nicht, auch nicht rudimentär zu entnehmen. Auch aus dem Hauptverhandlungsprotokoll geht lediglich hervor, dass der Angeklagte Ku. nach Verlesung des Anklagesatzes erklärt hat, er habe keine Ahnung gehabt, dass die abzureißenden Platten mit Asbest verseucht seien. Die Angeklagten Ki. und S. haben auf ihre bisherigen Schriftsätze verwiesen. Aus den Vernehmungen im Ermittlungsverfahren geht hervor, dass auch sie angegeben haben, sie hätten keine Kenntnis davon gehabt, dass es sich um Asbestplatten gehandelt habe. Im Anschluss an die Abgabe der Erklärungen wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt; Zeugen wurden nicht vernommen. Eine Beweiswürdigung - insbesondere zum subjektiven Tatbestand - ist mithin bislang nicht erfolgt. Auf dieser Grundlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass die noch durchzuführende Beweisaufnahme zu einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen führt - insbesondere mangels Vorsatzes oder fahrlässiges Verhaltens. In diesem Fall wäre die Vorlagefrage nicht entscheidungserheblich, jedenfalls ist die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht hinreichend dargetan. Das wird den an einen Vorlagebeschluss zu stellenden Anforderungen nicht gerecht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. November 2010 - 2 BvL 12/09 -, juris, Rn. 59; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. Mai 2009 - 1 BvL 7/08 -, juris, Rn. 14). Darüber hinaus lässt die Vorlage eine auf den Einzelfall bezogene einfachrechtliche Würdigung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts vermissen.
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2. Entsprechendes gilt für die Erörterung der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm. Soweit die Vorlage davon ausgeht, das Bundesverfassungsgericht habe sich bislang nur mit dem ersten Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2 GG befasst, mithin lediglich geprüft, ob Rückverweisungsklauseln die Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens ermöglichen, also mit dem Grundsatz der Normenklarheit in Einklang zu bringen sind, und den zweiten Schutzzweck bislang unbeleuchtet gelassen, mithin die Frage, ob der Gesetzgeber der Exekutive die Entscheidung darüber überlassen dürfe, "ob" eine Zuwiderhandlung gegen durch Rechtsverordnung statuierte Verhaltenspflichten strafbar sei, liegt die Annahme nahe, dass das vorlegende Gericht die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Unvereinbarkeit einer Blankettstrafnorm mit den Bestimmtheitsanforderungen nach Art. 103 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG sowie nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG übersehen hat (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 -, juris, Rn. 51). In dieser Entscheidung, der die Vorlagefrage zugrunde lag, ob § 10 Abs. 1 und 3 des Rindfleischetikettierungsgesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die zur Prüfung gestellten Normen deshalb den Anforderungen an die nach Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche Bestimmtheit nicht genügen, weil der Verordnungsgeber darüber entscheidet, welches Verhalten strafbar sein soll. Mit dieser Entscheidung hätte sich die Vorlage mithin auseinandersetzen müssen. Es hätte insbesondere einer eingehenden Erörterung bedurft, inwieweit die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden können. Von Relevanz ist vor allem die Frage, ob der einfache Gesetzgeber mit der in § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG vorgenommenen Begrenzung des strafbaren Verhaltens auf "das Herstellen, das Inverkehrbringen oder das Verwenden dort bezeichneter Stoffe, Gemische, Erzeugnisse, Biozid-Wirkstoffe oder Biozid-Produkte" den aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 103 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Bestimmtheitsanforderungen genügt hat.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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