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BFH 14.11.2022 - XI B 105/21
BFH 14.11.2022 - XI B 105/21 - Berichtigung einer Rechnung mit Rückwirkung
Normen
§ 15 Abs 1 S 1 Nr 1 S 2 UStG 2005, § 31 Abs 5 UStDV 2005, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 14 UStG 2005, UStG VZ 2014
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 3. November 2021, Az: 2 K 2140/17, Urteil
Leitsatz
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NV: Sind die Angaben in einer Rechnung nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder unzutreffend, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen, ist das FA daran gehindert, das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb zu verweigern, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht ordnungsgemäß ist, sofern das FA über alle notwendigen Informationen verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorliegen.
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 03.11.2021 - 2 K 2140/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte im Jahr 1992 ohne Beanstandung durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug aus Rechnungen in Anspruch genommen, die zwar Angaben zum Leistungsempfänger enthielten, die aber entweder fehlerhaft oder unvollständig waren. Ihr gingen in 2014 (Streitjahr) berichtigte Rechnungen zu, die sie als Leistungsempfängerin nunmehr zutreffend bezeichneten. Daher machte sie geltend, dass sie aufgrund der Rechnungsberichtigungen für das Streitjahr erstmals zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Das FA folgte dem nicht. Auch die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Nach dem Urteil des FG waren die in 1992 ausgestellten Rechnungen berichtigungsfähig, da sie Angaben zum Leistungsempfänger enthielten, die nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder unzutreffend waren, dass sie fehlenden Angaben gleichstanden. Zudem komme die Anwendung einer finanzbehördlichen Übergangsregelung nicht in Betracht, da sie den Vorsteuerabzug aus den ursprünglichen Rechnungen bereits in 1992 erlangt habe. Rückzahlungsbeträge aufgrund geänderter Festsetzungen seien nicht entrichtet worden. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
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a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt einer Rechtssache zu, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.03.2021 - XI B 69/20, BFH/NV 2021, 1108; vom 20.04.2021 - XI B 39/20, BFH/NV 2021, 1209, Rz 8; vom 25.01.2022 - XI B 60/20, BFH/NV 2022, 827, Rz 10).
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b) Hieran fehlt es im Streitfall.
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aa) Die Beschwerde wirft zwar die abstrakte Rechtsfrage auf, ob die zutreffenden Angaben zum Leistungsempfänger eine fundamentale Angabe einer Rechnung darstellen, so dass eine rückwirkende Berichtigung einer in dieser Hinsicht fehlerhaften Rechnung nicht in Betracht kommt.
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bb) Diese Rechtsfrage ist jedoch im Streitfall nicht klärbar. Das FG hat seine Entscheidung insbesondere damit begründet, dass die im Jahr 1992 ausgestellten Rechnungen berichtigungsfähig waren, da sie Angaben zum Leistungsempfänger enthielten, die nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder unzutreffend waren, dass sie fehlenden Angaben gleichstanden, zumal keine Verwechselungsgefahr bestanden habe (FG-Urteil S. 9). In einem derartigen Fall, in dem die Rechtsprechung des BFH, auf die sich das FG bei seiner Entscheidung bezogen hat, eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung zulässt (BFH-Urteil vom 20.10.2016 - V R 54/14, BFH/NV 2017, 488), sind zudem nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) die nationalen Steuerbehörden daran gehindert, das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb zu verweigern, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht ordnungsgemäß ist, obwohl diese Behörden über alle notwendigen Informationen verfügen, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts vorliegen (grundlegend EuGH-Urteil Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos vom 15.09.2016 - C-516/14, EU:C:2016:690; vgl. auch EuGH-Urteil Wilo Salmson France vom 21.10.2021 - C-80/20, EU:C:2021:870). Eine solche Situation lag im Streitfall jedenfalls insoweit vor, als die Klägerin den Vorsteuerabzug bereits für das Jahr 1992 zunächst erhalten hatte und fehlende Ausübungsvoraussetzungen nach dem Urteil des FG durch die Berichtigung rückwirkend hergestellt wurden.
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2. Die geltend gemachte Divergenz liegt aufgrund dieser Erwägungen ebenfalls nicht vor.
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a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, der EuGH, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG; das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18.07.2017 - XI B 24/17, BFH/NV 2018, 60, Rz 15; vom 27.02.2018 - XI B 97/17, BFH/NV 2018, 738, Rz 8).
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b) Insoweit verweist die Klägerin darauf, dass ein anderes FG entschieden habe, dass die Angabe eines Unternehmers, der nicht der tatsächliche Leistungsempfänger ist, eine offensichtlich unzutreffende Angabe sei, die nicht rückwirkend berichtigt werden kann.
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c) Der geltend gemachte Widerspruch besteht nicht und somit auch keine Divergenz. Denn sind Angaben in einer Rechnung zum Leistungsempfänger auslegungsfähig und nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder unzutreffend, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen, handelt es sich nicht um die Angabe eines Unternehmers, der nicht der tatsächliche Leistungsempfänger ist. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es für die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz nicht darauf ankommt, ob das FG nach diesen Maßgaben den von ihm zu beurteilenden Einzelfall zutreffend entschieden hat. Sollte dies nicht der Fall sein, handelt es sich um einen für diese Zulassungsgründe unbeachtlichen materiell-rechtlichen Rechtsfehler des FG.
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3. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ohne weitere Begründung.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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