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BVerfG 05.09.2015 - 1 BvL 9/15
BVerfG 05.09.2015 - 1 BvL 9/15 - Unzulässige, dem Begründungserfordernis von § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG nicht genügende Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit der fünfzehnmonatigen Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Betreuervergütung gem § 2 S 1 VBVG
Normen
Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 14 Abs 1 S 2 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 81a S 1 BVerfGG, § 1836 Abs 1 S 2 BGB, § 1896 BGB, § 1 S 2 VBVG, § 2 S 1 VBVG
Vorinstanz
vorgehend AG Hamburg-Barmbek, 28. Juli 2015, Az: 862 XVII R 1793, Vorlagebeschluss
Gründe
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Die Vorlage des Amtsgerichts betrifft die Frage, ob § 2 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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I.
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1. Nach § 1 Abs. 2 VBVG hat das Amtsgericht eine Vergütung zu bewilligen, wenn es die Berufsmäßigkeit der Vormundschaft oder Betreuung gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nach § 1 Abs. 1 VBVG festgestellt hat. Im Fall der Betreuung ist Vergütungsschuldner der Betreute; ist dieser mittellos, so kann der Betreuer die zu bewilligende Vergütung aus der Staatskasse verlangen. Nach § 2 Satz 1 VBVG erlischt der Vergütungsanspruch, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Gericht geltend gemacht wird.
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Für den Betroffenen des Ausgangsverfahrens wurde eine Mitarbeiterin eines Betreuungsvereins zur Betreuerin bestellt. Diese stellte regelmäßige Vergütungsanträge, denen entsprochen wurde. Mit Schreiben vom 4. April 2014, eingegangen beim Gericht am 7. April 2014, beantragte die Betreuerin für den Zeitraum vom 7. Juni bis zum 6. September 2012 eine Vergütung in Höhe von 462 €. Nach ihrer Einlassung soll eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass ein rechtzeitig im September 2012 gestellter Vergütungsantrag auf dem Postwege verloren gegangen sei.
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Das Amtsgericht hat den Vergütungsantrag zurückgewiesen. Der Vergütungsanspruch sei nach § 2 VBVG verjährt. Gegen diesen Beschluss hat die Betreuerin Erinnerung eingelegt. Die Vertreterin der Staatskasse hat die Zurückweisung der Erinnerung beantragt. Der Vergütungsanspruch erlösche, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht werde. Es komme nicht darauf an, dass die Forderung nicht rechtzeitig geltend gemacht worden sei. § 2 VBVG sei keine Verjährungsregelung, sondern eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Diese Ausschlussfrist sei von Amts wegen zu beachten. Das Gericht treffe auch keine Pflicht, auf den bevorstehenden Ablauf dieser Frist hinzuweisen.
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2. Daraufhin hat das Amtsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Vereinbarkeit von § 2 VBVG mit Art. 12 und Art. 14 GG zur Entscheidung vorgelegt.
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Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, nach dem Wortlaut des § 2 VBVG erlösche der Vergütungsanspruch, wenn er nicht innerhalb der Frist von 15 Monaten geltend gemacht werde. Das Gericht sehe keine andere Entscheidungsmöglichkeit und keinen Raum für eine andere Auslegung der in diesem Fall maßgebenden Vorschrift, habe aber erhebliche Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit. § 2 VBVG verstoße gegen Art. 14 GG. Der durch eigenhändige Arbeit im Auftrag des Staates erworbene Vergütungsanspruch sei eine geschützte Vermögensposition, die dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums gleichgestellt sei.
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Die Frist des § 2 VBVG sei unangemessen kurz. Dadurch werde der geschützte Anspruch in seinem Kern negativ betroffen. Jede zeitliche Beschränkung sei ein Eingriff in die geschützte Vermögensposition. Dem stehe kein sachlicher Grund für eine derartige Befristung gegenüber. Es sei weder für den Rechtsfrieden noch für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Betreuungsgerichte noch aus übergeordneten Gesichtspunkten des Schutzes der Interessen der Allgemeinheit ersichtlich, dass ein derart kurzer Zeitraum festgelegt werden dürfe oder gar müsse. So hätten sich die Betreuungsgerichte insbesondere immer wieder mit Vorgängen zu befassen, die länger als 15 Monate zurücklägen; auch würden Fristen für Unterbringungen und Betreuungen festgelegt, die länger als 15 Monate andauerten. Die extrem kurze Frist drohe sogar, den Betreuungsgerichten Mehrarbeit zu verschaffen, weil die Betreuerinnen und Betreuer gehalten seien, Vergütungsanträge zuzustellen oder aber routinemäßig vor Fristablauf nachzufragen.
