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BFH 07.08.2019 - V B 7/18
BFH 07.08.2019 - V B 7/18 - Außenprüfung bei kirchlichen Organisationen
Normen
§ 193 Abs 1 AO, Art 140 GG, Art 137 Abs 3 WRV
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 20. November 2017, Az: 6 K 603/16 AO, Urteil
Leitsatz
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NV: Der Erlass einer auf § 193 Abs. 1 AO gestützten Prüfungsanordnung verletzt nicht das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, das den Kirchen die Freiheit garantiert, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig zu ordnen und zu verwalten .
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20.11.2017 - 6 K 603/16 AO wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
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Die Beschwerde, mit der sich die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine kirchliche Organisation in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, dagegen wendet, dass das Finanzgericht ihre Klage gegen eine nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) zur Umsatzsteuer ergangene Prüfungsanordnung ohne Revisionszulassung abgewiesen hat, ist unbegründet. Die Revision ist aus keinem der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründe zuzulassen.
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1. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht vor.
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a) Die Klägerin, deren Beschwerde keine ausdrücklich als klärungsbedürftig formulierte Rechtsfrage enthält, sieht es nach ihrem Vortrag als klärungsbedürftig an, ob es zulässig ist, gegenüber einer "Religionsgemeinschaft in der Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ... - hier für Zwecke der Umsatzsteuer – eine de facto pauschale Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 1 AO zu erlassen" oder ob die Prüfungsanordnung einzugrenzen gewesen wäre auf den von ihr unstreitig unterhaltenen Betrieb gewerblicher Art Reisebüro. Sie macht geltend, dass bei Religionsgemeinschaften in der Rechtsform von Körperschaften des öffentlichen Rechts die Prüfungsanordnung nicht auf § 193 Abs. 1 AO, sondern nur auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO gestützt werden könne.
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b) Soweit dem Vortrag der Klägerin überhaupt eine abstrakt formulierte Rechtsfrage zu entnehmen ist, ergibt sich hieraus jedenfalls nicht die erforderliche Klärungsbedürftigkeit.
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aa) Es ist nicht klärungsbedürftig, ob der Erlass einer auf § 193 Abs. 1 AO gestützten Prüfungsanordnung das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 140 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) verletzt, das den Kirchen die Freiheit garantiert, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig zu ordnen und zu verwalten.
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(1) Auch wenn dieses Recht den Kirchen gewährleistet, alle eigenen Angelegenheiten gemäß den spezifischen kirchlichen Ordnungsgesichtspunkten rechtlich zu gestalten, gehören die Regelungen des materiellen Steuerrechts, wie hier der §§ 1 ff. des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wie auch das sich aus § 193 Abs. 1 AO ergebende Prüfungsrecht jedenfalls zu dem für alle geltenden Gesetz, das daher auch die Kirchen als juristische Personen des öffentlichen Rechts zu beachten haben.
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(2) Dabei ist zu berücksichtigen, dass der nach § 193 Abs. 1 AO der Prüfung unterliegende Steuertatbestand der Leistung gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Leistungserbringung gegenüber einer anderen Person voraussetzt, die von dieser Person oder einem Dritten vergütet wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15.04.2010 - V R 10/08, BFHE 229, 406, BStBl II 2010, 879). Dementsprechend gehört es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht zu dem von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften bei Leistungen an andere von einer Belastung mit Umsatzsteuer verschont zu werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 04.10.1965 - 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, 129, unter III.4., und BFH-Urteil vom 17.05.2017 - V R 52/15, BFHE 258, 124, BStBl II 2018, 218, Rz 30). Im Streitfall liegen somit keine "rein inneren kirchlichen Angelegenheiten" vor, für die ein staatliches Gesetz für die Kirche überhaupt keine Schranke ihres Handelns bilden kann (BVerfG-Beschluss vom 17.10.2007 – 2 BvR 1095/05, DVBl 2007, 1555, unter B.II.4.c).
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(3) Dies ist auch bei der Bestimmung des verfahrensrechtlichen Prüfungsrechts nach § 193 Abs. 1 AO zu beachten. Denn das BVerfG sieht es im vorliegenden Zusammenhang auch als zulässig an, dass der Gesetzgeber verwaltungsrechtliche Pflichten und verwaltungsbehördliche Anordnungen bestimmt und mit Strafen oder Geldbußen bewehrt (BVerfG-Beschluss in DVBl 2007, 1555, unter B.II.5.a). Ein Klärungsbedürfnis ergibt sich daher auch nicht daraus, dass sich der BFH aus Sicht der Klägerin in Bezug auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV bislang nur mit Regelungen des materiellen Steuerrechts beschäftigt hat.
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bb) Im Übrigen liegen der Beschwerde der Klägerin unzutreffende Vorstellungen zu der für sie bestehenden Umsatzsteuerpflicht zugrunde.
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(1) Bei ihrer Beschwerde geht die Klägerin von der körperschaftsteuerrechtlichen Definition des Betriebs gewerblicher Art aus, lässt dabei die umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten außer Betracht.