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Darüber hinaus sei eine besondere Eingriffsqualität gegeben, weil der Anspruch nicht etwa nur verjähre, sondern erlösche. Auch und gerade dafür gebe es keinerlei sachliche Rechtfertigung. Dies führe auch bei unverschuldeter Fristversäumung dazu, dass der Anspruch nicht einmal mehr im Wege der Kulanz oder sachlichen Abwägung befriedigt werden könne. Die Ausnahme- und Verlängerungsmöglichkeiten seien nicht hinreichend, weil sie insbesondere für die Frage des unverschuldeten Versäumens der Frist keine Abhilfe schüfen und im Übrigen der Problematik nicht ausreichend gerecht würden.
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Die Vorschrift sei keineswegs sachlichen Erwägungen geschuldet, sondern lediglich Ausdruck der vielfach zumindest latent vorhandenen abwertenden Negativhaltung gegenüber der Berufsbetreuung. Sie diene alleine dem Zweck, möglichst viele Ansprüche nicht auszahlen zu müssen.
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Gleichermaßen verstoße die Regelung gegen das Recht auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 GG. Sie schränke die Möglichkeit zur Geltendmachung der Gegenleistung für geleistete Arbeit ein, ohne dass es einen sachlichen Grund dafür gebe.
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II.
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Die Vorlage ist unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Das Amtsgericht hat jedenfalls seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit von § 2 VBVG nicht hinreichend dargelegt.
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1. Ein Vorlagebeschluss genügt dem Begründungserfordernis nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 355>). Das vorlegende Gericht muss hierfür deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Insoweit bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 171 f.>; 89, 329 337>). Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Norm müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und umfassend darlegen (vgl. BVerfGE 88, 70 74>; BVerfGK 14, 429 432>). Dabei muss das Gericht auf nahe liegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen (vgl. BVerfGE 86, 71 78>).
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2. Diesen Anforderungen wird der Vorlagebeschluss nicht im Ansatz gerecht. Seine Begründung lässt bereits außer Acht, dass sich die konkrete Reichweite des Schutzes der Eigentumsgarantie erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ergibt, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zunächst Sache des Gesetzgebers ist (vgl. BVerfGE 53, 257 292>; 58, 81 109 f.>; 72, 9 22>; 116, 96 124 f.>; 122, 374 391>). Aufgrund dieses Fehlverständnisses der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geht der Vorlagebeschluss nicht auf die vorrangige Frage ein, ob der Vergütungsanspruch des Betreuers in der vorliegenden gesetzlichen Ausgestaltung überhaupt durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sein kann, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht worden ist. Nur in diesem Fall könnte die Regelung in § 2 VBVG in ein geschütztes subjektives Recht eingreifen.
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Selbst wenn ein entsprechender Schutz unterstellt wird, setzt sich der Vorlagebeschluss mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit einer entsprechenden Inhalts- und Schrankenbestimmung in Gestalt der fünfzehnmonatigen Ausschlussfrist, insbesondere mit der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung, nur ungenügend auseinander. Der Gesetzgeber ist bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht gänzlich frei. Er muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. etwa BVerfGE 100, 226 240 f.>; 110, 1 28>; stRspr). Deshalb wäre zu prüfen gewesen, ob Gründe des allgemeinen Interesses gegeben sind, zu deren Verwirklichung die Regelung geeignet und erforderlich ist, ohne den Betroffenen übermäßig und deshalb unzumutbar zu belasten (vgl. BVerfGE 21, 150 155>; 31, 275 290>; 36, 281 293>; 58, 137 148>; 72, 9 23>; 117, 272 294>; 122, 374 391 f.>; stRspr).
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Mit Blick auf die fragliche Regelung in § 2 VBVG wäre deshalb das mit ihr verfolgte Ziel des Gesetzgebers zu erörtern gewesen. Die Vorschrift ist darauf gerichtet, den Betreuer zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anzuhalten und so möglichst zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit des Betreuten als des vorrangigen Schuldners überfordern. Es soll verhindert werden, dass ein Zuwarten mit der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen unter solchen Umständen die Mittellosigkeit des Betreuten begründet und eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, zu der es bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Betreuten nicht gekommen wäre (vgl. BTDrucks 15/4874, S. 30; BTDrucks 13/7158, S. 27; Maier, in: Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Aufl. 2013>, § 2 Rn. 1). Auf diesen verfassungsrechtlich legitimen Zweck der Regelung sowie deren Erforderlichkeit und Angemessenheit zur Erreichung des Zwecks geht der Vorlagebeschluss indes nicht ein. Gleiches gilt für die in gleicher Weise aufgeworfene Frage der Rechtfertigung eines möglichen Eingriffs in Art. 12 GG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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