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Gestattet z.B. eine Universität als juristische Person des öffentlichen Rechts durch privatrechtlichen Vertrag das Aufstellen von Automaten gegen Entgelt, erbringt sie unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes als Unternehmer steuerbare und steuerpflichtige Leistungen. Der Begriff der "Vermögensverwaltung" ist umsatzsteuerrechtlich für die Unternehmerstellung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts durch einen "Betrieb gewerblicher Art" unbeachtlich (BFH-Urteil vom 15.04.2010 - V R 10/09, BFHE 229, 416, BStBl II 2017, 863, Leitsätze 2 und 1). Nach dieser Rechtsprechung kommt es für die Unternehmereigenschaft und die sich hieraus ergebende Umsatztätigkeit, auf die sich die Prüfung gemäß § 193 Abs. 1 AO bezieht, auf die rein körperschaftsteuerrechtliche Definition des Betriebs gewerblicher Art nicht an.
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Soweit die Klägerin daher geltend macht, dass kein staatliches Besteuerungsrecht eingreift, soweit kein (körperschaftsteuerrechtlicher) Betrieb gewerblicher Art vorliegt und ihr Eigenverwaltungsrecht verletzt wird, wenn die Finanzverwaltung prüft, obwohl feststeht, dass kein (körperschaftsteuerrechtlicher) Betrieb gewerblicher Art vorliegt, verkennt sie, dass nach der vorstehenden Senatsrechtsprechung bereits das privatrechtliche Handeln gegen Entgelt durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts der Umsatzsteuer unterliegen kann und ebenso dies von der Finanzverwaltung zu prüfen ist.
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(2) Zudem hat eine Körperschaft des öffentlichen Rechts --eventuell abweichend von körperschaftsteuerrechtlichen Grundsätzen-- nur ein Unternehmen für Zwecke der Umsatzsteuer, so dass für dieses pro Veranlagungszeitraum auch nur ein einheitlicher Umsatzsteuerbescheid ergehen kann. Eine gesonderte Bescheiderteilung für einzelne Betriebe gewerblicher Art ist nicht möglich (BFH-Urteil vom 18.08.1988 - V R 194/83, BFHE 154, 274, BStBl II 1988, 932, Leitsatz 2 und unter II.2.). Dementsprechend können entgegen dem Vortrag der Klägerin für Zwecke der Umsatzsteuer nach § 193 Abs. 1 AO auch keine gesonderten Prüfungsanordnungen für einzelne Betriebe gewerblicher Art erlassen werden und ist auf der Grundlage der einen Prüfungsanordnung zu ermitteln, welche umsatzsteuerrechtlichen Tatbestände von der juristischen Person des öffentlichen Rechts insgesamt verwirklicht wurden.
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Somit kommt eine Eingrenzung der angefochtenen Prüfungsanordnung auf den Betrieb gewerblicher Art "Reisebüro" von vornherein nicht in Betracht.
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c) Zur Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 193 Abs. 1 AO nach ihrem Wortlaut eine auf die Umsatzsteuer bezogene Prüfungsanordnung für juristische Personen des öffentlichen Rechts oder für gemeinnützige Körperschaften ermöglicht, verweist die Klägerin nur auf eine Äußerung im Schrifttum (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 193 AO, Rz 17), die sich dabei aber nicht zu den Besonderheiten der Umsatzbesteuerung äußert. Insoweit entspricht die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Es fehlen die erforderlichen substantiierten Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten abstrakt beantwortbaren Rechtsfrage. Hierfür sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27.03.2019 – IX B 117/18, BFH/NV 2019, 708).
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2. Es kommt auch keine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO in Betracht, zumal die Klägerin insoweit lediglich auf ihre Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung verweist.
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3. Es ist auch kein Verfahrensfehler gegeben (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), den die Klägerin ohne Erfolg in Form der Nichtberücksichtigung ihrer Aussagen als Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und Verletzung von § 96 Abs. 1 FGO rügt.
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a) Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und damit eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist insbesondere gegeben, wenn das FG eine nach Aktenlage feststehende Tatsache, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätte einfließen müssen, unberücksichtigt lässt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht (BFH-Beschlüsse vom 15.02.2012 - IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774, und vom 22.03.2011 - X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165).
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b) Dass das FG den Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung aus der Sicht des Klägers fehlerhaft erscheint, begründet keinen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO. Mit ihren Einwendungen gegen die tatsächliche Würdigung durch das FG wendet sich die Klägerin in erster Linie gegen die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Damit kann aber die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
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Die Klägerin verkennt insoweit zudem, dass im Rahmen ihrer Besteuerung nach §§ 1 ff. UStG auch zu prüfen ist, inwieweit z.B. die Finanzzuschüsse, die sie als Dachorganisation von 480 Gemeinden erhalten hat, als Entgelt für eine von ihr gegenüber den Gemeinden erbrachte Leistung anzusehen sein kann (zur Parallelfrage der Umsatzsteuerpflicht von Leistungen zwischen zwei Kommunen vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2011 - V R 41/10, BFHE 235, 554, BStBl II 2017, 869). Welche Bedeutung dabei Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV im Einzelfall zukommen kann, betrifft die materiell-rechtliche Besteuerung und kann die abstrakte Unzulässigkeit einer Prüfungsanordnung nicht begründen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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